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Ehrgeiz

Diese Evolutionsstufen der Kinder, sie sind immer wieder spannend. Auf eine Art sind sie immer auch berechenbar. Denn bei aller Individualität: letztlich entwickeln wir uns alle recht ähnlich. Es geht immer schön der Reihe nach. Die Ernährung kommt erst flüssig daher und wird dann schrittweise fester. Der Gang wird graduell aufrechter, bis die Kinder irgendwann richtig laufen können. Sprachlich fängt alles onomatopoetisch einfach strukturiert an und endet irgendwann in ganzen Sätzen, aneinander gereiht zu nicht enden wollenden Redeflüssen. Bei aller Kontinuität geraten die verschiedenen Kategorien manchmal ein wenig durcheinander. Der eine spricht halt erst, der andere läuft lieber vorher. Soviel Freiheit sei erlaubt. Aber im Großen und Ganzen steckt Ordnung im System. Man weiß, woran man ist.

Die Tochter ist zum Beispiel mit dem Radfahren an der Reihe. Seit einem halben Jahr bereits. Wir haben ihr im Herbst ein entsprechendes Gerät besorgt. Und immer mal wieder ein Nutzungsangebot unterbreitet. Man soll ja nicht nur dogmatisch Befehle erteilen. Also habe ich als moderner Mann von heute ihren eigenen Ehrgeiz angesprochen. Wenn sie nach ihrem Laufrad gerufen hat, habe ich ihr einfach das Fahrrad hervorgeholt und erwartungsvoll geguckt. Die Tochter wäre nicht die Tochter, wenn sie nicht ebenfalls gucken würde. Allerdings weniger erwartungsvoll, mehr zweifelnd. “Laufrad!”, sagt sie in solchen Momenten nur, dreht sich um und beschäftigt sich kurz sinnvoll, während ich meinen Fehler korrigiere. Die Zeit war bisher wohl noch nicht so weit.

Ich übe mich in Geduld, lade mir zur Entspannung ein paar Nachbarn ein und werfe erstmal den Grill an. Man kann ja nicht immer nur dasitzen und auf die Kinder warten. Irgendwann ist’s auch mal gut mit der Geduld. Lass den Nachwuchs doch machen.

Und der Nachwuchs macht. Während unsereiner entspannt in den Grill guckt und sich am Kaltgetränk festhält, stöhnt und ächzt die Tochter irgendwo auf dem Hof herum. Auf einmal ist kurz Ruhe. Dann brüllt das Mädel und bittet um Aufmerksamkeit. Wir gucken kurz hoch und sehen das Kind entspannt ihre Runden mit dem Fahrrad drehen. Routiniert tritt sie in die Pedale als hätte sie seit Monaten nichts anderes gemacht.

Zum Anhalten braucht sie noch Hilfe. Immerhin. Es ist mir ein Trost. Ich helfe gern. Kaum steht sie wieder mit beiden Beinen auf dem Boden, schmiedet sie umgehend Pläne und erzählt ohne weitere Atempause, was wir jetzt auf einmal alles machen können. Jetzt kann sie Radfahren. Jetzt geht die Post ab. Ausflüge kommen auf den Plan. Sport machen wir jetzt gefälligst zusammen, schön mit ausgedehnten Touren durch den nahegelegenen Laufwald. Und Urlaub, jetzt mal im Ernst: warum soll man dafür noch das Auto anspannen? Das machen wir jetzt alles mit dem Rad. Die Tochter hat das alles schon fertig durchgeplant.

Letztlich machen wir uns auch tatsächlich auf den Weg. Und schaffen es immerhin bis zur nahe gelegenen Eisdiele. Die Tochter ist erschöpft, aber glücklich.

Eis geht ja immer. Das nenne ich somit mal einen sehr lohnenswerten Entwicklungssprung. Und während ich noch sehnsüchtig dem Geschmack von weißer Schokolade und Lakritz nachhänge, guckt die Tochter sehnsüchtig meine Laufschuhe an und verplant das Wochenende.

Dieser hoffnungslos optimistische Ehrgeiz: in welcher Entwicklungsstufe kommt der uns eigentlich wieder abhanden?

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Feedback

Der Sohn kommt dieses Jahr in die Schule. Wir hatten das ja schon mal. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren. Unser Vorschüler verlangt sich selbst wirklich alles ab. Es ist erstaunlich. Und er nimmt die Herausforderungen kreativ an.

So hat er mich gestern Morgen aus dem Bett geholt, um mir sein neuestes Konstrukt zu präsentieren: eine Feedbackmatrix. Daran hat er eine Weile gearbeitet. Wer wirklich erfolgreich sein möchte im Leben, muss früh aufstehen. Das gibt es hier im Haus als Lektion quasi en passant gratis mit dazu.

Und so funktioniert das gute Stück: Es gibt eine Tabelle – wir nennen sie: “Die Matrix” – mit jeweils einer Spalte für jedes Familienmitglied. Die Zeilen sind jeweils für die Tage da. Und für eben jeden solchen bekommt jeder hier eine Note zur Bewertung. Wie in der Schule. Die Benotung ist brutal ehrlich, vollkommen neutral und wird in ihrer vollendeten Objektivität vom Sohn vergeben. Die Skala umfasst dabei drei Noten. So sehen sie aus:

Feedback: grün

Das ist Grün. Das bekommt man, wenn man mal so richtig die Sau rausgelassen hat, die Freundlichkeitssau. Wenn alles harmonisch verlief, wenn man niemandem vermöbelt hat, wenn man niemandem die riesigen Legokonstruktionen kaputt gemacht hat, wenn man niemandem das Ohr blutig gebrüllt hat, wenn man quasi den ganzen Tag nur den anderen kuschelnd im Arm lag, dann bekommt man einen grünen Smiley.

Feedback: gelb

Das ist Gelb. Hier hat der Tag ein paar Kratzer am Lack. Kann ja mal passieren. Es läuft schließlich nicht immer alles nach Plan. Ich nehme an, dass ich z.B. so etwas bekomme, wenn ich wieder den Joghurtbecherdeckel einfach so ablecke anstatt mir anständig einen Löffel dafür zu holen.

Feedback: rot

Das ist Rot. Der Tag war wohl nichts. Kann ja mal passieren. Als moderner Mann von heute verstehe ich, dass der Sohn die Großartigkeit meines Handelns nicht immer gleich vollumfänglich erfasst. Da kann’s also auch für mich schon mal einen roten Smiley geben, Frowny heißt das dann wohl. Und es kann zum Beispiel dadurch passieren, dass ich den Kindern gegenüber einmal zu oft vom Müssen rede anstatt liebevoll um das Wohlwollen zu bitten und auch eine Absage generös zu akzeptieren.

Man sieht also: Feedback ist keine Einbahnstraße. Im Bewertungssystem des Sohnes greift nicht einfach das klassische Schulmuster, bei dem nur die Schüler die Noten bekommen, die Lehrer aber eher nicht. So ein Feedback ist für alle da. Uns stehen kritische Zeiten bevor.

Theoretisch zumindest.

Wie sieht das Ganze denn in der Praxis aus? Nun, heute ist Tag zwei des Entwicklungsprogramms. Und prompt war die Benotung für den Sohn wirklich nicht einfach. Gestern war die gesamte Familie schließlich auf einem Wandertag. Das war zwar großartig, aber wer die Südstaaten kennt, weiß: Das ist nicht einfach nur ein Spaziergang. Da geht’s über Stock und Stein, da geht’s bergauf und auch wieder bergab. Und das wiederholt sich so lange, bis wirklich alle komplett erschöpft sind. K.O. Breit. Da geht nichts mehr. Das wirkt auch am nächsten Tag noch nach. Heute also. Am Tag der Regeneration gibt’s das folgende Bild:

feedback_ergebnis

Die zweite Zeile zählt. Wir sehen: viermal grün mit jeweils einem roten Strich. Ich habe den Sohn nach der Bedeutung gefragt und übersetze es mal: Es haben sich alle sichtbar Mühe gegeben, aber ausnahmslos toll war dann doch keiner von uns.

Ich trag’s mit Fassung und bin gespannt, wie er den Maßstab demnächst in der Schule umsetzt. Das wird unterhaltsam.

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Körperpflegedienst

Wenn Kinder im Haus einziehen, gibt es plötzlich neue Herausforderungen, von denen ahnt man vorher nichts. Vor schlafarmen Nächten wird man gewarnt. Darum geht’s hier nicht. Von Sorgen beim Essen hört man immer wieder. Kennen wir hier kaum. Hat man Umgang in den richtigen Kreisen, verrät einem vielleicht mal jemand etwas von Dramen bei der Kleidungswahl, gerade am Morgen, das ist nicht immer leicht, aber darum geht’s hier und heute auch nicht.

Wir reden heute mal von dem, was viele gern verschweigen: Der Körperpflege. Das Thema ist heikel. Darüber spricht man nicht gern. Wer weiß, was auf einmal die anderen von einem halten. Einmal etwas gesagt und plötzlich wechseln die Gesprächspartner bei der nächsten Begegnung weiträumig die Straßenseite, noch bevor man selbst ahnt, dass man demnächst raus auf die Straße gehen würde.

Aber es hilft ja alles nichts. Mit Kindern lernt man schließlich auch, dass Verstecken nicht hilft. Irgendwann kommt die Wahrheit eh ans Licht. Da kann man auch gleich offen und ehrlich sein, endlich mal Transparenz schaffen und zugeben, wie das in der eigenen Familie so läuft.

Nehmen wir zum Beispiel das Schneiden von Fingernägeln. Kleiner Tipp: Falls Sie mal bei Eltern von Kleinkindern eingeladen sind und Ihnen die gute Stimmung im Haus gerade nicht zum grauen Wetter draußen passt, fragen Sie einfach mal nach, wie das mit den Fingernägeln bei den Kindern so läuft. Erstaunlich häufig haben Sie dann ganz plötzlich kein Problem mehr mit der Stimmung, sie ist nämlich dahin.

Damit sind wir auch prompt beim Dilemma. Denn ich traue mich kaum, es zu sagen, aber: Beim Nachwuchs hier im Haus ist das gar kein Problem. Zumindest nicht, wenn es darum geht, sie zum Schneiden der Fingernägel zu überreden. Ganz im Gegenteil. Lade ich mir zum Beispiel in meinem elterlichen Elan den Sohn auf den Schoß, um die Finger zu kürzen, kommt seine Schwester aus dem Nichts heran, wackelt kurz mit dem Po und stupst ihren Bruder so elegant beiseite, dass der Sitzplatz plötzlich ihr gehört. Ihre Maniküre darf beginnen. Manchmal stimmt’s sogar. Manchmal sind auch ihre Finger gerade fällig. Dann gönne ich ihr den Erfolg. Dann schneide ich eben ihre. Der Sohn schmollt währenddessen und sichert sich seinen Termin für den nächsten Tag. Neuer Tag, neues Glück, neues Schubsen. Morgen schmollt die Tochter. Nein, leicht ist das mit dem Fingernägelschneiden wirklich nicht. Aber ich möchte mich nicht beschweren.

Ich gehe mit den Kindern lieber Zähneputzen. Das ist schließlich auch ein beliebter Familiensport. Verständlicherweise, denn in seiner Vielschichtigkeit ist es wirklich beeindruckend. So lässt sich zuerst vortrefflich darüber diskutieren, ob nicht endlich mal wieder neue Zahnbürsten fällig wären, die Frage kommt hier gern täglich. Danach geht’s in die Verhandlungen, wer denn die Zahnpasta auf die Bürsten verteilen darf. Wehe, ich melde hier Interesse oder gar Bedarf an. Das hätte gar keinen Sinn, die Kinder würden es eh nicht erlauben. Selbst ist der Nachwuchs. Und wenn ich nur wenig später vorsichtig nachfrage, wem ich endlich die Zähne nachputzen dürfte, fliegen mir die wohlpräparierten Zahnbürsten nur so entgegen. Wer am schnellsten ist, darf den Mund öffnen und wird bedient. Das ist Sport, das ist knallharter Wettkampf. Hier gibt es quasi zweimal am Tag Survivaltraining vom Feinsten.

Etwas seltener bekommen die Kinder die Haare gewaschen. “Na klar!” sagen Sie da? “Das Geschrei möchte man schließlich nicht hören!” fahren Sie fort? Nun ja. Geschrien wird hier auch. Protestiert ebenfalls. Aber beides vor allem dann, wenn der jeweils andere einfach vor einem dran kommt. Wer in der Badewanne sitzt und zuerst Schaum auf den Kopf bekommt, hat gewonnen. Ganz ehrlich: Ich habe mir das als Spiel nicht ausgedacht. Obwohl es eine ganz hervorragende Idee gewesen wäre. Aber die Kinder waren einfach schneller. Sie haben ihren Waschehrgeiz ganz von selbst entwickelt.

Erklären kann ich das alles nicht wirklich. Aber wenn ich ehrlich zu mir bin, kann es eigentlich nur an meinen ganz außergewöhnlichen Pflegefähigkeiten liegen. Was sollte denn sonst die Erklärung sein? Ich bin jetzt einfach mal ganz pragmatisch und biete den Service gern auch anderen Leidgeplagten an. Falls also irgendein Leser dort draußen Bedarf an Körperpflegediensten hat: einfach mal melden. Wir können da bestimmt etwas einrichten. Vielleicht sogar, ohne mit dem Po zu wackeln.

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Die Lieblingsbücher der Tochter

Eine Dame hat damit vorgelegt, die fünf Lieblingsbücher des Nachwuchses im Haus vorzustellen. Mitlerweile haben andere nachgezogen. Und wie das so ist mit den Massenphänomenen: Sie sind nicht immer totaler Unfug. Also haben wir hier: die fünf derzeitigen Lieblingsbücher der Tochter:

top_buecher_tochter

Mit den Begründungen ist das schon schwerer. Ich habe sie gefragt und sie hat bei jedem Buch gesagt: Ist meins! Dank fragendem Blick ergänzte sie immerhin: Ist gut! Die Tochter macht halt nicht immer viele Worte um alles. Selbst, wenn es ihr wichtig ist. Als moderner Mann von heute bin ich aber selbstverständlich auch eine Art Frauenversteher. Ich übersetze also:

Mein allererstes Buch der Zahlen: Es ist ein vollkommen textfreies Buch. Und man kann jede Seite zweimal umblättern: nämlich einmal oben für die Zahlen und einmal unten für Bilder mit der jeweils entsprechenden Anzahl von Obst. Wie großartig ist das denn? Da gibt es keinen Streit darum, wer gerade mit dem Umblättern dran ist. Die Tochter sagt einfach: Du machen! und sie sagt: Ich auch! und sie widerspricht sich dabei noch nicht einmal. Ein schönes Buch.

Sommer-Wimmelbuch: Wo ist eigentlich der fliegende Pinguin? – Allein für die Chance, diese Frage legitim stellen zu können, muss man dieses Buch lieben. Die Tochter macht’s und findet Pinguin, Katze, Mopedfahrer und die Feuerwehr ebenso zuverlässig wie die heiligen drei Kloschüsselträger aus dem Abendland. Denn ja: auch diese gibt es hier im Buch. Ein Traum.

Wer versteckt sich auf dem Bauernhof?: Katzencontent! Muss ich mehr sagen?

Die ganz besonders nette Strassenbahn: Ein Buch von James Krüss. Das haben wir von der Klassenfahrt nach Helgoland mitgebracht. Ein Buch, direkt von der Quelle also. Wer jetzt aber glaubt, dass die Tochter sich gern die wirklich wundervollen Reime vorlesen lässt, irrt gewaltig. Das ist pure Erwachsenenromantik. Nein, die Tochter liest selbst, ganz klar. Mit etwas Glück darf man zwischendurch einmal umblättern. Aber bitte nur auf Nachfrage.

Aschenputtel: Das Kontrastprogramm. Bunt. Pink. Für Mädchen? Ach was, der Sohn mochte das auch.

Aber um ihn geht’s hier gar nicht. Der Sohn kommt morgen dran.

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Rollenverteilung

Der moderne Mann von heute hat ein schweres Los. Auf der einen Seite darf er sich frei entfalten und endlich auch mal all jene Dinge machen, welche früher die Damen allein für sich beansprucht haben. Auf der anderen Seite soll er aber bitte weiterhin der starke Typ sein, der die männlichen Tugenden in Reinform und quasi in Gestalt einer elegant verfeinerten Reinkarnation von Conan, dem Barbaren repräsentiert. So sieht es dann aus: Die starken Männer halten den sinnlichen Damen den Rücken frei, dürfen aber zwischendurch immerhin nicht nur den Müll runter bringen, sondern auch mal Windeln wechseln oder Socken paarweise zusammenführen.

Theoretisch haben wir jetzt somit die perfekte Rollenverteilung gefunden, oder? Na, praktisch werfen wir doch mal einen Blick auf die Realität. In der sieht’s nämlich so aus, dass einem schon die Kinder zeigen, was der Stand der Dinge tatsächlich ist. Jeden Tag sagen sie es einem. Vielleicht unbewusst, aber doch deutlich. Zum Beispiel beim Schlafengehen.

Denn wer den Sohn ins Bett bringt und dabei weniger als 20 Küsschen von ihm bekommt, sollte ruhig mal ernsthaft in sich gehen und grübeln, was den ganzen Tag über so falsch gelaufen ist. Wer hingegen die Tochter ins Bett bringt und es schafft, ihr auch nur ein einziges Küsschen zu geben, ohne dass sie laut protestiert und losläuft, um nach Desinfektion für die geküsste Stelle zu suchen, sollte heilig gesprochen werden und sich umgehend um die Schaffung des Weltfriedens kümmern. Alles andere wäre Verschwendung.

Ich sag’s mal so: Die Frage mit dem sinnlicheren Geschlecht, die sollten wir noch mal ganz in Ruhe diskutieren, ja? Als moderner Mann von heute habe ich jedoch das vage Gefühl, dass wir mit der Anerkennung unserer wahren Stärken noch lange nicht am Ziel sind.