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Zertifizierte Glückseligkeit

Vor ein paar Wochen haben wir hier damit angefangen: mit einem online-Kurs über Glück bzw. Glückseligkeit bzw. was auch immer man hierzulande unter Happiness verstehen möchte. Und allein die Wortwahl zeigt: Das ist gar keine leichte Frage. Es kann sogar sehr schnell sehr kompliziert werden. Aber das macht ja nichts. Einfach ist schließlich langweilig. Und wer möchte sich schon gern über die Maßen langweilen? Eben. Das bringt ja wenig. Wenn es über das sinnvolle Maß hinausgeht, wie gesagt.

Hier im Haus langweilt sich kaum jemand. Hier sitzen wir stattdessen rum. Beispielsweise seit ein paar Wochen auf der Couch und haben den Rechner nicht zum Arbeiten auf dem Schoß, sondern zum Studieren. Wir schauen Vorlesungen in Bewegtbildern an, wie lesen Texte, mehr als sonst eh schon immer, wir checken wöchentlich mit unserem Happiness-Level ein und wir beantworten Prüfungsfragen. Es ist wie es klingt: ein großer Spaß.

Und jetzt ist er vorbei, der Spaß. Formal zumindest.

Happiness Certificate

In der Realität hört so ein Studium natürlich nie auf. Da geht es fortwährend weiter. Man lernt schließlich nie aus. Und mit dem Wissen über die hedonistische Adaption, mit dem regelmäßigen Überlegen von Threee Good Things und mit einem Auge auf die Dankbarkeit und einem auf die Achtsamkeit gerichtet: Was soll da noch schief gehen? Wenn man Oxytocin kennt und es der Vagel Tone es erst einmal in den aktiven Wortschatz geschafft hat, gegebenenfalls gar mit seinem viel eingängigeren deutschen Titel Respiratorische Sinusarrhythmie, dann, tja, hat man es quasi geschafft. Dann kann das Glück kommen. Wir sind vorbereitet.

Jetzt brauche ich nur noch neue Ausreden, um ganz ordinär ehrlich schlecht gelaunt durch den Alltag zu laufen. Aber wie war das? Irgendwas ist ja immer.

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Freiwillige Strafarbeit

Die Zeit schreitet mal wieder voran, verrückt ist das. So sind wir aktuell zum Beispiel in der Phase angekommen, dass der Sohn schon voller Stolz mit einem Schulranzen herumläuft. Bisher nur zu Hause, versteht sich. Aber irgendwann im Verlauf des Jahres gibt sich das wohl noch. Dann kommt er in die Schule. Und zack, beginnt der Ernst des Lebens. So heißt es doch. Oder sagt man das heute gar nicht mehr?

Na, auf jeden Fall ist dann Schluss mit lustig. Dann wird nicht mehr planlos herumgespielt. Dann gibt es nur noch knallharte Arbeit. Dann wird nur noch gelernt und zwischendurch zur Entspannung vielleicht mal Hausaufgaben gemacht. So wird das hier nämlich laufen.

Glaube ich.

Vorerst jedoch kam der Sohn kürzlich morgens aus seinem Zimmer ins Bad getorkelt, fuchtelt wild mit einem Blatt Papier in der Luft herum und bittet darum, es vorgelesen zu bekommen. Nachdrücklich.

Mit der Zahnbürste in der Hand und nur marginal offenen Augen gucke ich ihn fragend an. Er wiederholt sich, bittet um’s Vorlesen, das Blatt zittert förmlich in seiner Hand. Ich nehme es mal in meine und wir nutzen die Gunst seiner noch schlafenden Schwester, um es uns auf den noch freien Höckerchen im Bad bequem zu machen und endlich einen Blick auf sein Blatt zu werfen. Da steht tatsächlich etwas drauf. Und die Handschrift ist unverkennbar die des Sohnes. Ich bin plötzlich wach und lese es ihm vor. Der Text kommt mir bekannt vor. Das sage ich auch so.

Es ist der erste Satz aus einem Pixieheft, sagt der Sohn. Den hat er jetzt einfach mal abgeschrieben. Mit dem ersten Satz anzufangen, erscheint ihm sinnvoll. Wenn das so in Ordnung ist, kann er ihn ja noch 100 Mal wiederholen. Sagt der Sohn, wohlgemerkt.

Seit dem Tag habe ich hier im Haus keine Chance mehr. Egal, für wann ich mir den Wecker stelle: der Sohn ist schon wach und sitzt an seinem Schreibtisch. Er hat schließlich ein Buch zu schreiben.

So sieht der Ernst des Lebens also wirklich aus: vorgeführt vom Sohn zieht er mit ernster Mine die eigenen Ambitionen ins Lächerliche. Bücher kann man schließlich schreiben bevor der Rest der Familie wach geworden ist. Oder gar den ersten Kaffee bekommen hat. Zusätzlich darf ich mir auch schon mal neue Strafarbeiten ausdenken zum knallharten Durchsetzen meines pädagogisch wertvollen elterlichen Willens für die Zeit, in der er tatsächlich mal zur Schule geht.

Der eigene Nachwuchs: was für ein Spielverderber.