Wenn man dem Sohn beim Essen zuschaut, dann stellt sich die Frage, ob es wirklich nur die Liebe ist, die durch den Magen geht. Oder ob nicht viel eher das ganze Leben eigentlich nur ein einziger kulinarischer Genuss ist. Welcher schon vor dem eigentlichen Essen beginnt.
Viele Köche verderben den Brei? Stimmt nämlich gar nicht. Nur ein Elternteil ganz allein kann gar kein vernünftiges Essen zubereiten. Ganz unmöglich. Da muss der Chef persönlich ran. Sonst wird das nichts. Es ist natürlich ungeschickt, dass ihn noch immer jemand auf den Arm heben muss, damit er überhaupt auf die Arbeitsplatte gucken kann. Aber wenn er erst einmal so weit aufgestiegen ist, sind die klaren Kochanweisungen nicht mehr weit. Mehr von diesem! – Weg mit jenem! Und wenn das Personal nicht spurt, dann langt er eben selbst zu. Wenn Profis am Werk sind, dann wird gearbeitet und nicht lange diskutiert. Das ist schließlich eine Küche und kein Debattierclub.
Ähnlich konsequent ist er auch beim Essen. Dass die Tischsitten gepflegt werden, ist selbstverständlich. Also wird der Tisch gedeckt, eine Kerze erleuchtet und alles ansprechend arrangiert. Die Grundregeln des Kochens gelten aber auch hier: läuft es nicht genau so, wie der Chef sich das gedacht hat, gibt er klare Anweisungen mit Verbesserungsvorschlägen. Ziehen diese nicht, legt er selbst Hand an. Da wird schon mal mit Löffeln geworfen, um anzuzeigen, wo etwas adäquat stehen sollte. Da wird auch mit dem Teller geklappert, um eventuell schläfrig wirkendes elterliches Personal wieder munter zu bekommen.
Wer jetzt aber denkt, dass das ganze in einer ungeheuerlichen Fastfood-Schlacht endet, der irrt. Der Prozess des kulinarischen Genießens zeichnet sich beim Nachwuchs zwar nicht durch vornehme Zurückhaltung aus. Aber Gut Ding will Weile haben. Das Mahl wird somit genossen. Und das braucht seine Zeit. Sollte jemand einen gelangweilten Eindruck machen, wird er zwischendurch einfach zu einem Spielchen eingeladen. Aber ansonsten wird ganz in Ruhe gegessen. Gern auch genüsslich geklaute Ware vom Teller der Tischnachbarn. Wenn dabei etwas bisher unbekanntes auf seinem Speiseplan landet, guckt der Sohn, als hätte er den Hauptpreis des Tages gewonnen. Eine Zitrone vielleicht? Super. Her damit! Und Reingebissen. Wie war das noch mal? Kein Apfelgesicht, keine Erfrischung.
Wie gesagt: das Leben scheint ein einziger kulinarischer Genuss zu sein. Und wenn Liebe wirklich durch den Magen geht, bin ich schon mal gespannt, wann er die ersten Übernachtungsgäste mit zum Frühstück bringt.