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Die lieben Kinder sollen lieber nicht alle programmieren lernen

Es ist Advent. Diese besinnliche Zeit können wir doch gern mal wieder benutzen, um ganz in Ruhe einen Blick auf die diversen Aufregerthemen unseres Alltags zu werfen. Beliebt ist dabei zum Beispiel immer wieder der Ruf nach der Ausstattung von Schulen mit allen möglichen elektronischen Gadgets. Ohne Rechner, Smartphones und Tabletts möglichst schon in der Grundschule droht schließlich das Abendland unterzugehen. Wenn die lieben Kinder nicht schon direkt zusammen mit dem Lesen, dem Schreiben und dem Erlernen der Grundrechenarten auch anständig das Programmieren eingetrichtert bekommen, dann können wir unsere Zukunftsaussichten auch gleich komplett abschreiben.

So oder ähnlich hören wir es derzeit immer wieder. Und das Beruhigende an diesen Wünschen ist der hoffentlich dahinterstehende Wille, den Kindern einen kompetenten Umgang mit den diversten Spielarten von Medien und Technologie beizubringen. Das ist toll und wichtig. Denn ganz allein vom iPad-Daddeln im Kinderzimmer wird das mit dieser Kompetenz nur in seltenen Fällen etwas. Ein wenig mehr Mühe dürfen wir uns als Erziehende dabei durchaus geben.

Aber diese Mühe liegt bitte nicht darin, den Kindern das Programmieren mit der Gießkanne überzustulpen. So einfach lässt sich die Sache mit unserer Zukunftssicherung nicht lösen. Auch an dieser Stelle braucht’s ein wenig mehr Mühe. Die Welt ist nämlich komplexer, als dass wir sie nur auf ein paar Algorithmen und syntaktische Programmierfeinheiten herunterbrechen können. Sehr, sehr schön fasste das gerade Joe Morgan in Worte. Sein Posting heißt passenderweise I’m a Developer. I Won’t Teach My Kids to Code, and Neither Should You. Während ich am liebsten den ganzen Text hier zitieren möchte, bringt’s doch zumindest der folgende Satz sehr konzentriert auf den Punkt:

Coding is not the new literacy.

Ganz genau. Und was diese unsägliche momentane Debatte zu diesem Digitalisierungspaket unserer Regierung anbelangt: Steffen vom notenblog hat sich dazu bereits vor der letzten großen Wahl schon ganz passabel zum Thema geäußert:

Kurz: Die digitale Schule ist, leider, noch keine Bildungslösung.

Bezüglich des leider bin ich mir zwar nicht ganz so sicher. Aber ansonsten listet er eine Menge sehr vernünftiger Punkte auf. Die kann man sich ruhig mal wieder angucken. Und dann bitte über sinnvolle Aktivitäten für unsere lieben Schülerinnen grübeln, als sie einfach nur mit irgendwelchen Gadgets bewerfen zu wollen, worauf sie irgendwie magisch mit Kompetenz reagieren mögen.

Meine Güte. Es ist schließlich Advent. Also eine besinnliche Zeit, um auch mal hinter die Kulisse so manch einfach klingender polemischer Phrase zu gucken.

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Der Ganztag, dieses neumodische Ding

Unter uns Schreibtischtätern hat es sich in letzter Zeit eingebürgert, das sehr feine, hochwertige, ehrenwerte und hart erkämpfte Recht auf demokratische Mitbestimmung durch das Ankreuzen des korrekten Feldes in Online-Petitionen nicht nur wahrzunehmen, sondern bis an sein maximal mögliches Limit zu treiben. Das ist natürlich etwas ganz Feines. Denn mal ganz ehrlich: In der Vielzahl der Themen, Probleme und Dramen, die tagtäglich auf uns einprasseln ist allein die pure Meinungsäußerung manchmal schon das meistmöglich Machbare. Und es geht durchaus oft um verständliche Sorgen. Erinnern wir uns zum Beispiel an das Hebammendrama. Das ging hier im Haus damals zwar noch gut aus und die Tochter ist ganz wundervoll zur Welt gekommen. Aber das Thema kommt leider .

Erinnern wir uns aber auch an die unsägliche Stoppschildidee zum Sperren des Zugangs zu unliebsamen Webseiten, anstatt diese einfach löschen zu lassen. Was sogar funktioniert. Manche staunen. Und war es nicht auch eine Petition, die ein wenig mit an der Vernunftsschraube gedreht hat? Auf jeden Fall war es bei der ganz themenverwandten Vorratsdatenspeicherung so. Und bei vielen anderen. So einige davon waren und sind sehr sinnvoll, manche zugegebenermaßen eher nicht so.

Jetzt gibt es auf jeden Fall eine neue. Es ist eine Petition gegen verpflichtende Ganztagesschulen. Sie ist natürlich wohlbegründet und sicherlich sehr gut gemeint. Geht es doch um nichts anderes, als die Nachmittagsgestaltung für unsere Schüler möglichst flexibel zu belassen. So, wie sie aktuell ist. Oder besser: so, wie sie es vor kurzem noch war. So, wie wir es kennen. Mit einem Elternteil zu Hause, der sich dann kümmern und Fahrdienst spielen kann. Mit vielen kleinen, unabhängigen Sportvereinen, Theatergruppen, Chören, Musikschulen und freien Musiklehrern. Das ist Vielfalt. Das ist toll. Das kann man durchaus für bewahrenswert halten. Sei es als Eltern, sei es als jene, die diese Angebote schaffen. Eine Ganztagesschule nimmt hier einiges vom Spielraum. Sie bündelt die Aktivitäten an der Schule. Die in der Gegend verteilte Vielfalt hat es damit schwer. Ein Kind, das in der Schule Sport treibt oder musiziert, lässt sich nicht gleichzeitig von den Eltern an entferntere Orte fahren, um das gleiche zu tun.

Die Sorge um den so fehlenden Nachwuchs ist zu verstehen.

Aber die Zeit schreitet trotzdem voran. Das Leben geht weiter. Die Sitten ändern sich. Das ist nichts Neues. Wenn wir genau hingucken, war das schon immer so. Nur wenige laufen heute noch nackt mit der Keule durch den Busch, um sich ihr Frühstück zu jagen. Nein, nein. Andere Zeiten, andere Lebensumstände. Und derzeit haben wir wieder die Möglichkeit, dass auch Eltern sich recht frei entfalten können. Dazu gehört zum Beispiel, jeweils eigenen Tätigkeiten nachzugehen. Und dazu gehört, die Kinder in Ganztageskitas und -schulen mit ihren Freunden eine möglichst interessante und anregende Zeit verbringen zu lassen.

Zwei Kitas habe ich hier in den Südstaaten in letzter Zeit persönlich erlebt. In einer davon ist ein größerer lokaler Musiklehrerverband aktiv und bietet seine Kurse an. Für diese Kurse kommen die Lehrer direkt in die Kita, versteht sich. Dafür muss kein Kind extra durch die Gegend fahren. In einem Moment toben die Kinder draußen im Garten, im nächsten Moment musizieren sie drinnen und nur wenig später toben sie weiter. Das passt. In der anderen Kita ist eine selbständige Musiklehrerin aktiv. Auch sie bietet ihren Kurs an. Auch sie macht es direkt in der Kita. Spielen, musizieren, weiterspielen. Passt.

Ich kann das Konzept der Ganztagesbetreuung nur empfehlen. Den Kindern macht es Spaß. Wir Eltern haben trotzdem unsere Freude mit dem Nachwuchs. Nur eben weniger beim Pendeln zwischen diversen Freizeitaktivitäten und mehr beim Spielen und Lernen im ganz eigenen Umfeld. Andere sehen das anders, ganz klar. Ich habe da volles Verständnis für. Für jene gibt es jetzt z.B. diese Petition. Aber Vereine und andere Anbieter von Alltagsfreizeiten sollten vielleicht trotzdem überlegen, ob ein Gespräch mit den örtlichen Kitas und Schulen nicht ein gutes sein könnte. Denn der Nachwuchs der kommenden Jahre, er steckt genau dort. Der Blognachbar Herr Buddenbohm hat es kürzlich recht prägnant auf den Punkt gebracht:

Die Vereine, die Sportarten, die Freizeitbeschäftigungen, sie müssen alle, alle in die Schulen, sie müssen in den Ganztag, es geht sonst einfach nicht.

Es geht sonst einfach nicht. Ganz genau. Eine Petition wird daran wenig ändern.

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Was man von einem Poetry Slam lernen kann

Die Zeiten sind hart geworden. So kann man beispielsweise bei quasi jedem beliebigen Stammtisch nachfragen und erfährt dort, dass die Kinder in der Schule heutzutage nichts mehr lernen. Also zumindest lernen sie nichts brauchbares mehr. Korrektes Schreiben, zum Beispiel, ging früher nach einem Monat Schule direkt ins Blut. Ab dem zweiten Monat konnten wir alle Romane schreiben. Möglicherweise nur nach Diktat, das aber fehlerfrei. Heute hingegen dürfen die Kinder in der Schule machen, was sie wollen, Hauptsache, es sieht entfernt nach Buchstaben, Worten und ganzen Sätzen aus. So sieht er aus, der Untergang des Abendlandes. Und wer es nicht glaubt, fragt bitte seinen örtlichen Stammtisch.

Den hat Christian Fischer offenbar nicht. Das ist jemand, der nicht nur eine eigene Meinung hat, sondern diese auch gern ins Internet schreibt. Sachen gibt’s, man glaubt es gar nicht. Zur Rechtschreibmode hat er eine solche Meinung und sagt sie in recht klaren Worten. Mit erstaunlich korrekter Orthographie und selbst die Satzzeichen sehen wohlplatziert aus. Inhaltlich sagt er, dass zwischen früher und heute respektabel viel Zeit vergangen ist, man möge das doch bitte beachten. Und als wäre das nicht schon genug, stimmt Herr Buddenbohm ihm auch noch zu. Zustände sind das. Nächste Woche geben beide bestimmt zu, dass sie heimlich immer gemeinsam etwas Trinken gehen.

Weiterhin schreiben beide noch, dass man doch einfach mal abwarten könne. Mal sehen, wie es am Ende der Schule so aussieht mit dem Nachwuchs und seinen Schreibkünsten.

Aber wer möchte schon warten? Eben. Ich auch nicht. Also habe ich mich kurzerhand zum Auftakt des BW Slam einladen lassen. Das sind die lokalen Landesmeisterschaften im Poetry Slam. Es stehen also Leute auf einer Bühne, die dort um die Wette eigene Texte vortragen. Gelegentlich singt auch mal jemand. Aber selbst das ist dann meist Sprechgesang und zwar selbstgedichteter. Die Akteure sind dabei oft respektabel jung. Bei ihnen ist die Schule noch nicht sehr lange her. Sie machen zumindest nicht den Eindruck, schon vor dreißig Jahren das Schreiben gelernt zu haben. So alt müssen sie nämlich erst noch werden.

Als passiver Zuhörer, mit meinem Stammtischbier in der Hand, stelle ich fest: Diese Texte sind Kunst; diese Texte haben Esprit; diese Texte sprühen vor Witz; diese Texte spielen mit Dialekt. Diese Texte hätte ich selbst so gut nicht hinbekommen. Wie ärgerlich.

Leider wurde alles frei vorgetragen. Ob die Texte vorher jemals in korrekter Rechtschreibung auf dem Papier oder im Rechner standen, kann ich somit gar nicht sagen. Was ich aber sagen kann: Es ist vollkommen egal. Solange derart feine Reime und so kurzweilige Wortkunst dabei heraus kommt, können die Autoren ihre Ideen von mir aus auch mit kleinen Bildchen aufmalen.

Der Untergang des Abendlandes sieht auf jeden Fall anders aus.

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Lernen im Akkord

Der Sohn wurde in dieser Woche eingeschult. Wir hatten das hier ja schon. Und was soll ich sagen? Es waren bereits ein paar aufregende Tage. Obwohl bisher alles noch relativ ruhig ist. Alle gewöhnen sich aneinander. Also die Kinder an die Schule. Umgekehrt aber ebenfalls. Da kann man nicht gleich mit vollem Tempo einsteigen. So gab’s am ersten Tag neben etwas Schulerkundung nur etwas Probeunterricht zum Kennenlernen. Der Sohn hat das im Nachhinein recht prägnant zusammengefasst: “War gut. Aber wir hatten keine Pause!”

Auf die Pausen hat er sich gefreut. Seine Kumpels, die schon ein Jahr vor ihm in die Schule kamen, haben davon erzählt. Pausen sind ganz toll. Es gibt große, es gibt kleine. Manche sind drinnen, in manchen geht man nach draußen. Und für andere kann man Kritik ernten, wenn man während ihnen zu lange auf der Toilette sitzt. Das reizt. Das lockt. Davon träumen kleine Jungs.

Jetzt ist er selbst in der Schule und hat gleich am ersten Tag gelernt: Das mit den Pausen ist alles Quatsch. Offenbar gibt es gar keine. Das sind alles nur Urban Legends. An so einer Schule wird stattdessen im Akkord geschafft. Man sieht ihm an, was diese Erkenntnis auslöst; seine Augen werden ganz groß. Aber er beruhigt sich schnell wieder. Kinder sind offenbar doch leidensfähiger, als wir es manchmal annehmen.

Immerhin wirft er jedoch nicht gleich alle alten Sitten über Board. So darf ich ihm zum Beispiel weiterhin am Abend noch etwas vorlesen. Er lässt diese Großzügigkeit aber nicht ganz selbstverständlich so im Raum stehen, sondern erklärt sie gleich noch. Den Spaß gönnt er mir schließlich nur, weil er selbst noch nicht lesen könne. Das muss er doch in der Schule erst lernen. Das dauert wohl noch ganz lange.

Aber ich soll ihn nächste Woche noch einmal fragen. Vielleicht kann er es ja dann.

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Zwischen den Zeiten

Der Sohn hat sich aus der Kita verabschiedet. Der Freitag vor dem Urlaub war sein letzter Tag. Erhobenen Hauptes hat er das langjährige Haus der Tagesunterhaltung verlassen, um nur zum gelegentlichen Abholen seiner kleinen Schwester wieder dorthin zurückzukehren.

Bei einem Glas irgendeines feinen Kaltgetränks frage ich ihn während des Urlaubs, was er denn jetzt ist. Ein echter Vorschüler, oder?

Das sei natürlich eine vollkommen absurde Annahme, klärt er mich auf. Er hätte schließlich vor einiger Zeit die Übernachtung in der Kita mitgemacht. Diese fand exklusiv für die Vorschüler statt. Damit wurde diese Phase hochoffiziell abgeschlossen. Irgendwann ist’s auch mal gut.

Ich sehe: Der Nachwuchs hat das mit den Phasen schon souveräner heraus als unsereiner. Aber trotzdem geht er noch nicht zur Schule. Und in den Kindergarten auch nicht mehr. Nihilisten sind wir hier nicht. Irgendwas muss also sein. In irgendeine Schublade muss ich ihn doch herein bekommen.

Der Sohn guckt mich ungläubig an. Wo das Problem sei?, fragt dieser Blick. Er ist gerade ein Ferienkind, sagt der Sohn. Das ist doch ganz klar. Ich sehe das nur viel zu kompliziert.

In drei Tagen ist der Spuk trotzdem vorbei. Dann verstehe auch ich endlich wieder, wie die Welt funktioniert.