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beobachtungsgabe

Mit Deckel

Der Sohn und ich: wir sind unterwegs. Kleiner Ausflug durch das Kiez. Man muss schließlich gelegentlich mal nachschauen, ob alles noch beim Rechten ist. Im Großen und Ganzen sieht alles gut aus. Denn so lange der Bäcker hat, was der Sohn wünscht, ist die Lage meistens entspannt. Da sehen wir sogar darüber hinweg, dass alle Baggerfahrer offenbar schon Feierabend haben, dass keine entzückenden Damen vor dem Dessousladen stehen, um mit dem Sohn zu flirten und sogar, dass niemand aus dem Blumenladen gestürmt kommt, um dem Sohn seine Rose zu schenken.

Nichts davon entgeht ihm. Er ist jedoch satt und zufrieden. Mit sich, seinem Bäcker und seiner Wohngegend. Alles ist voll von angenehmen Leuten, die vor Charme nur so sprühen. Das gilt ganz sicher auch für die beiden blonden Damen, die vor einer der Bars der Gegend sitzen. Sie sind die einzigen Gäste. Das heißt, genau genommen zählt der Sohn zwei blonde Damen und einen solide flachen Sportwagen, welcher auf der Straße direkt vor ihnen parkt. Er bleibt beim Vorbeigehen kurz stehen. Betrachtet die Damen, wirft einen Blick auf den Wagen und nickt. Es wirkt eher registrierend als anerkennend, dieses Nicken. Ich gucke wohl fragend, so kenne ich den Sohn gar nicht. Aber er zieht nur an meinem Arm und sagt: «Weitergehen.»

Nur wenig später werden wir überholt. Von dem solide flachen Sportwagen mit einer der beiden blonden Damen am Steuer. Der Sohn bleibt nicht einmal stehen sondern guckt nur beiläufig aus dem Augenwinkel herüber. Nachdem die Dame außer Hörweite ist, fragt er: «Was war das?» – «Ein Porsche,» sage ich, «ein recht dicker.»

Der Sohn nimmt es, wiederum kurz nickend, zur Kenntnis und sagt: «Aber kein Cabrio. Ist ein Auto mit Deckel.»

Nur gut, dass die Dame nicht aus der Gegend war. Man könnte meinen, der Sohn sähe sonst seine Wohnqualität in Gefahr.


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