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Erlaubnis

Wer glaubt, dass sich wahre strategische Fähigkeiten erst durch ein ausreichendes Maß an Erfahrungen in höheren Lebensjahren entwickeln, irrt natürlich gewaltig und sollte noch einmal genauer hinsehen. Das strategische Geschick wird sichtbar, sobald der Nachwuchs anfängt, sprechen zu lernen. All jene, die schon einmal versucht haben, als Erziehungsberechtigte mit der eigenen Zielgruppe zu argumentieren, kennen das sicher: Man erklärt in quasi vollkommener logischer Eleganz relativ einfache Sachverhalte. Oft geht’s dabei um Medienkonsum, weil die Jugend die im Haus vorhandenen Rechengeräte für sich entdeckt hat. Oder es geht um Nahrungsaufnahme zwischen den Mahlzeiten, welche eher selten mit der vom Familienvorstand empfohlenen Auswahl zu tun hat.

Man kennt das. Es ist sicher überall das Gleiche: Die Kinder äußern dubiose Wünsche. Die wohlmeindenden, weitsichtigen und logisch elegant erklärenden Eltern bringen sie wieder zur Vernunft.

Das funktioniert ganz hervorragend bis zu dem Moment, in dem die Kinder feststellen, dass die rhetorisch geschickten Antworten der Eltern keineswegs immer exklusiv einzigartige Wahrheiten sind, sondern dass sich Mama und Papa ganz einfach abstimmen und den unisono verkündeten Standpunkt vorher abgesprochen haben. Auf diese Erkenntnis folgt, was folgen muss: Die Kinder versuchen, die Eltern jeweils allein zu erwischen und dann mit Fragen und Wünschen zu bombardieren. Dabei ist es natürlich eh klar, dass der jeweils andere Elter alles schon längst erlaubt hat, was man selbst gerade nicht im Vorübergehen zulassen möchte.

Wie gesagt: Man kennt das. Und als moderne Eltern von heute stimmt man sich einfach trotzdem ab. Das geht. Meistens sogar so gut, dass die Kinder es noch nicht einmal bemerken. Über die Strategien dahinter möchte ich hier jetzt gar nicht viel verraten. Diese entwickeln sich ganz von selbst. Man kennt sich schließlich, man weiß, wie der Partner tickt, man hat die wesentlichen Grundpfeiler des häuslichen Regelwerks schon vor Langem festgezurrt. Da können die Kinder ruhig kommen und versuchen, einen auszutricksen. Sie haben keine Chance.

So saß auch neulich der Sohn am Tisch, bringt erst ein paar Gummibärchen in klare geometrische Formation und streckt dann die Hand aus, um aus dem Vorrat seiner kleinen Schwester weiteren Nachschub zu besorgen. So geht das natürlich nicht. Wir hatten schließlich vorher ausgemacht, wie das ganze Kleinvieh aufgeteilt wird. Da kann er jetzt nicht einfach so tun, als ob die Absprache nicht mehr gilt. Ich gucke also zu ihm herüber. Er weiß, was das heißt. Und sagt: Aber die Schwester hat es mir erlaubt! Sie nickt nur stumm.

Ich glaube, ich werde jetzt mal versuchen, die Kinder jeweils einzeln zu erwischen und strategisch geschickt ein paar Absprachen einzutüten.

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Rollenverteilung

Der moderne Mann von heute hat ein schweres Los. Auf der einen Seite darf er sich frei entfalten und endlich auch mal all jene Dinge machen, welche früher die Damen allein für sich beansprucht haben. Auf der anderen Seite soll er aber bitte weiterhin der starke Typ sein, der die männlichen Tugenden in Reinform und quasi in Gestalt einer elegant verfeinerten Reinkarnation von Conan, dem Barbaren repräsentiert. So sieht es dann aus: Die starken Männer halten den sinnlichen Damen den Rücken frei, dürfen aber zwischendurch immerhin nicht nur den Müll runter bringen, sondern auch mal Windeln wechseln oder Socken paarweise zusammenführen.

Theoretisch haben wir jetzt somit die perfekte Rollenverteilung gefunden, oder? Na, praktisch werfen wir doch mal einen Blick auf die Realität. In der sieht’s nämlich so aus, dass einem schon die Kinder zeigen, was der Stand der Dinge tatsächlich ist. Jeden Tag sagen sie es einem. Vielleicht unbewusst, aber doch deutlich. Zum Beispiel beim Schlafengehen.

Denn wer den Sohn ins Bett bringt und dabei weniger als 20 Küsschen von ihm bekommt, sollte ruhig mal ernsthaft in sich gehen und grübeln, was den ganzen Tag über so falsch gelaufen ist. Wer hingegen die Tochter ins Bett bringt und es schafft, ihr auch nur ein einziges Küsschen zu geben, ohne dass sie laut protestiert und losläuft, um nach Desinfektion für die geküsste Stelle zu suchen, sollte heilig gesprochen werden und sich umgehend um die Schaffung des Weltfriedens kümmern. Alles andere wäre Verschwendung.

Ich sag’s mal so: Die Frage mit dem sinnlicheren Geschlecht, die sollten wir noch mal ganz in Ruhe diskutieren, ja? Als moderner Mann von heute habe ich jedoch das vage Gefühl, dass wir mit der Anerkennung unserer wahren Stärken noch lange nicht am Ziel sind.

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Rechenschieber

Eine Familie zu haben heißt, einen geregelten Tagesablauf zu haben. Das geht früh am Morgen schon los. Nach der täglichen Rangelei im Bad sitzen wir relativ zügig am Frühstückstisch. Die Tochter trinkt Milch, der Sohn und ich: wir essen Müsli. Es ist wirklich jeden Tag das Gleiche. Da steckt so viel Routine drin, es könnte glatt langweilig werden.

Das sieht der Sohn wohl ähnlich so und zählt beim Essen erst einmal das Obst auf dem Tisch durch. Ein paar Äpfel liegen da vor ihm herum. Der Sohn stellt fest: Papa, das sind ja acht Äpfel!

Ich: Stimmt. Ist das etwas Gutes?

Sohn: Ja! Guck mal Papa: Ich werde doch bald fünf und die Schwester wird drei. Er zählt noch einmal und bestätigt sich selbst: Acht Äpfel! Passend schiebt er sich das Obst dabei zurecht:

5+3 Äpfel

Die Rechnung geht auf. Wir zählen gemeinsam noch ein paar Mal durch. Sicher ist sicher. Er ist bald fünf, die Schwester wird irgendwann drei. Passt alles.

Sohn: Aber jetzt bin ich noch vier, ja?

Ich: Korrekt.

Also schiebt er noch ein wenig herum:

4+4 Äpfel

Tja, jetzt stimmt’s für ihn. Aber für die Tochter nicht mehr. Also: gar nicht mehr. Das aktuelle Alter kommt nicht hin und nach dem nächsten Geburtstag wird’s immer noch nicht zu den Äpfeln passen. Der gesamte Nachwuchs guckt erst mal ganz betreten. Ich wechsle das Thema. Einer muss schließlich aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt. Ich trage hier Verantwortung. Die Routine am Morgen darf nicht gestört werden. Wir wollen schließlich friedlich zu Ende frühstücken, die Basis für den Tag legen, routiniert die Energie tanken, von der wir in den nächsten Stunden zehren werden. Da kann nicht einfach ein unglücklich liegender Apfel alles kaputt machen. Nicht so lange ich meine Füße zu denen der Kinder unter den Tisch stelle. Oder so.

Nachdem wir Jungs alles Müsli weggelöffelt und die Tochter ihren Milchtrog geleert hat, räumen wir ab. Wie jeden Morgen. Routine und so. Nur eines ist anders heute: Kurz bevor wir aus der Küche traben, dreht sich die Tochter noch einmal um, geht zum Tisch, stellt sich auf ihre Zehenspitzen und greift sich einen Apfel. Sie beißt einmal kurz rein und legt ihn dann auf den Tisch, jedoch nicht zu den anderen. Sie guckt den Sohn und mich kurz an, nickt anerkennend ob ihrer cleveren Idee und stiefelt davon. Der Sohn dreht sich um, guckt auf den Tisch und stellt fest: Jetzt stimmt’s wieder besser.

Und jetzt mal ehrlich: Wer von uns Oberchecker-Erwachsenen kann heute noch intuitiv mit einem Rechenschieber umgehen? Eben – die Jugend hat uns selbst bei der Technik von gestern schon routiniert etwas voraus.

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Getränke für den Tag

Die Vorzüge eines geregelten Tagesablaufs lernt der moderne Mann von heute spätestens dann kennen, wenn Kinder im Haus einziehen. Kinder sorgen für Routine. Sie brauchen sie selbst. Routine gibt ihnen einen verlässlichen Rahmen, sie hilft ihnen bei der Orientierung durch den Tag. Mit Routine ist alles leichter, da kann der Alltag seinen geregelten Gang gehen.

Selbst Eltern schaffen es jedoch nicht immer, die Zeichen des Augenblicks richtig zu deuten und in jedem Moment die korrekten, angemessenen Maßnahmen zu erkennen, die das Kind routiniert jedoch ohne Langeweile durch den Alltag bringt. In solchen Momenten helfen sich die bedürftigen Kinder idealerweise einfach selbst. So zum Beispiel die Tochter. Mit der Wahl ihrer Getränke. Man kennt das ja durchaus selbst: Der erste Kaffee des Tages ist regelmäßig ein klarer Wegweiser für die Sorgen am Morgen. Vor dem Kaffee sind sie übernatürlich, nach dem Kaffee nur noch Schall und Rauch. Das korrekte Getränk am Morgen vertreibt also Kummer und Sorgen. Das hat die Tochter auch schon erkannt. Das Kind lernt schnell. Und spult täglich das gleiche Programm ab: Aufwachen; Brüllen, bis Papa endlich anrückt und klar verständlich einen Muntermacher bestellen: Milch! Die Betonung liegt wie immer auf dem Ausrufezeichen. Wir kennen das ja schon. Da ich jetzt weiß, was sie will und da ich den Wert von Routine sehr schätze, tue ich, was ein Mann tun muss: ich gebe ihr Milch. Und was kurz vorher noch unmöglich schien, ist jetzt eine Selbstverständlichkeit: wir sind zwei dicke Freunde. Die Tochter und ich: ein quasi unzertrennliches Paar der Harmonie. Zumindest für zwei Minuten. Spätestens dann ist der Becher nämlich leer. Aber irgendwas ist ja immer. Die Hauptsache ist doch, dass der Grundstein für den Tag gelegt ist. Wichtig ist, dass wir wissen, wie ein Tag korrekt beginnt: mit einem Becher Milch. Haben wir den erst mal geschafft, ist der Rest des Tages ein reines Kinderspiel. All die kleinen Sorgen und Nöte, Fragen und Gefahren, Risiken und Hindernisse: lächerlich, das machen wir mit links. Genau genommen erledigt die Tochter alles selbst und trinkt nebenbei einfach Wasser. Was die Milch am Morgen, ist das Wasser am Tag. Klar und rein, elegant darf’s sein.

Bis zum Abend. Dann geht’s ins Bett. Und jetzt machen wir uns mal nichts vor: Welches Kind lässt sich schon mit Wasser abspeisen, wenn’s ins Bett gehen soll? Eben. Da haben die Eltern schließlich ganz offensichtlich auch ein Interesse dran, also sollen sie sich mal ruhig etwas einfallen lassen. Wasser, also wirklich, das geht da gar nicht. Zum Glück lässt die Tochter sich nicht lange bitten. Sie sagt ganz freiwillig klar an, womit man sie zufrieden stellen kann. Sie liegt im Bett, die Augen weit offen, gibt sie ihre Bestellung heraus: Tee! Ich finde das verwunderlich, ich weiß auch nicht, woher sie es hat. Aber es ist wirklich jeden Abend das Gleiche. Tee!, sagt die Tochter und gibt man ihr diesen, schläft sie danach auch gern recht ruhig ein. Routine hilft.

Aber keine Regel ohne Ausnahme, denkt sich die Tochter. Auf einmal sitzt sie im Bett, soll eigentlich schlafen, denkt aber gar nicht daran, lässt sich auch mit Tee nicht ruhig stellen. Auf einmal guckt sie einen an, grinst verschmitzt, legt den Kopf leicht schief und sagt: Kaffee! Ich überlege nur kurz, denke ans Schlafen, denke an Pläne für den Abend, denke an den Weltfrieden und gebe schließlich der Tochter, wonach sie halt fragt. Kaffee, also wirklich. Das kann ja nur eine Ausnahme sein. Den wird sie jetzt schon nicht jeden Tag haben wollen. Wollen wir mal nicht so sein. Kaffee soll sie haben. Und siehe da: kurz danach schläft das Kind seelenruhig und tief und fest.

Und da wir hier ja ganz unter uns sind, kann ich es Ihnen ruhig verraten: Von mir aus kann die Tochter das Wasser am Abend nennen, wie sie will. Ob sie jetzt Tee oder Kaffee dazu sagt: mir passt beides in den Kram. Hauptsache, sie schläft routiniert pünktlich ein. Wasser passt schon.

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Heiraten

Wir machen nicht nur Urlaub. Nein, wir feiern auch. Hochzeiten zum Beispiel. Gern die von guten Freunden. So auch kürzlich. Dabei hilft’s natürlich enorm, wenn alle Beteiligten wissen, worum es geht und worauf sie sich da einlassen. Das ist nicht immer ganz einfach. Denn selbst sind wir hier im Haus eine recht klassisch gestaltete Familie. Wir haben erst einmal geheiratet und danach gab’s dann irgendwann die Kinder. Manche mögen das langweilig finden. In Wirklichkeit ist es aber vollkommen in Ordnung so. Einen Nebeneffekt hat es jedoch: den Kindern ist das Konzept einer Hochzeit von Haus aus erst einmal fremd. Aber wofür gibt es lange Anfahrtswege? Richtig: für Aufklärungsaktionen. Denn irgendwann während der Autofahrt fragte der Sohn: Papa, was ist eigentlich eine Hochzeit?

Tja. Wo fängt man da mit dem Erklären an? Um Liebe geht’s auf jeden Fall. Aber da das noch nicht der richtige Moment für die Antwort mit den Bienen und den Blüten ist, fange ich erst einmal damit an, um wen es eigentlich geht. Das Paar ist beim Nachwuchs gut bekannt, beide sehr beliebt und obendrein auch schon länger zusammen als die Kinder sich zurück erinnern können. Das ist eine solide Basis. Das erkläre ich erst einmal. Dann geht’s weiter damit, dass wir auf ein Schloss fahren. Ein Schloss, das ist etwas aus den Zeiten alter Ritter. Ritter sind toll und großartig. Gleich nach den Piraten sind sie die größten Helden für den Sohn. Das findet er gut. Ab auf’s Schloss, vielleicht sehen wir dort ein paar Ritter. Der Ausflug wird großartig. Irgendwie bekomme ich jedoch das Gefühl, dass der eigentliche Anlass gerade in den Hintergrund gerät. Ich steuere gegen. Und bringe das Hochzeitspärchen wieder in Erinnerung. Die beiden heiraten schließlich. Aus Liebe. Das war doch schon klar. Aus meiner Sicht zumindest. Auf einmal fragt der Sohn jedoch genauer nach. Das Konzept der Liebe, das sei ihm jetzt nicht ganz geläufig. Es ist schlimm mit den Kindern. Erst hören sie nicht richtig zu und dann stellen sie komplizierte Nachfragen. Wirklich verrückt. Aber was soll’s? Ich erkläre auch noch das. Vor allem damit, dass sich beide wirklich sehr lieb haben. Liebe hängt zusammen mit sich lieb haben. Das klingt sogar recht ähnlich. Das sieht der Sohn ein. Das Konzept kennt er. Jetzt ist auch Schluss mit den Nachfragen. Hinten ist wieder Ruhe im Wagen. Gut, dass wir das geklärt haben. Die gute Tat des Tages ist damit auch erledigt. Jetzt kann der Sohn endlich in Ruhe einschlafen und sich für den Rest der Fahrt ein wenig ausruhen. Die Tochter macht es ihm passenderweise gut vor. Ihr Nickerchen dauert schon die gesamte Diskussion hindurch an. Diese Ruhe kommt natürlich auch für die Eltern gelegen. Dann kann der Eine ruhig fahren während der Andere entspannt die Landschaft betrachtet oder sonstige Späße treiben kann. Das sich ergebende entspannte Dahingleiten über weithin sogar überraschend leere Autobahnen kommt einer Zen-ähnlichen Ruhe gleich. Es ist ein Traum. Selbst bei einem Ereignis wie einer Hochzeit kann tatsächlich schon der Weg ein Teil des Zieles sein.

Wenn nicht plötzlich der Sohn von hinten ruft: Papa, ich hab’s! Ich habe Euch nämlich auch lieb. Die Mama habe ich ganz viel lieb und Dich habe ich ganz viel lieb und weißt Du, was wir jetzt machen? Wir heiraten! Alle zusammen: die Mama, der Papa und ich!

Die Tochter ist offenbar durch den plötzlichen Krach wach geworden und ergänzt: Ich auch!

Ich, ähh, gehe jetzt mal die Gesetzeslage klären. Das ist sicher einfacher als weitere Erklärungsversuche. Vor allem auf langen Autofahrten.