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Vom Generationenwechsel bei der Küsschenwache

Wir waren zum Jahreswechsel an der Ostsee. Es ist ein ruhiger Ort zur Kontemplation und Besinnung; somit hervorragend geeignet, um das alte Jahr Revue passieren zu lassen und das neue Jahr angemessen gedenkvoll einzuleiten.

Gleichzeitig ist es ein Ort, um Traditionen zu pflegen. So werfen wir einen Blick über die Mole, betrachten die vorbeiziehenden Boote und erzählen uns alte Geschichten. Es sind die gleichen Geschichten, wie jedes Mal, wenn wir dort sind. Es hat sich eine Routine entwickelt. Es sind Muster, auf die Verlass ist. Wie gesagt: Wir pflegen Traditionen.

Nur eines klappt nicht mehr mit der gewohnten Umbeschwertheit: die wilde Knutscherei beim Vorbeiziehen der Küsschenwache. Der Sohn des Hauses geht jetzt schließlich in die Schule, er kann jetzt Lesen, er lässt sich da nichts mehr vormachen. Fehler beim Buchstabieren der Bootsbeschriftungen korrigiert er eiskalt. Oder zumindest je nach Laune. Denn er hat durchaus Spaß an dem Spiel, so ist’s ja nicht. So weiß man beim Vorbeiziehen der Boote meistens nicht: kommt der Sohn und wird geknutscht oder kommt der Sohn, um eine Lektion in korrekter Lesart von Bootsbeschriftungen zu erteilen?

Wir beobachten jedoch auch: Lehnt der Sohn etwas ab, wird’s auf einmal für seine Schwester interessant. Bisher eine konsequente Verweigerin des Küssens auf Kommando, erkennt sie plötzlich den Charme dieser Momente. Wenn der Sohn das Spiel für einen Moment mal total uninteressant finden sollte – und nur dann – ist es spontan die Lieblingsbeschäftigung der Tochter, laut Küsschenwache! zu brüllen, eilig die Eltern zu suchen und jeden mit zarten Küsschen zu überhäufen.

Ich beschwere mich nicht. Und falls sich jemand fragt, warum manche Familien nicht nur eines, sondern gleich mehrere Kinder haben, dem sei hiermit verraten: es dient dem Bewahren von Traditionen. Ganz einfach.

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Was von 2014 bleibt

Da geht doch glatt ein Jahr zur Neige. Meine Güte, wie die Zeit vergeht. Aber immerhin ist auch etwas passiert. Es zieht also nicht spurlos davon, dieses Jahr. So wird der Sohn zum Beispiel nicht müde, bei allen möglichen Gelegenheiten anzumerken, dass wir ja immer noch Weltmeister sind. Das scheint ihn wirklich arg geprägt zu haben, dieses Fußballereignis. Es bleibt mir ein wenig schleierhaft. Aber insgeheim bin ich einfach froh, dass es den Spaß nur alle vier Jahre gibt. Wäre die Frequenz höher, würde meine komplette Ahnungslosigkeit zum Thema wohl irgendwann auffallen und nicht einfach als Coolness durchgehen.

Viel faszinierender als das reine Ballgeschiebe sind natürlich die diversen Begleiterscheinungen. So sind wir zwar Weltmeister, aber deswegen noch lange nicht die Tollsten. Auch das verrät einem der Sohn bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Die Brasilianer zum Beispiel, sie waren schon fünfmal Weltmeister. Wir nur viermal. Tja, der junge Mann hier kam dieses Jahr auch in die Schule. Seitdem rechnet er auf faszinierend vielfältige Art und Weise vor, wie viel toller Fünfmal im Vergleich zu Viermal ist.

Trotzdem bringt so ein Weltmeistertitel durchaus seine Vorteile. So ist’s ja nun auch wieder nicht. Man kann ruhig selbst ein wenig feiern, auch wenn andere noch viel toller sind. Das geht sogar ganz problemlos. Auf diese Weise ist zum Beispiel unsere Flagge durchaus wieder salonfähig geworden. Es ist jetzt nicht so, dass wir jemals erwägen würden, diese an irgendwelche Gefährte zu hängen. Es ist auch nicht so, dass wir Winkelemente schwingend durch die Straßen ziehen. Aber es kann durchaus vorkommen, dass sich die Kinder ihre Frühstücksbrötchen als Flaggen dekorieren. Und hierbei steht die einheimische recht hoch im Kurs. Die klassische Gestaltungsform sieht dabei ein möglichst gleichwertiges und sortenreines Auftragen von Nutella, Erdbeerkonfitüre sowie Honig auf dem Brötchen vor. Aber mal ganz ehrlich: Wer isst schon immer nur dasselbe? Eben. Das sehen auch die Kinder so. Und während die Tochter im Zweifel einfach vollends auf die Schokocreme umschwenkt, bleibt der Sohn seiner Flagge treu, wandelt sie jedoch nach persönlichem Gutdünken ab. Das Glas mit der Schokolade könne sie ruhig behalten, bietet er seiner Schwester an. Auf meinen erstaunten Blick ob seiner neugewonnenen Großzügigkeit antwortet er mit dem lapidaren Hinweis, dass Erdnussbutter das neue Schwarz sei. So hat er das jetzt beschlossen. Die mag er eh lieber. Und ich doch auch. Erdnussbutter, verrät er mir mit einem Augenzwinkern, ist die Schokolade für Männer.

Abgesehen davon, dass Erdbeerkonfitüre und Honig auch weiterhin zu seinen Lieblingen zählen, muss ich dem Nachwuchs zugestehen, dass er schneller einen entspannten Umgang mit Nationaldevotionalien entworfen hat, als andere von uns ihren ersten Kaffee des Tages hinter die Binde kippen.

Wenn sich das Jahr mal nicht gelohnt hat. Auf ein ebenso feines Neues!

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Es gibt zu wenig Tiere in den Museen

Vor noch gar nicht langer Zeit waren wir im Urlaub. Und bei aller feinen Abhängerei am Strand läuft so etwas nicht vollkommen kulturlos ab. Wir waren schließlich in Dänemark. Das Mindeste, was man dort machen kann, ist, sich ein paar Designwerke anzuschauen. Also sind wir in Museen, Ausstellungen und ganz ordinäre Möbelläden gegangen. Wobei das ordinär nach dänischen Verhältnissen ein ganz anderes ist als man das landläufig so meinen könnte; aber ich möchte das hier gar nicht im Detail vertiefen.

Auf jeden Fall kamen wir zwischendurch in irgendsoeine Ausstellung mit modernem Schnickschnack. Um es nicht zu sehr zu verkomplizieren, verkauften wir es den Kindern schlicht als Museum. Das passte auch. Es gab kein Murren. Der Sohn fand alles toll und hat es angemessen kommentiert. Die Tochter fragte nur: “Und wo sind die Tiere?”

Wir sind dann weiter und tatsächlich noch ins Dänische Designmuseum gekommen. Auch dort war alles recht fein. Stühle gab es viele zu sehen. Auch andere Alltagsgebrauchsgegenstände in eleganter Form. Der Sohn hielt gelegentlich inne, sinnierte, erklärte den Zweck. Die Tochter fragte: “Wo sind hier die Tiere?”

Wie gesagt, haben wir den Schwierigkeitsgrad dann etwas nach unten geschraubt und sind in einige ganz gewöhnliche Möbelläden gegangen. Zum Teil waren dort jedoch genau die gleichen Stuhlklassiker zu sehen, wie im Museum vorher auch. Der Sohn war fasziniert, kam aus dem Staunen nicht heraus und konnte endlich alles einmal probesitzen. Die Tochter fragte nur: “Wo sind hier die Tiere?”

In Dänemarks Kunstbibliothek waren wir trotzdem noch. An Details kann ich mich jedoch gar nicht mehr recht erinnern. Beschwerden gab es aber keine. Nur die Tochter fragte: “Wo sind hier die Tiere?”

Ich weiß gar nicht, wieviel Ausflüge sie mit ihrer Kita schon ins örtliche Naturkundemuseum gemacht hat. Aber sie waren wohl einprägsam.

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Routine ist alles

Ordnung muss sein. Es hilft ja alles nichts. Leugnen ist da zwecklos. Ich zähle mich in dieser Hinsicht ganz zum biederen Durchschnittsvolk, welches zwar gern vom progressiven Draufgängertum träumt, aber doch tief im Herzen eine gewisse Berechenbarkeit der Welt nicht immer vollkommen ablehnt. Ein paar Konstanten darf es durchaus geben. An denen hangeln wir uns durch. Die Aufregung gibt es dann irgendwo dazwischen.

Das prägt natürlich auch die Kinder. Routine bestimmt ihren Alltag. Das ist etwas Gutes. So wissen sie, was wirklich wichtig ist. Das Unumstößliche steht einfach fest. Daran wird nicht gerüttelt. Sie wissen zum Beispiel genau: Ohne Frühstück geht es morgens nicht aus dem Haus. Die anderen Mahlzeiten stehen ebenfalls fest. Auch ins Bett geht es nicht nur jeden Tag sondern auch zur immer gleichen Zeit. Darauf ist Verlass. Darauf können sie bauen. Diesen routinierten Alltag gibt’s hier übrigens nicht nur unter der Woche. Der findet auch am Wochenende statt. Dann dürfen sie jedoch ganz wild und lange schlafen. So sind wir hier gar nicht. Wie gesagt: Die Aufregung findet irgendwo inmitten der Routine statt. Hier bietet sich eine gute Gelegenheit.

Und die Kinder wissen sie zu nutzen. Am Wochenende ist zum Beispiel die Zeit, sich morgens endlich mal in Ruhe ausspielen zu können, ohne dass die Eltern mit dem Gang zum Bäcker oder gar dem schon gedeckten Frühstückstisch dazwischen kommen. Es ist vor allem der Sohn, der diese Zeiten zu schätzen weiß. Ich bin mir nicht sicher, ob er sogar extra früher aufsteht. Aber wenn ich mir angucke, was er zu Zeiten, in denen der Rest des Clans hier noch schläft schon alles gelesen, gemalt, gebastelt, gebaut und aufgetürmt hat, dann scheint es zumindest so.

Anders die Tochter. Entweder nutzt sie die Zeit, um wirklich mal in Ruhe auszuschlafen oder sie wird wach wie immer, stapft an der geschlossenen Tür des Bruders vorbei, reißt die vom Schlafzimmer mit Schmackes auf und ruft: “Papa, kannst Du bitte mal aufstehen und ins Bad zum Zähneputzen kommen?”

Ich dachte mir schon, dass sich diese ganze Erzieherei irgendwann rächt. Ich habe nur nicht geahnt, dass es noch vor dem ersten Kaffee passiert. Routiniert ist anders.

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Von Zöpfen und dem Lebensende

Einer der glasklaren Vorteile am Leben mit zwei Kindern ist es, dass sie sich damit abwechseln können, das notwendige Unterhaltungsprogramm für die Auflockerung des Alltags zu liefern. Wenn also beispielsweise der Sohn mit seinem gewohnten Entspannungspegel am Morgen sich heimlich in seinem Zimmer verbarrikadiert, um dort in Ruhe Bücher zu lesen oder phänomenale Legogebilde zu schaffen, dann ist wenigstens die Tochter so gnädig, einen aus dem Bett zu holen, um in trauter Zweisamkeit das alltägliche Badritual abzuspulen.

Das ist sehr schön. Ich weiß das zu schätzen. Endlich können wir uns mal in Ruhe zu zweit unterhalten. Ganz ohne, dass sich jemand einmischt, laufend ablenkt oder fragt, was wir hier eigentlich herumtrödeln. Hier und jetzt gibt es nur die Tochter und mich. Wir haben alle Zeit der Welt. Lass die anderen doch schlafen, Bücher lesen oder Gebilde erschaffen. Uns tangiert das nicht. Wir putzen hier schließlich die Zähne. Wir planen den Tag. Wir werten den letzten Klatsch und Tratsch aus der Kita aus. Wir sind quasi Yin und Yang. Wir sind so dermaßen tiefenentspannt, dass die Tochter mich sogar darum bittet, ihr die Haare zu bürsten und einen Zopf zu schnüren. Das gibt’s nicht oft. Das ist gemeinhin nicht ihr Ding. Sie mag es nicht gern eingeschränkt. Auch ihre Haare sollen sich entfalten dürfen. Das ist wahrscheinlich der neue Liberalismus, von dem man gelegentlich hört. Die Tochter hat ihn schon voll drauf.

Wenn aber die kleine Dame spontan von ihrer Routine abweichen möchte, unterstütze ich das gern. Beschwingt nehme ich die Bürste und lasse sie sanft durch ihre Haare gleiten. Sie lässt es sich nicht nur gefallen, sie hält sogar vollkommen still. Es scheint fast, als genieße das Kind unsere Zweisamkeit. Es fehlt nicht viel und sie fängt an zu schnurren. Ich kann das verstehen. Als moderner Mann von heute ist man auch zu sanften Tätigkeiten berufen. Das Kämmen von Haaren wird dabei zum Ausdruck der vollkommenen Eleganz. Natürlicher wird’s nicht. Das ist Zen.

Bis sich ein kleiner Knoten in den Haaren der Tochter in den Weg stellt. Zwei kleine Strähnen haben sich über Nacht wohl verheddert. Das kann ja mal passieren. Das kommt auf den besten Köpfen vor.

Entsetzt guckt die Tochter mich an. Damit hat sie offenbar nicht gerechnet. Fast schon schmerzverzerrt presst sie hervor: “Papa, müssen wir alle sterben?”

Ich habe den Zopf dann doch noch fertig bekommen. Und einen halben Tag später sind hier im Haus auch alle wohlauf. Aber es war wohl knapp.