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Arbeitsbesuch

Es gibt doch tatsächlich Tage, an denen ist man reichlich im Alltagstrott gefangen. Da läuft man nur im Hamsterrad. sagen manche. Was natürlich vollkommener Unsinn ist, denn mit viel Bewegung haben die meisten alltäglichen Beschäftigungsvarianten des modernen Mannes von heute nun wirklich nichts zu tun. Aber egal, wie man sie nennt, solche Tage gibt’s tatsächlich. Da kann man auch gar nicht viel machen. Glück haben nur jene von uns, bei denen Kinder mit zu Hause wohnen.

Denn man holt sie an solchen Tagen einfach rechtzeitig aus der Kita ab und setzt sich mit ihnen erst einmal an den Küchentisch. Wer richtig viel Glück hat, bei dem liegen noch Reste von einem Geburtstagskuchen rum. Denen widmet man sich gemeinschaftlich. Glauben Sie mir: Es könnte kaum sinnstiftendere Diskussionen geben als jene darüber, wie man einen echten Piratenkuchen familiär korrekt aufteilt. Schatzinsel, Wasser, Piratenfisch: Man macht sich keine Vorstellungen, was man da alles falsch anschneiden könnte. Trotzdem haben alle ruck zuck den Mund voll und man kann in Ruhe seinen frischen Kaffee schlürfen. Das ist quasi wie Urlaub.

Bis das Smartphone brummt. Ich weiß auch nicht, wer das auf den Tisch gelegt hat. Aber wenn’s schon mal da liegt und Bescheid gibt, kann man auch ruhig nachgucken. Großes Herz und so. Und siehe da: eine Mail. Wer hätt’s gedacht? Der Sohn fragt, von wem sie ist und möcht‘ auch selbst mal gucken.

Er fragt: Das sind Kollegen von Dir, ja?

Ein kluges Kind.

Sohn: Schreiben sie, dass Ihr Euch treffen wollt? So miteinander reden?

Ich: Ja, so in der Art.

Sohn: Dann könnt Ihr ja den Besuch des Weihnachtsmanns planen. Der kommt bestimmt auch ins Büro.

Da sage nochmal jemand, die abgeklärte Jugend könne mit den alten Traditionen nichts anfangen. Vollkommener Quatsch. Die sind bei denen sogar ganz tief im Alltag integriert. Das kann einem richtig die schlechte Laune verderben.

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Getränke für den Tag

Die Vorzüge eines geregelten Tagesablaufs lernt der moderne Mann von heute spätestens dann kennen, wenn Kinder im Haus einziehen. Kinder sorgen für Routine. Sie brauchen sie selbst. Routine gibt ihnen einen verlässlichen Rahmen, sie hilft ihnen bei der Orientierung durch den Tag. Mit Routine ist alles leichter, da kann der Alltag seinen geregelten Gang gehen.

Selbst Eltern schaffen es jedoch nicht immer, die Zeichen des Augenblicks richtig zu deuten und in jedem Moment die korrekten, angemessenen Maßnahmen zu erkennen, die das Kind routiniert jedoch ohne Langeweile durch den Alltag bringt. In solchen Momenten helfen sich die bedürftigen Kinder idealerweise einfach selbst. So zum Beispiel die Tochter. Mit der Wahl ihrer Getränke. Man kennt das ja durchaus selbst: Der erste Kaffee des Tages ist regelmäßig ein klarer Wegweiser für die Sorgen am Morgen. Vor dem Kaffee sind sie übernatürlich, nach dem Kaffee nur noch Schall und Rauch. Das korrekte Getränk am Morgen vertreibt also Kummer und Sorgen. Das hat die Tochter auch schon erkannt. Das Kind lernt schnell. Und spult täglich das gleiche Programm ab: Aufwachen; Brüllen, bis Papa endlich anrückt und klar verständlich einen Muntermacher bestellen: Milch! Die Betonung liegt wie immer auf dem Ausrufezeichen. Wir kennen das ja schon. Da ich jetzt weiß, was sie will und da ich den Wert von Routine sehr schätze, tue ich, was ein Mann tun muss: ich gebe ihr Milch. Und was kurz vorher noch unmöglich schien, ist jetzt eine Selbstverständlichkeit: wir sind zwei dicke Freunde. Die Tochter und ich: ein quasi unzertrennliches Paar der Harmonie. Zumindest für zwei Minuten. Spätestens dann ist der Becher nämlich leer. Aber irgendwas ist ja immer. Die Hauptsache ist doch, dass der Grundstein für den Tag gelegt ist. Wichtig ist, dass wir wissen, wie ein Tag korrekt beginnt: mit einem Becher Milch. Haben wir den erst mal geschafft, ist der Rest des Tages ein reines Kinderspiel. All die kleinen Sorgen und Nöte, Fragen und Gefahren, Risiken und Hindernisse: lächerlich, das machen wir mit links. Genau genommen erledigt die Tochter alles selbst und trinkt nebenbei einfach Wasser. Was die Milch am Morgen, ist das Wasser am Tag. Klar und rein, elegant darf’s sein.

Bis zum Abend. Dann geht’s ins Bett. Und jetzt machen wir uns mal nichts vor: Welches Kind lässt sich schon mit Wasser abspeisen, wenn’s ins Bett gehen soll? Eben. Da haben die Eltern schließlich ganz offensichtlich auch ein Interesse dran, also sollen sie sich mal ruhig etwas einfallen lassen. Wasser, also wirklich, das geht da gar nicht. Zum Glück lässt die Tochter sich nicht lange bitten. Sie sagt ganz freiwillig klar an, womit man sie zufrieden stellen kann. Sie liegt im Bett, die Augen weit offen, gibt sie ihre Bestellung heraus: Tee! Ich finde das verwunderlich, ich weiß auch nicht, woher sie es hat. Aber es ist wirklich jeden Abend das Gleiche. Tee!, sagt die Tochter und gibt man ihr diesen, schläft sie danach auch gern recht ruhig ein. Routine hilft.

Aber keine Regel ohne Ausnahme, denkt sich die Tochter. Auf einmal sitzt sie im Bett, soll eigentlich schlafen, denkt aber gar nicht daran, lässt sich auch mit Tee nicht ruhig stellen. Auf einmal guckt sie einen an, grinst verschmitzt, legt den Kopf leicht schief und sagt: Kaffee! Ich überlege nur kurz, denke ans Schlafen, denke an Pläne für den Abend, denke an den Weltfrieden und gebe schließlich der Tochter, wonach sie halt fragt. Kaffee, also wirklich. Das kann ja nur eine Ausnahme sein. Den wird sie jetzt schon nicht jeden Tag haben wollen. Wollen wir mal nicht so sein. Kaffee soll sie haben. Und siehe da: kurz danach schläft das Kind seelenruhig und tief und fest.

Und da wir hier ja ganz unter uns sind, kann ich es Ihnen ruhig verraten: Von mir aus kann die Tochter das Wasser am Abend nennen, wie sie will. Ob sie jetzt Tee oder Kaffee dazu sagt: mir passt beides in den Kram. Hauptsache, sie schläft routiniert pünktlich ein. Wasser passt schon.

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Kartoffeln gehören nicht in einen Zen-Garten

Die Zeiten sind hart. Wo man auch hinguckt: überall wird von Krisen gesprochen. Von Stress auch. Von Balance, wenn man mal Glück hat. Aber auch das meist nur, wenn es darum geht, dass selbige verloren gegangen ist und man gefälligst zusehen möchte, sie doch bitte möglichst schnell wiederzufinden. Was übrigens der totale Stress ist, wenn man mal darüber nachdenkt. Es ist ein Teufelskreis. Schlimm. Da kommt man wohl nur mit Glück wieder heraus.

Einen kleinen Trost habe ich immerhin: Das Glück ist mit jenen, die Kinder haben. Denn der moderne Mann von heute findet seinen Ausgleich beim Spielen mit den Kindern, ganz klar. Legotürme bauen, kreativ Musik machen, um die Wette schaukeln, Fahrradfahren lernen: das sind alles schlicht Synonyme für pure Tiefenentspannung. Nur durch Eines lassen sie sich toppen: den Sandkasten.

Denn genau dort sitzt man nach einer furchtbar anstrengenden Arbeitswoche, in der man beinahe den Weltfrieden gerettet hat. Man teilt sich die Kiesgrube möglicherweise mit dem Sohn. Also mit jemandem, der ambitioniert und voller Elan nicht nur tiefe Löcher gräbt, sondern auch hohe Burgen baut und ganze Straßenzüge ersinnt, die sich elegant durch die Schluchten winden. Dieser Ehrgeiz ist ehrenwert. Er ist jedoch auch dem eigentlichen Ziel des ganzen Spieles vollkommen abträglich, nämlich dem Finden von Ruhe, Ausgleich, Entspannung oder schlicht: mentalem Wohlbefinden. Da hilft nur eins: Knallharte Erziehung. Ich erzähle dem Sohn somit in aller gebotenen Ruhe und Ernsthaftigkeit etwas über das Anlegen eines Zen-Gartens. Wir sitzen uns gegenüber, haben jeweils eine Sandkastenharke aus spirituell neutralem Kunststoff in der Hand und setzen die frisch gelernte Theorie gekonnt in die Praxis um. Klare geometrische Formen entstehen im Sand. Sie werden gelegentlich wieder zerstört. Das aber nur, um in deutlich reiner Präzision neu zu entstehen. Nach einer Weile harken wir beide, ganz ohne uns dessen überhaupt noch bewusst zu sein. Wir sind nicht mehr nur im Sandkasten, wir sind schon viel weiter. Wir harken nicht einfach kleinste Körnchen von links nach rechts, wir sind jetzt eins mit unserer Umwelt, wir verbinden den Anfang mit dem Ende, wir kreisen um die Bedeutung des Wahren und schließen sie ein, wir erkennen uns selbst und unsere Bestimmung, wir ruhen in uns.

Doch plötzlich habe ich Durst, oder wie auch sonst man dieses weltliche Gefühl nennt, welches sich nur durch einen frischen Kaffee wieder in den Griff bekommen lässt. Ich verabschiede mich von Sohn, Sandkasten und Zen-Garten. Keiner der drei scheint viel dagegen zu haben. Ich hinterfrage das nicht, sondern sitze nur unwesentlich später auf dem Balkon, die Tasse Kaffee in der Hand, die Ruhe im Ohr, die Gedanken im Fluss.

Irgendwann kommt auch der Sohn und lehnt sich entspannt an das Balkongeländer. Er wackelt ein wenig mit dem großen Zeh, wirft noch einmal einen Blick in die Ferne, guckt schließlich herüber zu mir und sagt: Du Papa, ich habe noch Kartoffeln im Zen-Garten gepflanzt. Erwartungsvoll guckt er mich an. Stolz scheint er auf seine Leistung und den zugrunde liegenden kreativen Geist.

So geht es trotzdem nicht, mein Kaffee wird schließlich kalt. Ich reagiere also mit der einzig möglichen Antwort: In einen Zen-Garten gehören keine Kartoffeln, junger Mann! Du musst noch viel lernen im Leben.

Der Sohn sagt: Na gut. Und er stapft los, wohl um die willkürlich in den Sandkasten geworfenen Steine wieder heraus zu fischen.

Es ist ein weiter Weg auf dem Pfad zur Erleuchtung. Fragt sich nur, für wen von uns.

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Stilfrage

Es ist jeden Morgen das Gleiche: Man muss die passenden Klamotten zum Anziehen heraussuchen. Schlimm genug, dass man das für sich selbst machen muss. Aber hat man erst einmal Kinder, darf man es für diese auch noch mit erledigen. Das ist auf Dauer ein richtig schwerer Job. Warum hat einem das eigentlich niemand vorher gesagt? Es wäre bestimmt alles ganz anders gelaufen.

Jetzt läuft es so: Wir ziehen uns an. Früh am Morgen. Streng genommen ist noch niemand munter genug, um auch nur halbwegs zuverlässig Klamotten auswählen zu können. Da hilft nur eins: Der moderne Mann von heute muss tun, was er tun muss. Er trifft Entscheidungen. Also suche ich den Kindern ihre Sachen heraus. Sie sollen schließlich elegant durch den Tag kommen. Da kann ich nichts einfach dem Zufall überlassen. Machen wir uns mal nichts vor: Kinder anzuziehen ist ein knallharter Job. Besonders vor dem ersten Kaffee.

Dumm nur, dass meine Vorschläge für gewöhnlich konsequent abgelehnt werden. Was für die Kinder zählt, ist der eigene Geschmack. Dieser funktioniert leider nicht immer ganz zuverlässig. Wie auch? Die beiden Größenwahnsinnigen hatten schließlich bisher relativ wenig Zeit zum Üben, jung wie sie sind. Je nach Grad der jeweiligen Verirrung diskutiere ich somit durchaus. Ihr Tag soll ja auch nicht zu schwer werden. Man macht sich schließlich keine Vorstellungen, wie gemein Kinder in so einer Kita sein können. Da wird geklatscht und getratscht, dass einem ganz schwindelig wird. Bei den frühreifen Kindern geht das heutzutage wirklich alles viel frühzeitiger los als früher in den guten alten Zeiten.

Ich ermahne die Kinder also und versuche, sie zur Vernunft zu bringen. Ich erkläre meine ästhetischen Beweggründe, sie sollen sie schließlich verstehen. Von Farben erzähle ich ihnen etwas, von Mustern, von Stoffen und von Zusammenhängen zwischen all diesen. So brauchen die beiden nicht ein Leben lang am frühen Morgen den Papa um Rat zu fragen, wenn es um die passende Kleiderwahl für den Tag geht. Da ist etwas Energie und Durchhaltevermögen gut investiert. Also zeige ich, erkläre ich und belehre ich. Und werde ignoriert. Für die zu ihrer Selbständigkeit erzogenen Kinder zählt nur ihr eigener Geschmack. Wer soll sie schließlich besser kennen als sie selbst? Eben. Da braucht man gar nicht viele Worte zu verlieren. Taten zählen. Die Kinder tun und ziehen sich an.

Was soll’s? – denke ich mir. Wenn das Ergebnis nicht gar zu dramatisch ist, sollen sie die Sachen doch ruhig anbehalten. So lange wie wir die Pudelmütze im Hochsommer vermeiden und über die Badeshorts im Winter noch eine wärmende Hose ziehen, wird es schon gehen. Da darf man als Elternteil nicht immer päpstlicher sein als der Papst. Da kann man einfach mal die Kirche im Dorf lassen. Die Kinder sehen schließlich sowieso gut aus. Was machen da schon ein paar lächerliche Klamotten aus? Eben. Das ist nichts, wofür es sich lohnt, die frühkindliche Kreativität einzuschränken und möglicherweise gar im Keim zu ersticken.

Also Mut zur Lücke und ab in die Kita.

Wo wir nicht nur gewohnt freundlich empfangen werden, sondern die Erzieherin glatt sagt: Die beiden sind heute wieder ausgesprochen elegant angezogen. Legt Ihre Frau die Sachen immer passend heraus? Mit Verlaub, aber was ist das denn bitte für eine vollkommen inakzeptable Frage? Ich antworte natürlich mit einem energischen: Ähh, nein. Natürlich nicht! Und ernte dafür: Hach, dass es das noch gibt: Männer mit Geschmack und Stil, die sogar ihre Kinder passend anziehen können.

Also wirklich, dass man uns Männern heutzutage aber auch gar nichts mehr zutraut, ist doch ganz offensichtlich hochgradig unfair.

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Kulturbanause

So ein kleinbürgerlicher Bildungshaushalt ist eine inspirierende Sache. Da kann’s zum Beispiel passieren, dass man einfach mal unschuldig pfeiffend nach Hause kommt und eine Bude voller Kunstwerke vorfindet. In solchen Momenten ist es sehr wichtig, den eigenen Elan zu bremsen und vorsichtig durch das neu eröffnete Atelier zu manövrieren. Denn eines steht fest: auf Bilder möchte man nicht treten und mit dem Künstler will man es sich nicht verscherzen. Das gilt besonders dann, wenn es sich um den eigenen Sohn handelt. Der Typ hat offenbar spontan beschlossen, seine gesammelten Werke aus der Kita mit nach Hause zu bringen. Bei ihm als Mann der Taten werden Beschlüsse natürlich sofort umgesetzt. Super Sache: Tabula rasa dort, Chaos hier. Und ein kunstverständiger Familienvater tut selbstverständlich, was er tun muss: Er bückt sich, er greift willkürlich in das Papiermeer, er fischt ein paar bemalte Fetzen heraus und bewundert sie angemessen.

Auf einigen Werken kann man sogar etwas erkennen. Robotter sind es meist. Robotter sind gerade schwer angesagt beim Künstlersohn. Robotter hier, Robotter dort, Robotter auf Papier. Und was soll ich sagen: Da sind stellenweise wirklich respektable Robotter dabei. Ich staune und tue, was ein Staunender tun muss. Ich sage: Ach, da sind aber wirklich ein paar schöne Bilder dabei!

Lob tut schließlich auch mal gut. Das arme Kind kann nicht ausschließlich mit Repressalien groß gezogen werden. Als moderner Mann von heute kann ich auch mal weich sein und ein Herz zeigen. Der Sohn hat schließlich schwer gearbeitet. Und eines wissen wir doch alle: Das Leben eines Künstlers ist ein hartes, ein undankbares, ein brotloses. Da ist ein wenig Bestätigung genau das Richtige. Wenn sie noch dazu von jemandem kommt, den man liebt und schätzt – dem Herrn Papa zum Beispiel – dann fühlt man sich verstanden, dann bekommt das Künstlerleben einen Sinn.

Nur der Sohn versteht das noch nicht so recht. Er hält statt dessen abrupt mit dem Spielen auf, erstarrt für einen kurzen Moment vollständig, schüttelt ungläubig den Kopf und merkt recht trocken an: Papa, die sind alle schön!

Es geht doch nichts über klare Ansagen. Und ich habe wohl verstanden, auf welchem Wort hier die Betonung lag. Da habe ich – ganz klar – einen Fehler gemacht. Soll nicht wieder vorkommen. Versprochen. Mensch, eine korrekte Erziehung, die auch adäquate Wertemaßstäbe vermittelt, scheint wirklich schwer zu sein. Aber ich bin mir sicher: irgendwann wird der Sohn das schon noch schaffen.