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Vom Einkaufen und sprachlichen Herausforderungen

Wenn man die Tochter fragt, herrscht hier im Haus eine klare Aufgabenteilung. Das ist gut so. Es ist von Vorteil, wenn jemand den Überblick behält. Ansonsten würde es nur drunter und drüber gehen. Nicht auszumalen. Es wäre das reinste Chaos. Aber wir haben ja die Tochter. Und fragt man sie, steht zum Beispiel fest: Geht es um das Einkaufen, ist Papa dran. Und sie unterstützt. Immer. Grundsätzlich. Zumindest, wenn man die Tochter fragt. Und selbst, wenn mal niemand fragt, findet sie Gelegenheiten, um auf diverse Sachen zu zeigen und zu sagen: Hat Papa gekauft! Und ich auch!

Statistisch lässt sich das Ganze wahrscheinlich gar nicht belegen. In Wirklichkeit ist es hier im Haus durchaus so, dass die meisten Tätigkeiten des Alltags mehr oder weniger wechselseitig von den zuständigen Erwachsenen erledigt werden. Da ist durchaus Rotation im Geschäft. Es soll ja nicht langweilig werden. Aber Einkaufen scheint für die Kinder etwas ganz Besonderes zu sein. Das kann man nicht einfach vergleichen mit Wäschewaschen, Müll herunter bringen oder Fußboden reinigen. Das muss man verstehen. Denn beim Einkaufen springt auch meist etwas für die Kinder mit heraus. So ist’s ja nicht. Sie äußern schließlich unentwegt Wünsche. Da kann es mit dem Einen oder Anderen durchaus mal klappen. Und egal, ob es dabei um den Nuss-Nugat-Brotaufstrich geht, um den extra leckeren Orangensaft oder das Sprudelwasser, um die Erdnussbutter oder verschiedenste Melonensorten: Das sind alles feine Sachen, die nur dann auf den Tisch kommen, wenn sie vorher jemand eingekauft hat. Dabei hilft es natürlich, wenn man gute Beziehungen zum Einkaufenden hat oder einfach selbst mit Hand anlegt und im Supermarkt die Sachen aus dem Regal mit Schmackes in den eigenen Korb wirft. Genau so macht’s die Tochter und ist entsprechend stolz auf ihre Leistungen.

Wenn somit beim Essen der Sohn erfreut feststellt, dass sein Lieblingsjoghurt endlich wieder vorrätig ist, stellt die Tochter schlicht ganz nüchtern fest: Hat Papa gekauft! Um direkt danach zu ergänzen: Ich auch einkauft! Im Wagen!

Da liegt sie nicht ganz falsch. Denn wenn wir nicht ihr Laufrad bemühen, nehmen wir auf dem Gang zum Laden um die Ecke gern ihren Kinderwagen mit. Das ist praktisch, nicht zuletzt, weil sie auch gleich einen Teil des Einkaufs elegant im Kofferraum des Gefährts verstauen kann. So langsam kommt die Tochter jedoch in ein Alter, in dem sie sich ruhig an korrekte Bezeichnungen gewöhnen kann. Wir sind hier schließlich nicht im sprachlichen Niemandsland. Also wirklich. Da kann man ruhig rechtzeitig anfangen, erst gar keinen Slang einziehen zu lassen. Wagen, also wirklich. Wehret den Anfängen! Die Dame des Hauses bittet unsere Tochter somit charmant: Sag doch mal: Kinderwagen.

Und die Tochter sagt: Kinder! Wagen!

Das ist nah dran. Das lassen wir durchgehen. Ein paar Ausrufezeichen extra braucht sie. So kennen wir sie. Diese seien ihr gegönnt. Hauptsache, sie gewöhnt sich langsam an zusammengesetzte Substantive. Die Welt ist schließlich komplex. Wenn sie diese sprachliche Herausforderung meistert, wird sie weit kommen im Leben. Davon kann auch ihr großer Bruder ein Lied singen. Er musste da schließlich auch schon durch. Aus purer Zuneigung seiner kleinen Schwester gegenüber hilft er ihr gern, wo er nur kann. Er lässt sie an seiner reichhaltigen Lebenserfahrung teilhaben. Sie soll es schließlich leichter haben als er. In dieser umfassenden Fürsorglichkeit guckt er seine Schwester in diesem Moment an, fängt leicht an zu grinsen, lehnt sich in seinem Stuhl zurück und meint zu ihr: Und jetzt sag mal: Filzmupfen.

Hach ja, Geschwisterliebe. Und wenn man den Sohn fragt, herrscht wohl auch in Erziehungsfragen eine glasklare Aufgabenteilung.

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Die Lieblingsbücher der Tochter

Eine Dame hat damit vorgelegt, die fünf Lieblingsbücher des Nachwuchses im Haus vorzustellen. Mitlerweile haben andere nachgezogen. Und wie das so ist mit den Massenphänomenen: Sie sind nicht immer totaler Unfug. Also haben wir hier: die fünf derzeitigen Lieblingsbücher der Tochter:

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Mit den Begründungen ist das schon schwerer. Ich habe sie gefragt und sie hat bei jedem Buch gesagt: Ist meins! Dank fragendem Blick ergänzte sie immerhin: Ist gut! Die Tochter macht halt nicht immer viele Worte um alles. Selbst, wenn es ihr wichtig ist. Als moderner Mann von heute bin ich aber selbstverständlich auch eine Art Frauenversteher. Ich übersetze also:

Mein allererstes Buch der Zahlen: Es ist ein vollkommen textfreies Buch. Und man kann jede Seite zweimal umblättern: nämlich einmal oben für die Zahlen und einmal unten für Bilder mit der jeweils entsprechenden Anzahl von Obst. Wie großartig ist das denn? Da gibt es keinen Streit darum, wer gerade mit dem Umblättern dran ist. Die Tochter sagt einfach: Du machen! und sie sagt: Ich auch! und sie widerspricht sich dabei noch nicht einmal. Ein schönes Buch.

Sommer-Wimmelbuch: Wo ist eigentlich der fliegende Pinguin? – Allein für die Chance, diese Frage legitim stellen zu können, muss man dieses Buch lieben. Die Tochter macht’s und findet Pinguin, Katze, Mopedfahrer und die Feuerwehr ebenso zuverlässig wie die heiligen drei Kloschüsselträger aus dem Abendland. Denn ja: auch diese gibt es hier im Buch. Ein Traum.

Wer versteckt sich auf dem Bauernhof?: Katzencontent! Muss ich mehr sagen?

Die ganz besonders nette Strassenbahn: Ein Buch von James Krüss. Das haben wir von der Klassenfahrt nach Helgoland mitgebracht. Ein Buch, direkt von der Quelle also. Wer jetzt aber glaubt, dass die Tochter sich gern die wirklich wundervollen Reime vorlesen lässt, irrt gewaltig. Das ist pure Erwachsenenromantik. Nein, die Tochter liest selbst, ganz klar. Mit etwas Glück darf man zwischendurch einmal umblättern. Aber bitte nur auf Nachfrage.

Aschenputtel: Das Kontrastprogramm. Bunt. Pink. Für Mädchen? Ach was, der Sohn mochte das auch.

Aber um ihn geht’s hier gar nicht. Der Sohn kommt morgen dran.

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Vom Nutzen kultureller Bildung

Die kulturelle Bildung der Kinder ist ein vielseitig verwendbares Gut. Auf den ersten Blick wirkt vieles aus dem Bereich des kindlichen Kulturgutes naiv, einfach und wenig anspruchsvoll. Aber dieser Schein trügt. Man macht sich gemeinhin keine Vorstellungen, in welchen Momenten ein oberflächlich gesehen einfach strukturiertes Konstrukt seine wahren Stärken elegant ausspielen kann.

Nehmen wir das kindgerechte Liedgut zum Beispiel. Das ist meist tatsächlich recht einfach gestaltet. Es soll schließlich einprägsam ein. Eingängig auch. Andere sagen, dieser unsägliche, quasi grenzdebile Singsang ist schlicht und ergreifend unbarmherzig. Denn er frisst sich rücksichtslos ins Hirn. Man hat wirklich keine Chance. Das ist kein Ohrwurm mehr, das ist eine ausgewachsene Riesenkrake, die einem durch den Kopf mäandert. Einmal reingehört, wird man es nicht wieder los. Das gilt übrigens auch für Kinderohren. Und es gilt vollkommen unabhängig davon, ob es die aktuellen Kita-Hits der Woche sind oder ob wir es mit Dauerläufern der Partykracherszene heranwachsender Kunstliebhaber zu tun haben. Einmal gehört, immer abrufbereit. Einer der aktuellen Favoriten der Tochter im Haus ist übrigens das Lied vom Sankt Martin.

Wie wir ausgerechnet jetzt, im Zeitalter des vorsichtig hervorbrechenden Frühlings zu diesem feinen Herbstklassiker kommen? Nun, da müsste ich wohl bei der kleinen Dame nachfragen. Ich nehme einmal ganz naiv an, dass es ihr im zarten Alter von zwei Jahren noch herzlich gleichgültig ist, welche jahreszeitlichen Konventionen wir Erwachsenen uns für die Stimmungsmacher der nächsten Generation ausdenken. Was ihr hingegen keineswegs gleichgültig ist, sind die Erinnerungen an die Performance, welche zu diesem Stück bei der letzten, damals noch passenden, Gelegenheit in der Kita geboten wurde. Die Aufführung zum heiligen Martin gehört ganz klar zu den Höhepunkten jedes Jahres. Das erkennen auch schon die ganz Kleinen. Dafür reichen auch zwei Jahre Lebenserfahrung. Sankt Martin reitet auf einem hohen Pferd. Sankt Martin reitet außerdem immer schön im Kreis. Davon sollen schließlich alle etwas haben. Also bewegt er sich in spielerischer Eleganz immer um das Lagerfeuer herum, bis auch wirklich das letzte Kind verstanden hat, wer er ist, was er da macht und dass es – vor allem – ganz großartig ist. Alle, die nicht gerade mit offenem Mund staunend dem Ritter hinterher schauen, singen während dessen das passende Lied vom Ritter, dem Armen, dem Mantel und dem Teilen.

In der Kita bedürfen Feste wie jene des heiligen Martins natürlich einer gründlichen Vorbereitung. Der Ablauf soll sich schließlich einprägen. Bei allen. Vor allem bei den Kindern. Also singen sie, reiten sie, laufen sie im Kreis. Wiederholt. Des Öfteren. Bis es wirklich sitzt. Bis man jedes der Kinder mitten in der Nacht wecken könnte, kurz die Melodie summen würde und zack – steht jemand auf, läuft im Kreis und singt begeistert mit.

Das ist durchaus hohe Kunst. So bedingungslos begeisterungsfähig sind wir in späteren Jahren meist nicht mehr. Es ist ein Verlust. Denn die Leidenschaft der Tochter ist so umfassend, dass wir auch heute, Monate nach dem eigentlichen Fest, noch direkt davon profitieren können. Die einstudierten Abläufe hat sie immer noch abrufbereit. Und auch, wenn wir sie nur sehr selten mitten in der Nacht wecken, so gibt es doch andere Gelegenheiten, das Erlernte anzuwenden. Zum Beispiel dann, wenn die Tochter am helllichten Tag aus einer spontanen Laune heraus beschließt, es nicht zu akzeptieren, wenn irgendjemand einen ihrer großzügig verteilten Befehle mal nicht direkt befolgt. Als kleiner Imperator im Haus lässt sie uns das nämlich keineswegs immer durchgehen. Wenn das Personal nicht spurt, ist die Prinzessin durchaus pikiert. Das äußert sich dann – vollkommen altersgerecht, versteht sich – zum Beispiel durch dramatisch inszenierte Protestattacken, bei welchen sie sich auf dem Boden liegend um die eigene Achse dreht und mit den Fäusten fleißig jene Krümel platt klopft, welche sie vorher beim Essen vom Tisch hat fallen lassen.

In den seltenen Fällen, dass wir Eltern uns das einmal nicht weiter ansehen wollen, gibt es einen ganz einfachen Ausweg: Wir stellen uns einfach um die Tochter herum auf und fangen an zu singen. Sankt Martin, Sankt Martin! – viel mehr braucht es nicht. Die Tochter ist schließlich nicht dumm. Sie erkennt schnell. Also steht sie auf, läuft mit im Kreis, strahlt bis über beide Ohren und singt aus voller Kehle mit: Sankt Martin! Sankt Martin!

Wer hätte gedacht, dass Kinderdressur, ähh, -erziehung so einfach sein kann?

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Großwetterlage

Die Zeiten sind grau. Selbst hier im Herzen der sonnigen Südstaaten sehen wir seit Äonen nichts als kontrastarmen Matsch am Himmel. Ich finde das großartig. Endlich darf man auch außerhalb des Novembers offen, ehrlich und ohne Scham ganztägig schlecht gelaunt und maßlos übermüdet sein. Ich meine, jetzt mal ganz ehrlich: Dieses ständige Dauergrinsen von selbstzufriedenen Allwettereltern ist doch nicht zu ertragen! Schlimm ist das. Solche Leute sind vollkommen unglaubwürdig, man möchte ihnen für diese öffentlich zur Schau gestellte Scheinheiligkeit wirklich mal eine, ähh, Meinung sagen. Oder so.

Die wirklich Integren unter uns stehen zu ihrem Gemüt. Sie erkennen die Situation einfach an. Gegen diese ist man eh machtlos. Wenn alles grau ist, muss man auch selbst nicht leuchten. Das würde nur blenden. Damit ist doch niemandem geholfen.

Es passt somit alles: Winter, Stimmung, Großwetterlage. Wenn nur der ordinäre Alltag nicht wäre. In dem kann es einem nämlich passieren, dass im trauten Zusammensein der Familie die Dame des Hauses auf einmal mitten am Tag süffisant feststellt: Guckt mal, Papa schläft gleich.

Der Sohn guckt nur kurz, grinst zweideutig, widmet sich dann aber gleich wieder anderen, wichtigeren Tätigkeiten. Wahrscheinlich sortiert er seine Legos neu. Die Tochter hingegen reagiert energisch und im ihr ganz eigenen Imperativ: Nein! Papa, nicht schlafen!

Sie ist ein gutes Kind, macht sich Sorgen und möchte noch gepflegt Zeit mit mir verbringen. So soll es sein. Es ist ein Traum. Und sie fährt in ihrem munteren Befehlston fort: Papa, erst Zähneputzen!

Ich leg‘ mich dann mal hin. Alles andere hat offenbar eh wenig Sinn.

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Elterliches Unverständnis

Es ist früh am Morgen. Wir sind unterwegs. Im Auto, aber das ist ja eh klar. Ich sitze vorn, döse ein wenig herum und halte mich entspannt am Lenkrad fest. Die Kinder sitzen hinten und beschäftigen sich offenbar selbst ganz gut. Jeweils einzeln, es wirkt richtig harmonisch.

Der Sohn ist einfach nur ruhig, wahrscheinlich noch nicht wirklich fit für den Tag. Er nimmt sich da gern etwas mehr Anlauf, bevor nachher in der Kita die Post abgeht. Die Tochter sitzt neben ihm, guckt aus dem Fenster und bewundert die schöne Landschaft draußen. Sie sieht schon Blumen sprießen wo andere nur graue Ödnis erkennen. Sie singt mit den Vögeln, die offenbar nur für sie bereits den Frühling ankündigen. Zwischendurch erzählt sie wortreich von ihren Träumen der letzten Nacht. Fantasievoll sind nicht nur diese Träume, wundervoll und geistreich sind vielmehr auch ihre beschreibenden Worte. Es ist quasi ein Traum, ihr zuzuhören. Wie passend. Man muss richtig aufpassen beim Fahren, damit einem die Realität auf der Straße nicht vollkommen gleichgültig wird.

Plötzlich wird der Sohn wach und meldet sich bei seiner Schwester in einem resolut deutlichen Ton: Jetzt sei doch endlich mal ruhig, bitte! Ich möchte den Motor hören!

Ich frage sicherheitshalber nach: Den Motor?

Der Sohn antwortet: Ja, so ein Automotor ist für mich ganz tolle Musik.

Aber er liest ja auch freiwillig das ADAC-Magazin. Ich sag’s jetzt mal unter uns: ich verstehe sie nicht, diese Autonarren.