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Wir bremsen

Wer meint, dass Autos aus den Städten verbannt gehören, hat natürlich vollkommen recht. Wer allerdings aus der Blechschubserei das Maximum heraus holen möchte, sollte sie nutzen, um seine Kinder in die Kita zu bringen. Dabei kann man nämlich schon am frühen Morgen Sachen vom Nachwuchs lernen, die einen locker über den Rest des Tages bringen.

So hat neulich die Lektion zur Verkehrsästhetik die Augen für die — ähh — schönen Dinge geöffnet. Ästhetik ist aber nicht alles. Als reiner Schöngeist kommt man schließlich nicht durchs Leben. Da gibt’s noch mehr Qualifikationen, die essenziell sind, um sich souverän durch den Alltag bewegen zu können. Das Auskommen mit anderen Menschen zum Beispiel. Toleranz ist hier gefragt. Verständnis. Empathie. Die Welt ist geprägt von Teamwork. Das Zeitalter der grandiosen Autisten ist vorbei. Da ist es wichtig, dass man klar kommt mit den anderen; dass man einen Weg des kooperativen Miteinanders findet.

Wir fahren also zur Kita. Die Kinder sitzen hinten im Auto und kommentieren den aktuellen Soundtrack. Ich sitze vorn und konzentriere mich auf den Verkehr. Wir wollen schließlich heile ankommen. Dafür gebe ich alles. Ich fahre ruhig, ich fahre ausgeglichen, wir gleiten sozusagen elegant durch die Stadt. Bis sich an einer Kreuzung der Sohn von hinten zu Wort meldet: Papa?

Ich: Ja, mein Sohn?

Sohn: Warum hast Du gerade gebremst?

Ich: Ähh, weil ich den Radfahrer dort vorn vorbei gelassen habe.

Er sagt darauf nichts. Die Antwort scheint ihm zu reichen. Wir sind hier im Straßenverkehr schließlich ein Team. Hier geht es nicht darum, wer größer oder schneller ist. Hier geht es darum, miteinander auszukommen. Hier zählt es, dass alle ein harmonisches Ganzes ergeben. Das spart Agressionen, das spart Unfälle, das sorgt für mehr Frieden in der Welt. Es ist doch so, da machen wir uns mal nichts vor: Der Weltfrieden fängt vor der eigenen Haustür an. Ich bin froh, dass auch der Sohn das schon verinnerlicht hat. Er denkt sogar noch ein wenig darüber nach. Man kann sein Denken in der plötzlich eingetretenen Stille geradezu fühlen. Und schlussendlich sagt er auch wieder etwas, wenn auch mehr zu sich selbst als zu den anderen im Wagen, ganz leise und beiläufig kommt es aus ihm heraus:

Aha. Wir bremsen also auch für Radfahrer.

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Vom Jammern und dem Weltfrieden

Papa liest. Sohn spielt. Man soll die Arbeit ja aufteilen, damit es gerecht zugeht. Das sieht der Sohn jedoch nicht ganz so. Vernünftig mitspielen soll ich. Sagt er. Recht hat er. Natürlich. Also schnappe ich mir ein paar seiner Legosteine und baue fleißig an einer wilden Konstruktion. Das Ergebnis wackelt etwas, bleibt aber stehen. Obendrauf habe ich sogar eine kleine Spielzeugblume gesetzt, an der man drehen kann. Sieht chic aus, finde ich.

Was soll das denn? – fragt der Sohn.

Ich gucke wohl ungläubig. Mit skeptischen Rückfragen hatte ich gar nicht gerechnet. Bin doch in Gedanken noch ganz beim gelesenen Text. Aber es hilft alles nichts. Wenn der Sohn fragt, hat er auch eine Antwort verdient.

Das repräsentiert natürlich den Weltfrieden. – sage ich.

Ahh, eine Waschstraße: Drehen. Waschen. Sauber. Gut. – sagt der Sohn. Ich grummel nur ein unverständliches: Ähh, ja, genau. Bin schließlich voll bei der Sache, also dem Text von eben.

In dem übrigens folgendes steht:

Die Lehrer brauchen dringend einen Führerschein für das Web, damit sie verstehen, wie die Welt inzwischen tickt.

Gesagt hat’s Gunter Dueck in einem jüngst veröffentlichten Interview. Es geht um Bildung. Das ist doch ein Thema für den Sohn! – denke ich. Er guckt mich nur kurz skeptisch an und baut lieber weiter mit seinen Legos. Ich sitze einfach da, gucke Löcher in die Luft und denke nach über die Zukunft, den Sohn, die Schule, den Bach, den alles runter geht, das Früher, in dem alles viel besser war und wie die Welt wohl schlicht zu Grunde geht.

Ich habe den Weltfrieden zerstört! – sagt prompt der Sohn. Dort musste eine neue Waschstraße hin. Die Autos sind jetzt alle sauber!

Präziser hätte ich es auch nicht auf den Punkt bringen können. Denn wie sagt Señor Dueck im Interview schon so schön: Lernen muss einfach Spaß machen.

Na dann.


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Du Papa

Es gibt wohl noch immer Leute, die sich ernsthaft fragen, wofür so etwas wie Elternzeit eigentlich gut sein soll. Gerade für die Männer in der Familie (Kinder nicht mit einbezogen).

Dabei ist das doch ganz einfach. Es hat etwas mit den Hormonen zu tun. Die haben ja nicht nur die Frauen. Sondern auch die Männer, somit Väter. Und positiv stimuliert werden sie. Die Hormone. Und damit auch die Männer, also Väter. Daraufhin werden diese glücklicher, ausgeglichener, stärker, schöner, fruchtbarer und überhaupt charmanter. Das überträgt sich dann auf die ganze Familie. Und letztlich ist der Weltfrieden auch nicht mehr weit.

Da jetzt der Herr Papa des Hauses hier ganz offenbar nur zu latent holprigen Erklärungen zum Sinn der Elternzeit in der Lage ist, dachte sich der großartige Sohn, dass eine Lektion in klarer und präziser Sprache mit Bewahrung einer deutlichen Ausdruckskraft durchaus angemessen sei.

Er schwang sich somit auf zu seiner allerersten Wortmeldung überhaupt.

Sohn zum Papa: Du, Papa…
Papa zum Rest der Welt: Hallo Welt! Er hat ‚Papa‘ gesagt! ‚Du, Papa!‘

Eventuell weitere Wortmeldungen des Nachwuchses sind an dieser Stelle leider vollständig unter gegangen. Als guten Rat an andere Herren Papas da draußen kann ich allerdings sehr empfehlen, die eigene Euphorie überwiegend im Stillen zu genießen und nicht stundenlang mit dem Sohn auf dem Arm durch die Wohnung zu tanzen und lautstark einen spontan komponierten und getexteten ‚Du Papa‘-Song zu trällern. Schon gar nicht, während die bezaubernde Frau Mama des großartigen Sohnes anwesend ist.

Denn mit dem nahen Weltfrieden könnte es dann ganz schnell wieder vorbei sein. Und das gibt nicht nur den Elternzeitsinnzweiflern vollkommen unnötigen Aufwind.