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Damenwahl (1)

Es soll Leute geben, die plagen sich bis ins hohe Alter mit der Frage, was sie den ganzen Tag lang machen wollen. Sie suchen nach ihren Talenten, ihren Gaben, ihren ganz besonderen Fähigkeiten. Andere brauchen da nicht lange zu grübeln. Ihnen ist schon sehr früh klar, wo die Reise hin geht.

Zu letzteren gehört die Tochter. Sie hat bereits ihre eigene Geburt so adäquat geplant und durchgeführt, dass gar keine Zweifel an ihren Talenten und Fähigkeiten aufkommen können.

So waren wir als Eltern bereits geraume Zeit vor dem errechneten Geburtstermin fix, fertig und empfangsbereit. Der Sohn ist schließlich um einige Zeit vor dem Termin zur Welt gekommen. Trotzdem war alles drin, alles dran und alles wohl gelungen. Da dachten wir uns: das machen wir bei der Tochter genauso. Das ist schließlich für alle von uns am angenehmsten. Es ist nur ohne die Tochter gerechnet. Sie plant anders.

Sie wartet zum Beispiel, bis der Kumpel des Bruders aus seinem Urlaub wieder da ist. Nur so kann ihn der Bruder während der Geburt besuchen gehen. Wer nicht gleich in den ersten Momenten nach der eigenen Geburt großartig angequatscht werden möchte, beugt lieber vor. Denkt sich die Tochter und wartet ab.

Sehr wichtig ist auch eine gut durchdachte Wahl des besten Wochentages für eine Geburt. An gemeinen Arbeitstagen herrscht bekanntermaßen viel Stress, die Straßen und alle nahegelegenen Baustellen sind gut verstopft und sorgen für innerstädtische Staus, der Herr Papa treibt sich auf Arbeit herum und muss erst noch herantelefoniert werden. Wochentage sind großer Mist. Wer etwas auf sich hält, wird am Wochenende geboren. Die Tochter ist ein Sonntagskind.

Die nächste Detailfrage bei einer gut vorbereiteten Geburt ist die Wahl der Uhrzeit. Spät am Abend? Keine gute Idee. Vom intensiven Warten sind möglicherweise alle Beteiligten total erschöpft und möchten eigentlich viel lieber Schlafen gehen als ein Kind gebären. Entsprechend unlogisch wäre auch das Wecken der Eltern mitten in der Nacht. Wer eine entspannte Geburt plant, startet die Wehen am Morgen. Früh genug, dass alle frisch ausgeschlafen sind; spät genug, dass Zeit zum Frühstücken bleibt. Wahre Profis ziehen die Arbeit ab dann auch nicht groß in die Länge, sondern spulen das Geburtsprogramm zügig, sauber, ordentlich und ohne größere Überraschungen ab.

Dass die Tochter obendrein auch noch genau am errechneten Termin geboren ist, muss ich jetzt nicht extra erwähnen, oder?

Bei einem dermaßen ausgeprägten Hang zur Pünktlichkeit, Genauigkeit und dem Wunsch nach ordnungsgemäßen Abläufen wird die Tochter später Controllerin. Und zwar noch vor dem Sohn.


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