Der kleine Mann ist ein Narr. Ein Autonarr. „Auto!“ ist das Wort der Wahl, wenn er etwas Bewegtes auf Rädern sieht. „Auto!“ – sagt er auch, wenn er etwas brummen hört und recht sicher weiß, dass ich es nicht bin. Auto. Auto. Auto. Sie sind überall. Der Weg zur Kita ist voll davon. Der Weg zum Spielplatz eigentlich nicht. Macht aber nichts. Der Sohn findet trotzdem welche.
Wenn wirklich gar nichts anderes in Sichtweite ist, bleibt sein Blick sogar einmal an einem Fahrrad hängen. „Auto?“ – fragt er vorsichtig, guckt dabei aber selbst so überzeugend zweifelnd, dass jedem sofort klar wird: Diese Frage ist rein rhetorischer Natur. Der Blick des Sohnes wandert auch prompt weiter und sucht nach würdigeren Gefährten.
Bei seinem eigenen Kinderwagen sieht die Lage etwas anders aus. Der hat schließlich vier Räder. Und gegenüber den anderen Autos da draußen einen ganz entscheidenden Vorteil: Sitzt man drin, kann man lässig leicht nach rechts gekippt fläzen, wie es die Schirmmütze tragenden Fahrer tiefergelegter Golfs gern tun, dabei den rechten Ellenbogen leicht nach unten gekippt aus dem Wagen hängen lassen, wie es früher, vor langer Zeit, bei Mantafahrern üblich war und den linken Unterarm auf dem Kinderwagenbügelgriff ablegen, wie es sonst nur die gerade erwähnten Golffahrer schaffen. Eine der beiden Hände hebt er gelegentlich. Meist allerdings nur, um beiläufig mir fremden Frauen zuzuwinken, die ihm für gewöhnlich entweder ihr strahlendstes Lächeln oder zumindest das leichte Nicken alter Bekannter retour geben. Keine Ahnung, woher er sie alle kennt.
Ähnlich wenig Ahnung habe ich zugegebenermaßen auch, woher er die fachmännische Selbstverständlichkeit hat, mit der er seinen gerade erprobten Lässigkeitsfahrstil auf die Umgebung im realen und viel größeren Auto anwendet. Rauf auf den Fahrersitz. Haltung leicht schräg nach rechts. Die linke Hand am Lenkrad, der rechte Ellenbogen hängt zwar nicht aus dem Fenster, da dieses zum einen viel zu weit oben anfängt und sich zum anderen auf der falschen Seite befindet; dafür hängt der rechte Ellenbogen auf dem Schalthebel, Stellung nach vorn, ein ungerader Gang. So reichen die Finger zwar nur knapp, aber doch ausreichend, an die Bedienelemente für Radio, Klimaanlage, Navigationsgerät und was auch immer sonst noch an Knöpfen da ist, deren Bedeutung sich mir bisher nicht erschlossen hat, dem Sohn aber intuitiv klar ist. Er wirkt zufrieden.
Der ernsten Mine des sonnenbebrillten Sohnes ist nur noch eine offene Frage anzusehen: „Wie grüße ich all die charmanten jungen Damen da draußen?“ Lässig ein paar Finger zu heben, reicht nicht mehr. Es wäre nicht zu sehen. Also nimmt er seine Finger, bewegt sie und drückt zweimal kurz auf den Schalter für das Warnblinklicht. Einmal an. Einmal aus.
Er ist der Fachmann.
Nur das Geheimnis mit der Hupe im Lenkrad, das verrate ich ihm vorerst lieber nicht.