Die Kindheit, sie besteht aus Phasen. Man freut sich darüber besonders, wenn der Nachwuchs noch ganz jung ist. Weniger wegen der Phasen selbst. Mehr, weil man weiß, dass sie irgendwann auch wieder vorbei sind. Man denkt sich einfach: Lass die Kleinen doch schreien, das hört schon wieder auf. Und schon werden schlaflose Nächte viel erträglicher. Außerdem hilft das Aufsagen derartiger Mantras enorm, um sich selbst einfach nur wach zu halten, während man mit dem Kind auf dem Arm durch das Zimmer wippt.
Aber nur keine Angst. Die Phasen verschieben sich und finden irgendwann auch tagsüber statt. Da gibt es zum Beispiel die berühmte Baggerphase, schön tagsüber, und sie dauert auch nur ein paar Jahre. Dann gibt’s die Kiwis-sind-giftig-Phase, eine die-Schwester-ist-ein-Zerstörer-Phase, die dieses-T-Shirt-für-den-Rest-des-Lebens-Phase, die kein-Zähneputzen-unter-einer-halben-Tube-Zahnpasta-Verbrauch-Phase, die ich-lese-der-Schwester-die-Gutenachtgeschichte-vor-Phase und es gibt sogar eine musische Phase.
Diese ist übrigens ganz unheimlich. Denn wir wissen schließlich alle: Wenn die Musik einen erst einmal erobert, dann verschlingt sie einen mit Haut und Haaren. Und den Sohn hat es erwischt. Dieser junge Mann kann am frühen Morgen in einem Moment noch wohlklingend schnarchen und nur einen Augenblick später melodisch grummelnd ins Bad schlurfen. Er schafft es nicht nur, dort die Toilette zu erobern, sondern auch darauf sitzend eine Ode an die fröhliche Wurst zu ersinnen. Nach diesem Ohrwum wechselt er die Sitzgelegenheit und macht es sich auf seinem Waschtischhocker bequem. Munter vor sich hinsummend sortiert er dabei seine mitgebrachten Socken neu und überlegt, welches Paar er sich aus dem Sortiement zusammen stellt. Ich weiß auch nicht genau, wie er es macht, aber während er sich seine Socken anzieht, schafft er es, rhythmisch auf seinem kleinen Hocker zu trommeln. So treffend gar, dass man sich glatt beim Mitwippen erwischt, noch bevor man den Sohn daran erinnern kann, dass vor dem ersten Kaffee am Morgen gefälligst nicht so ein Krach gemacht wird. Er nimmt die Ermahnung zur Kenntnis, nickt zustimmend und optimiert seine Darbietung dadurch, dass er zum Trommeln noch die Zahnbürste hinzu nimmt. Was will man da machen? Außer, zuzusehen, dass man an Tempo etwas zulegt, damit wir aus dem Bad heraus und in die Küche zum Kaffee kommen. Irgendwie schafft der Sohn es dabei, schon vor einem dort zu sein, am Tisch zu sitzen und in seinem Müsli herumzustochern, während er mit der freien Hand auf dem Tisch trommelt und vor sich hinsummend neues Liedgut komponiert. Es ist beeindruckend, obwohl man manchmal heimlich still und leise in sich hineindenkt, dass es ein Segen sein kann, wenn die Kaffeemaschine den Nachwuchs wenigstens für einen kurzen Moment übertönt.
Und so geht es fortwährend weiter: Im Auto auf dem Weg zur Arbeit? Da trommelt, klatscht und singt er relativ textsicher zu dem Lied mit den Farben sowie der Quatschmusik. Da kann man sich schon mal das Radio klauen lassen – es fällt kaum auf. Auf dem Rückweg läuft es ähnlich. Und falls man sich erst zu Hause wieder über den Weg laufen sollte, gehört es zu den ersten Bitten des Sohnes, dass man doch all die Gegenstände erraten möchte, mit denen seine Gang in der Kita heute musikalische Experimente veranstaltet hat. Ich sage dazu nur soviel: FM Einheit würde blass vor Neid. Dass das sonstige neue Liedgut des Tages lautstark bei der Abendtoilette präsentiert wird, muss ich jetzt nicht extra erwähnen, oder?
Musik begleitet den Sohn durch den Tag. Man erkennt es ganz klar.
Noch während ich dem singenden Trommler seine Zähne nachputze, frage ich ihn somit dezent: Na, wirst Du später wohl mal Musiker?
Sohn: NEIN!
Ich: Ach, warum denn nicht?
Sohn: Ich werde doch LKW-Fahrer!
Na, da lag ich ja nur knapp daneben. Vielleicht frage ich einfach nächste Woche noch einmal nach. Bevor die Phase wieder vorbei ist.