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Post im Haus

Kommt der moderne Mann von heute nach Hause, fängt er an, so richtig aufzublühen. Tagsüber hat er die Welt gerettet, ganz klar. Aber jetzt am Abend, da dreht er so richtig auf. Jetzt möchte er zeigen, was er kann. Jetzt lässt er seiner Energie freien Lauf.

Nur gut, wenn es in diesem Moment ein geeignetes Ventil für ihn gibt. Es ist wichtig, dass diesen Mann jetzt etwas erwartet, womit er sich beschäftigen kann. Man stelle sich vor, was sonst alles passieren könnte. Das spontane Ein-, Aus- und Umräumen der Spülmaschine sowie kreative Zusammenlegen der Wäsche, welche eigentlich erst noch hätte gebügelt werden sollen: Das wären sicherlich die kleineren Dramen, die sich entfalten könnten. Man möchte sich andere lieber nicht ausmalen.

So war die Lage hier im Haus genau heute zum Beispiel kurz vor angespannt. Denn man stelle sich vor: Die Kinder sind nicht da. Das ist ein Schock. Man kommt munter und erwartungsfroh zur Tür herein und prompt ist die frisch gerettete Welt quasi gleich wieder im Eimer. Und das nur, weil sich der Nachwuchs bei einem Kumpel zum Spielen eingeladen hat.

Immerhin liegt ein Brief auf meinem Schreibtisch. Ein Brief vom Sohn.

Die Überraschung ist gelungen. Das hatten wir noch nie. Ich glaube, es ist sein erster. Von Geburtstagsglückwunschkarten einmal abgesehen, hat er das bisher noch nicht gemacht. Legokataloge abschreiben? Kein Problem. Rezepte aus Kochbüchern übertragen und neu zusammenstellen? Es ist quasi ein Hobby von ihm. Irgendwelche Textübungen aus der Schule kreativ umgestalten? Passiert bei ihm regelmäßig.

Einen richtigen Brief, den gab es bisher jedoch noch nicht. Aber heute habe ich einen auf dem Tisch. Und er eröffnet gleich stilsicher, wie es sich gehört:

lieber papa

So muss das sein. Man fällt nicht einfach mit der Tür ins Haus. Set the stage, wie es so schön heißt. Gut, dass er die Grundlagen bereits beherrscht. Das ist mir viel wert. Es erfüllt mich mit Stolz.

Es folgt eine Passage der puren Leidenschaft. Man sieht ihr an, dass der Sohn mit eigentlich zittriger Hand versucht hat, die Contenance zu wahren. Das hier ist nicht einfach nur ein Brief für ihn. Es treibt ihn auch etwas um. Natürlich schreibt er den Brief als solchen gern. Er hat sogar seinen Füller herausgesucht. Füller sind super. Füller mag ich auch. Das weiß er. Das sieht er quasi jeden Tag. Das macht den Brief noch besser als er eh schon ist. Es gibt ihm das gewisse Extra. Dieses Extra ist wichtig. Soweit scheint das selbst dem Sohn schon klar. Er lernt schnell. Ich staune immer wieder.

Aber wie gesagt: Den Sohn treibt etwas um. Diesem Brief wohnt eine Botschaft inne. Ich möchte doch bitte die Batterien in seinem ferngesteuerten Auto austauschen. Darum geht’s.

Das verstehe ich. An dieser Stelle hat er auch ein Ausrufezeichen im Brief gesetzt. Wir haben die Sache mit den Ausrufezeichen kürzlich erst bei einer abendlichen Vorleserunde geklärt. Diese Zeichen haben einen Sinn. Sie stehen da nicht umsonst. Sie unterstreichen die vorhergehenden Worte. An der Stelle ist etwas wichtig. Batterien zum Beispiel. Voll geladene am besten.

Nachdem das heraus ist, wird das Schriftbild auch wieder ruhiger. Es scheint fast, als sind die folgenden Worte in einem Moment der inneren Ruhe schlicht aus ihm heraus geflossen, als mäanderten sie in ihrer vollkommenen Form schon eine Weile durch seinen Kopf und er musste sie nur noch heraus und auf das Papier lassen. Er schließt seinen Brief ganz formvollendet:

vielen dank. liebe grüsse dein sohn

Es ist faszinierend. Ich frage mich zwar, welche Post von mir er da studiert hat, um sich inspierieren zu lassen. Aber was es auch sei, er hat mich überzeugt. Der Akku für sein Gefährt ist jetzt natürlich wieder aufgeladen. Ich habe auch eine Proberunde gedreht. Es schnurrt nur so, ganz wie ich beim Lesen meiner Post. Hier im Haus profitiert nämlich jeder von jedem. Egal, zu welcher Tageszeit.

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Zeitansage

Es war einmal, vor langer, langer Zeit, da hat mir jemand das Radiohören verdorben. Nein, es war niemand mit einem ganz furchtbaren Musikgeschmack. Das könnte man zwar ganz legitim annehmen, denn das meiste Gedudel, mit welchem man konfrontiert wird, falls man doch einmal ganz aus Versehen ein Radioempfangsgerät aktiviert, ist wirklich sehr unerträglich. Aber das war vor dieser langen Zeit gar nicht das große Problem. Das Drama lag vielmehr in einer ganz simplen Zeitansage. Denn so ein Sprecher-Experte im Radio hat tatsächlich gesagt:

»Es ist jetzt drei Minuten vor zehn nach halb.«

Ich habe ausgeschaltet, bevor es sieben Minuten bis viertel vor werden konnte. Und wenn ich jetzt im Nachhinein darüber nachdenke, wie lange allein der obige Satz hängen geblieben ist, möchte ich lieber nicht erahnen, welche Folgeschäden es verursacht hätte, wenn ich nicht weggehört, sondern dieses gar unsägliche Geschwafel weiter auf meine Ohren einwirken lassen hätte. Sehr wahrscheinlich würde ich dann eher nicht in dieses Internet schreiben, sondern wohl vielmehr mit einem weißen Hemd und hinter dem Rücken verknoteten Armen in einer klinischen Umgebung irgendwo in der Ecke sitzen und leise wirres Zeug vor mich hin brabbeln. Das wäre sicher auch schön. Aber das mit dem Internet und dem Reinschreiben ist mir dann doch lieber.

Außerdem geht’s hier im Blog rein thematisch um die Kinder. Oft zumindest. Was könnte es schöneres geben? Eben.

Also höre ich ihnen zu. Das passt schon. Und es ist auf jeden Fall unterhaltsam, ganz egal, ob sie von dem Unfug erzählen, den sie in der Kita oder in der Schule treiben, von vergangenen sowie geplanten Mahlzeiten, von ihren Plänen für das Wochenende, die gemeinhin aus wir spielen die ganze Zeit durch und machen ansonsten vor allem gar nichts bestehen oder ob sie die dabei entstehenden Spielvariationen schildern, die sich dem Außenstehenden ohne Erklärung tatsächlich nicht erschließen. Es ist alles ein Quell der Freude, ein Fundus der Inspiration. Ich höre ihnen gern zu. Gelegentlich stelle ich sogar mal kleinere Nachfragen. Neulich zum Beispiel. Es war ein Tag, an dem der Sohn schon am frühen Nachmittag leicht müde wirkte. Der Tag war wohl schon lang. Wann er wohl aufgestanden sei, habe ich ihn gefragt.

»Um zwei Minuten vor viertel Sieben.«

Dem Sohn lasse ich das mal durchgehen. Mit dem Radiohören fange ich allerdings trotzdem nicht wieder an.

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Probehören

Sitzreihe Wenn man zu einem Konzert geht und bei diesem Sitzplätze geboten werden, hat man sicherlich den Klingklang einer eher gesetzten Musikervereinigung vor sich. Nun, das mag so sein. Ich kann Calexico jedoch sehr empfehlen. Dabei ist es übrigens fast egal, welche Körperhaltung man einnimmt. Denn Stehplätze gibt es auf ihren Konzerten für gewöhnlich sehr wohl. Und die gezeigte Sitzreihe blieb während des gestrigen Auftritts beim Zeltival auch leer. Da sage nochmal jemand was. So träge ist das Publikum hier in den Südstaaten nämlich nicht.

Und das ist auch gut so.

Denn man kann bei so einem Konzert nicht nur feine Musik erleben, man kann auch richtig was lernen. Etwas über die korrekte Wahl der Instrumente, zum Beispiel. Selbst, wenn man selbst gar keines spielen möchte, wird die Frage spätestens für all jene interessant, deren Kinder gerade mit der Schule anfangen. Da sind Instrumente schwer angesagt. Wir haben hier so ein Schulkindexemplar im Haus. Und ich verrate mal soviel: Einfach ist die Instrumentenwahl auf jeden Fall nicht. Interessant ist alles, glasklar. Aber manches dann doch nicht so recht intuitiv, klingt auch erstmal schräg, frustriert gar. Da ist guter Rat gefragt. Da kann man sich ruhig mal umgucken. Einfach mal erleben, was gut klingt, sehen, was Spaß macht. Darum geht’s doch beim Musikmachen, oder? Nun, bei dieser Band hier offenbar schon. Spielen können sie, live ganz besonders. Das gefällt. Und mit sieben Mann auf der Bühne gibt es auch anständig was zu gucken. Die meiste Zeit spielen sie nämlich verschiedene Instrumente, zum Teil sogar mehrere davon. Das Spektrum ist entsprechend breit und ich stelle fest: Es hat alles überzeugt.

Schrammelige Gitarren aller Art? Passt jeweils. Gern auch mal als Solo-Battle zwischendurch. In Maßen ist das durchaus erträglich. Bass? Geht eh immer. Es gibt ja kaum coolere Instrumente als so einen Bass. Und dabei ist es fast schon egal, ob es ein großer akustischer oder ein handlicherer elektrischer Bass ist. Bass cool, Bassspieler noch cooler. Super Bass. Und die Drums? Sind natürlich ebenfalls ganz fein. Schlagzeug, Percussion, Klangschalen, Rasseln, Vibrafon: alles feine Sahne. Ergänzt übrigens auch den Bass ganz hervorragend. Das kann somit gar nicht verkehrt sein. Nur die Frage mit dem Übungsraum ist schwierig, falls wir das hier auch dem Sohn durchgehen lassen würden. Aber irgendwas ist bekanntermaßen immer. Wie auch mit der Trompete. Wobei das natürlich ein feines Instrument ist. Bei Calexico gleich in zweifacher Ausführung zu haben. Und ich muss sagen: Das macht es fast doppelt so schön. So eine Trompete schafft’s ja ganz hervorragend, sowohl im Hintergrund zu überzeugen, als auch durch charakterstarke Soli zu glänzen. Keyboards können das meist weniger. Das klassische Keyboardsolo hat’s ja nie so richtig zum Durchbruch geschafft. Macht aber nichts. Es ist trotzdem ein ganz feines Instrument. Keyboard ist also total super. Und kommt nicht nur mit den flexibelsten Klangvariationen daher, sondern wir sind hier sogar so großzügig und werfen das Theremin auch noch mit in die gleiche Schublade. Ignorant können wir hier, wir Eltern. Der Sohn muss es ausbaden und hat weiterhin die Qual der Wahl. Warten wir es ab. Für eventuelle Bühnenpläne seinerseits gibt’s jeweils wenig Gründe für oder wider der einen oder anderen Wahl. Live, beim Konzert, konnten hier zumindest alle überzeugen. Besser geht’s doch kaum.

Calexico live

Und wenn am Ende des Tages wirklich gar nichts passen sollte, bleibt ja immer noch der Gesang. Auch die Rolle möchte meist besetzt werden. Und zumindest den Jungs von Calexico nimmt man es kurioserweise gar nicht übel, wenn das auch mal nach Adan Romero klingt. Und was soll ich sagen? Wenn man erstmal soweit ist, wird die Wahl der begleitenden Instrumente quasi nebensächlich.

Über die Instrumentenwahl des Nachwuchses mache ich mir also wenig Sorgen. Scheint alles zu passen.

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Vom Generationenwechsel bei der Küsschenwache

Wir waren zum Jahreswechsel an der Ostsee. Es ist ein ruhiger Ort zur Kontemplation und Besinnung; somit hervorragend geeignet, um das alte Jahr Revue passieren zu lassen und das neue Jahr angemessen gedenkvoll einzuleiten.

Gleichzeitig ist es ein Ort, um Traditionen zu pflegen. So werfen wir einen Blick über die Mole, betrachten die vorbeiziehenden Boote und erzählen uns alte Geschichten. Es sind die gleichen Geschichten, wie jedes Mal, wenn wir dort sind. Es hat sich eine Routine entwickelt. Es sind Muster, auf die Verlass ist. Wie gesagt: Wir pflegen Traditionen.

Nur eines klappt nicht mehr mit der gewohnten Umbeschwertheit: die wilde Knutscherei beim Vorbeiziehen der Küsschenwache. Der Sohn des Hauses geht jetzt schließlich in die Schule, er kann jetzt Lesen, er lässt sich da nichts mehr vormachen. Fehler beim Buchstabieren der Bootsbeschriftungen korrigiert er eiskalt. Oder zumindest je nach Laune. Denn er hat durchaus Spaß an dem Spiel, so ist’s ja nicht. So weiß man beim Vorbeiziehen der Boote meistens nicht: kommt der Sohn und wird geknutscht oder kommt der Sohn, um eine Lektion in korrekter Lesart von Bootsbeschriftungen zu erteilen?

Wir beobachten jedoch auch: Lehnt der Sohn etwas ab, wird’s auf einmal für seine Schwester interessant. Bisher eine konsequente Verweigerin des Küssens auf Kommando, erkennt sie plötzlich den Charme dieser Momente. Wenn der Sohn das Spiel für einen Moment mal total uninteressant finden sollte – und nur dann – ist es spontan die Lieblingsbeschäftigung der Tochter, laut Küsschenwache! zu brüllen, eilig die Eltern zu suchen und jeden mit zarten Küsschen zu überhäufen.

Ich beschwere mich nicht. Und falls sich jemand fragt, warum manche Familien nicht nur eines, sondern gleich mehrere Kinder haben, dem sei hiermit verraten: es dient dem Bewahren von Traditionen. Ganz einfach.

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Was von 2014 bleibt

Da geht doch glatt ein Jahr zur Neige. Meine Güte, wie die Zeit vergeht. Aber immerhin ist auch etwas passiert. Es zieht also nicht spurlos davon, dieses Jahr. So wird der Sohn zum Beispiel nicht müde, bei allen möglichen Gelegenheiten anzumerken, dass wir ja immer noch Weltmeister sind. Das scheint ihn wirklich arg geprägt zu haben, dieses Fußballereignis. Es bleibt mir ein wenig schleierhaft. Aber insgeheim bin ich einfach froh, dass es den Spaß nur alle vier Jahre gibt. Wäre die Frequenz höher, würde meine komplette Ahnungslosigkeit zum Thema wohl irgendwann auffallen und nicht einfach als Coolness durchgehen.

Viel faszinierender als das reine Ballgeschiebe sind natürlich die diversen Begleiterscheinungen. So sind wir zwar Weltmeister, aber deswegen noch lange nicht die Tollsten. Auch das verrät einem der Sohn bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Die Brasilianer zum Beispiel, sie waren schon fünfmal Weltmeister. Wir nur viermal. Tja, der junge Mann hier kam dieses Jahr auch in die Schule. Seitdem rechnet er auf faszinierend vielfältige Art und Weise vor, wie viel toller Fünfmal im Vergleich zu Viermal ist.

Trotzdem bringt so ein Weltmeistertitel durchaus seine Vorteile. So ist’s ja nun auch wieder nicht. Man kann ruhig selbst ein wenig feiern, auch wenn andere noch viel toller sind. Das geht sogar ganz problemlos. Auf diese Weise ist zum Beispiel unsere Flagge durchaus wieder salonfähig geworden. Es ist jetzt nicht so, dass wir jemals erwägen würden, diese an irgendwelche Gefährte zu hängen. Es ist auch nicht so, dass wir Winkelemente schwingend durch die Straßen ziehen. Aber es kann durchaus vorkommen, dass sich die Kinder ihre Frühstücksbrötchen als Flaggen dekorieren. Und hierbei steht die einheimische recht hoch im Kurs. Die klassische Gestaltungsform sieht dabei ein möglichst gleichwertiges und sortenreines Auftragen von Nutella, Erdbeerkonfitüre sowie Honig auf dem Brötchen vor. Aber mal ganz ehrlich: Wer isst schon immer nur dasselbe? Eben. Das sehen auch die Kinder so. Und während die Tochter im Zweifel einfach vollends auf die Schokocreme umschwenkt, bleibt der Sohn seiner Flagge treu, wandelt sie jedoch nach persönlichem Gutdünken ab. Das Glas mit der Schokolade könne sie ruhig behalten, bietet er seiner Schwester an. Auf meinen erstaunten Blick ob seiner neugewonnenen Großzügigkeit antwortet er mit dem lapidaren Hinweis, dass Erdnussbutter das neue Schwarz sei. So hat er das jetzt beschlossen. Die mag er eh lieber. Und ich doch auch. Erdnussbutter, verrät er mir mit einem Augenzwinkern, ist die Schokolade für Männer.

Abgesehen davon, dass Erdbeerkonfitüre und Honig auch weiterhin zu seinen Lieblingen zählen, muss ich dem Nachwuchs zugestehen, dass er schneller einen entspannten Umgang mit Nationaldevotionalien entworfen hat, als andere von uns ihren ersten Kaffee des Tages hinter die Binde kippen.

Wenn sich das Jahr mal nicht gelohnt hat. Auf ein ebenso feines Neues!