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dialoge sohn

Morgen

Hallo? Ist da der Wetterfrosch?

(Kurze Ruhe.)

Hallo Wetterfrosch!

(Ruhe.)

Morgen wird’s wieder schön, ja?

(Noch einmal Ruhe, wenn auch nur kurz.)

Alles klar. Gut. Aber nicht vergessen: morgen schön! Tschühüß.

Der Sohn als Beifahrer im Auto ist eine praktische Sache: Man braucht keine unsäglichen Radiosender zu hören, nur um ihren nichtssagenden Wetterbericht zu erleben; man braucht nicht während der Fahrt zum Telefon zu greifen, das nimmt er einem ganz freiwillig ab; und solange er ins Gespräch vertieft ist, kann man sicher sein, dass er sich nicht in die Musikauswahl im Gefährt einmischt.

Dafür erträgt man auch Gespräche mit dem Wetterfrosch.

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beobachtungsgabe

Werkstatttermin

Es ist kalt. Es wird vielleicht glatt. Auf jeden Fall kommt jetzt der Winter. Da gehören die korrekten Reifen an das Auto. Also haben der Sohn und ich uns an die Arbeit gemacht. Wir haben am Wagen die Reifen gewechselt.

Das ist ja gar nicht schwer, sagt der Sohn. Er hat auch ganz genau hingeschaut. Alles, was man braucht, ist eigentlich ein Maulschlüssel. Damit lassen sich die Räder locker und wieder fest schrauben. Die Sache mit dem Wagenheber hat er etwas zweifelnd beobachtet. Das Konzept schien ihm nicht recht sinnig zu sein.

Er übt jetzt fleissig selbst und zeigt mir, wie man es richtig macht. In einem bin ich beruhigt: die Wahl des Werkzeugs war wohl gar nicht so schlecht. So ein Maulschlüssel ist eine nützliche Sache.

Sohn mit Maulschlüssel beim Reifenwechsel

Den Wagenheber braucht allerdings niemand. Viel einfacher ist es doch, das Auto schlicht auf die Seite zu legen. Da hätte ich auch selbst drauf kommen können. Verläuft die Arbeit wie geplant, setzt sich der Sohn nach jedem Reifen entspannt vor das Auto und betrachtet die Lage. Sieht alles gut aus, ruft er laut Bravo! und spendet frenetisch Applaus.

Sohn mit Maulschlüssel und Hammer Aber wehe es geht etwas schief. Dann heißt es nicht Bravo! sondern Manometa! Und der Sohn zückt sein heimlich bereit gelegtes Reservewerkzeug: einen Hammer. Mit diesem werden Reifen und Auto so lange malträtiert, bis sie sich freiwillig wieder aufrichten, um dem Meister zu zeigen, dass alles in bester Ordnung ist und der Wagen mitsamt Reifen hervorragend in der Spur liegen.

So oder so: der Sohn hat’s im Griff.

Bei dem nächsten Saisonwechsel lasse ich die Arbeit gleich den Sohn machen. Ich setze mich einfach daneben und gucke ihm zu. Sämtliche Hammer bringe ich vorher dezent in Sicherheit, aber frenetischen Applaus und ein lautes Bravo! bekomme ich ganz bestimmt überzeugend hin.

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moderner mann

Eindruck schinden. Oder: die neue deutsche Wirtschaftsordnung.

Der Sohn ist ein Mustersohn. Er macht Werbung für Söhne. Zum Beispiel wenn Besuch da ist. Das ist gerade erst wieder passiert. Zwei Herren waren zu Gast. Einer von ihnen war schwanger. Sozusagen. Kam vorbei, um mal wieder zu gucken wie das Leben mit Sohn so ist. Also hat sich der Nachwuchs kräftig ins Zeug gelegt und ein ordentliches Unterhaltungsprogramm aufgefahren. Der Besuch ist jeweils Autonarr. Da hatte der Vierradexperte des Hauses natürlich leichte Karten. Seine Autogeschichten sowie die Vorführungen von allem, was sein Spielzeugpark an Karosserien aufzubieten hat, haben schwer beeindruckt.

Fast noch mehr beeindruckt hat seine Fähigkeit, nach dem Abendmahl fix in das Bad zu stürmen, die Zähne zu putzen, sich eine neue Windel umzulegen, den Pyjama überzuwerfen, schnurstracks ins Bett zu rennen und nur noch einmal flüchtig dem Herrn Papa zuzuwinken, bevor er sich umdreht und tief und fest schläft.

»Er schläft jetzt durch?« – fragt der schwangere Besuch. Skeptisch der Blick. Faltenreich die zweifelnde Stirn. »Klar,« antworte ich, »wenn er nicht gerade Durst bekommt und kurz nach der Flasche greift.« Stolz schwingt mit. Auch der moderne Mann von heute braucht schließlich ab und an Bestätigung durch andere. »Na, das geht uns selbst ja auch nicht anders«, meint der Besuch und wir köpfen jeder noch eine Flasche Bier aus der Brauerei der nahe gelegenen Burg.

Irgendwann ist der Besuch weg. Werbung erfolgreich. Der Nachwuchs kann kommen. Denkt sich auch der Sohn, wird wach und meldet sich spontan zu Wort. Nein, Durst ist es nicht. Das ist ein anderes Wort, welches er da brüllt: »Auto!« Im Imperativ. »Auto?« – frage ich ihn. »Porsche!« – sagt er. Und zeigt auf das Plüschgefährt, welches ich leichtsinnigerweise in Bettnähe liegen gelassen habe.

Käfer Porsche

Ich werfe ihm den Wagen ins Bett. Der Sohn greift fest zu, murmelt noch zweimal sanft »Porsche« vor sich hin und schläft tief und fest bis zum Morgen weiter.

So ein Käfer ist neuerdings auch nur ein Porsche. Und so einfach sowie präzise lassen sich die aktuellen Ordnungsregeln von Teilen der deutschen Großindustrie auf den Punkt bringen. Ich werde blass vor Neid.

Der Sohn ist halt ein Mustersohn.

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dame des hauses sprachentwicklung

Sprachliche Effizienz

Schon in jungen Jahren ist es wichtig, mit den eigenen verfügbaren Ressourcen möglichst sparsam umzugehen. Der natürliche Verschleiß kommt sicher noch früh genug. Da muss man nicht auch noch extra nachhelfen. Das sieht der Sohn ganz genauso. Und beschränkt vorläufig sein aktives Vokabular auf exakt fünf Wörter.

Mama sagt er natürlich. Vor allem zu mir. Gelegentlich auch zur Dame des Hauses; nicht ganz so häufig zu wildfremden Leuten, immerhin meist Frauen. Der Zweck des Rufs nach Mama ist für gewöhnlich der gleiche: Befriedigung der Grundbedürfnisse, also Essen und Trinken. Das vom Boten gebrachte Essen greift er sich einfach. Nach dem Trinken fragt er vornehm mit Wort Nummer zwei: Ba. Das ist kompakt genug, um es auch im Zustand der totalen Trockenheit noch herausbringen zu können. Also mitten in der Nacht. Es ist gleichzeitig ausdrucksstark genug, um durch unterschiedlichste Intonationen das Bedürfnis des Sohnes nach unterschiedlichsten Getränken vermitteln zu können. Milch, Wasser, diverse Teesorten: Dank Ba alles kein Problem. Kommt sofort.

Das klappt leider nicht immer mit Wort Nummer drei: Auto. Dafür gibt’s ein eigenes Wort beim Sohn, um sowohl seinem feinsinnigen Gespür als auch seiner Leidenschaft Ausdruck verleihen zu können. Gespür deswegen, weil er Autos schon dann erahnt, wenn andere noch ihren Schlüssel suchen, bevor sie sich auf den Weg zur Garage machen. Leidenschaft deswegen, weil die Autos vom Sohn nicht nur erahnt, angekündigt und besichtigt werden, sondern weil er sie sich greift, anhält und inspiziert. Ab nach hinten in den Kindersitz? Lächerlich. Auf den Vordersitzen spielt die Musik. Da findet man den Sohn. Von dort steuert er das Warnblinklicht ebenso souverän wie die Soundanlage. Dort sieht man ihn auch die Stirn runzeln wegen seiner Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit von Designern, die Autos entwerfen, bei denen es nicht machbar zu sein scheint, vom Fahrersitz aus gleichzeitig einen Blick nach vorn aus dem Gefährt zu werfen, am Lenkrad zu drehen und die Fußpedale zu bedienen. Ganz klare Fehlkonstruktion. Gut, dass wir die Wagen zu Wort Nummer vier haben: Bagger. Kindersitze auf der Rückbank? Gibt’s gar nicht erst! Sicht nach vorn ist entweder kein Problem oder Dank Größe nicht wichtig. Und gesteuert wird mittels Handbedienungshebeln, die sich dem sicheren Griff des Nachwuchses nicht entziehen können. Eine Schlussfolgerung lieght nahe: Bagger sind einfach die besseren Autos.

Dazu sagt der Sohn nur eins, nämlich Wort Nummer fünf: Ja. Hocheffizient. Und der Sohn ist schon jetzt zu keiner Zeit um eine klar verständliche Antwort verlegen.