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Aus dem Regal

Heute: 1Q84 von Haruki Murakami, Deutsch von Ursula Gräfe

Cover 1Q84 Von Señor Murakami kann man viel halten. Muss man aber nicht. Manch‘ hanseatische Textexpertin macht das zum Beispiel nicht. Aber sie begründet ihre Meinung auch ganz dick mit der Rezension eines selbstreferenziellen Sachbuches. Das passt natürlich nicht. Denn das Ego des japanischen Herren scheint recht ausgeprägt zu sein. Vielleicht, weil ihm zu oft jemand gesagt hat, dass seine Romane gelungene Konstrukte sind.

Wo jedoch etwas dran ist. Murakami versteht sein Handwerk. Erzählen kann er. Man sieht es an dieser Geschichte recht gut. Es gibt zwei Hauptdarsteller, beide sehr charmant, beide zumindest etwas mysteriös. Es gibt relativ starke Nebendarsteller, die jedoch nie am Thron der Helden rühren. Die Geschichte steuert obendrein auf ein recht offensichtliches Ende zu. Aber sie macht es von zwei verschiedenen Richtungen aus. Und unterwegs gibt es durchaus die eine oder andere Verwirrung und Nebengeschichte. Damit bleibt es unterhaltsam und abwechslungsreich. Verwirrt wird man garantiert nicht. Es gibt viele Seiten, die mit ausführlichen Beschreibungen von allem und jedem gefüllt sind. Wenn schon Tolkien mit seitenlangen Ergüssen über das saftige Grün einer saftig grünen Wiese erfolgreich war, warum sollten sich dann nicht auch nachfolgende Romanschreiber daran orientieren? Eben. Und keine Angst: das klappt auch ohne Graswiesen – zum Beispiel mit Brüsten. Denn in diesem Buch gibt es wohl keine Frau, zu der wir nicht etwas über die Größe, Form und sonstige Beschaffenheit ihrer Brüste erfahren. Das allein sollte doch eine glasklare Leseempfehlung sein, oder?

Und selbst wenn nicht: Trauen Sie sich ruhig. Lesen sie Murakami. Aber bitte als Roman, nicht als Sachbuch. Und seien Sie um Himmels Willen nicht zu analytisch bei der Sache. Das Erlebnis ist sorgfältig geplant und handwerklich solide umgesetzt. Bis hin zum Cliffhanger ganz am Ende, welcher zum Kauf des Folgebandes motivieren soll. Man merkt das alles. Aber sei’s drum.