Kategorien
essen

Alles Obst auf den Tisch, am besten ganz frisch.

Obst ist gesund. Obst kommt auf den Tisch, am besten ganz frisch. Es kommt aus der Gegend, ist quasi noch lebend. Frisch vom Acker geschnitten, lassen wir uns nicht bitten.

Die Saison ist eröffnet. Der Tisch ist gedeckt. Das Frischobst in der Schale, der Rhabarber auf der Wage. Dann kommt er in den Topf, wird zu feinem Kompott. Alles Obst auf den Tisch, am besten ganz frisch!

So erzähle ich es auch dem Sohn: «Das Obst ist gut, also hab‘ nur Mut.» Und ich möcht‘ nicht nur reden. Nein. Er soll es auch sehen. Mein Löffel verschwindet, der Rhabarber sich windet. Löffel wieder raus, es ist ein feiner Schmaus.

Nur der Sohn, der schaut. Dem Segen nicht traut. Skeptisch ist sein Blick, ich sag‘: «Komm, such den Kick!» Da er noch nicht zuckt, reim‘ ich wie verrückt: «Rhabarberkompott und der Sommer kommt flott.»

Darauf lässt er sich nicht bitten, lässt fallen alle Sitten. Probiert das Kompott sofort, gleich an Stelle und Ort. Nimmt sich Nachschlag dazu, verschlingt auch diesen im Nu. Strahlt mich an ohne Reue und spricht mit Bauernschläue: «Sauer macht lustig!»

So einfach kann’s gehen.

Kategorien
essen

Häppchenweise

Sich die Erziehungssitten anderer Familien anzugucken, ist zwar interessant und unterhaltsam, hat meist aber wenig Sinn. Zu ungewöhnlich ist das, was die anderen machen. Zu schnell wirkt es vollkommen absurd und scheint jedweder auch nur halbwegs schlüssigen Logik zu entbehren. Dabei ist es recht unerheblich, worum es konkret gerade geht. Schlafen gehen und Wege zum Durchschlafen, Laufen lernen, Zähne bekommen, Musikinstrumente beherrschen, Reiten können, Autos fahren, am Tisch sitzend auch wirklich etwas essen: auf den ersten Blick sind es alles Banalitäten, nicht der Rede wert, ganz klar zu handhaben. Wenn nicht Die Anderen dabei trotzdem immer alles falsch machen würden. Manchmal überkommt einen das Gefühl, mit seinen Ansichten und familiären Gepflogenheiten ganz allein dazustehen.

Nur beim Essen, da gab es kürzlich eine Ausnahme: »Ein Happen für den Sohn« – hieß es, »ein Happen für den Papa« – folgte darauf. »Ein Happen für den Sohn, ein Happen für die Mama.« So geht es hin und her zwischen allen, die am Tisch sitzen und allem, was auf dem Tisch so vorzufinden ist: Kiwis, kleine Salamihäppchen, Stücke von belegten Broten, Oliven, Kirschtomaten. Ein Happen für den Sohn, ein Happen für die Mama, ein Happen für den Sohn, ein Happen für den Papa.

Alles ganz normal. Dieses Spiel gibt’s schon seit langem und dieses Spiel gibt’s auch heute noch in vielen Familien. Hier herrscht noch Einigkeit. Essen ist etwas elementares, da hört die Individualität auf. Da sind die Erziehungsmethoden alle eng beieinander. Ich finde das beruhigend.

Nur dass wir dieses Spiel nicht etwa spielen, um den Sohn zum Essen zu motivieren, sondern um auch selbst ein paar der aufgetischten Leckereien abzubekommen. Und nicht bei allen lediglich zuzusehen, wie sie im Sohn verschwinden.

Vielleicht werfe ich doch noch einmal einen Blick auf die Erziehungssitten anderer Leute. Möglicherweise springt etwas Nachtisch für mich dabei heraus.

Kategorien
essen moderner mann

Chance vertan

Es klingelt. Am Festnetzanschluss. Was nur sehr selten passiert. Entsprechend zögerlich nehme ich den Hörer ab. Und werde von einer charmanten Frauenstimme begrüßt. Die Dame des Hauses ist es nicht. Sie ist nämlich ebenfalls zu Hause und würde mich im Zweifelsfall auch eher auf dem Funkgerät anrufen. Also bin ich stutzig und gucke mich nach dem Sohn um. Vielleicht hat er sich ein neues Spiel ausgedacht und lauert jetzt hinter der nächsten Ecke um zu gucken, wie es läuft. Aber nein: er steht direkt neben mir und guckt momentan ebenfalls leicht verwundert auf den Telefonapparat. Während dessen stellt die Frau mit der charmanten Stimme sich vor. Was weder der Sohn noch ich verstehen, da wir zu intensiv mit verwunderten Blicken beschäftigt sind.

Charmante Frauenstimme: Ich bin von Infratest und würde Ihnen gern ein paar Fragen zum Thema Reisen stellen.

Zuhören lohnt sich! Entweder ist das tatsächlich ein Spiel fremder Kinder. Oder es stimmt, was die Dame gerade gesagt hat. Das wäre ja ein Traum. Ich könnte meine Stimme in ein Umfrageergebnis bekommen. Auch und gerade als moderner Mann von heute möchte ich Einfluss nehmen. Meine Meinung kund tun. Das wollte ich schon immer. Wie oft habe ich schon gedacht, dass diese Umfragen nur erfunden seien. Genauso wie der Mythos des Staubsaugervertreters. Wobei letzterer vor einiger Zeit tatsächlich bei uns an der Tür geklingelt hat. Ich ihn allerdings aus einem spontanen Reflex heraus für einen GEZ-Spion gehalten und somit aus Prinzip gleich wieder verjagt statt auf einen Kaffee eingeladen habe. Das passiert mir nicht noch einmal. Dieses Mal klingelt es nicht nur an der Tür sondern aus dem Telefon und ich werde meine Chance nutzen. Die Chance, der Welt mitzuteilen, was ich denke. Ich, als Teil des Volkes. Ich werde gleich meine Stimme erheben und Großes verkünden. Ich werde dieses Umfrageergebnis beeinflussen. Ich werde die Leute nicht nur stutzig machen mit meinen Antworten, nein, ich werde sie nachdenklich stimmen. Ihre eigene Meinung zum Thema herausfordern. Ich werde meinen Teil dazu beisteuern, dass sich die Welt verändert und ein besserer Platz wird.

Charmante Frauenstimme: Passt es denn gerade bei Ihnen?

Ja klar! – antworte ich.

Dabei bleibt es aber auch. Denn der Sohn marschiert mit zwei souveränen Schritten zum Telefon, langt kurz zu und trennt zielsicher die Verbindung.

Chance vertan, denke ich.

Zeit zum Abendessen, meint er.

Seine Welt ist noch auf solidem Fundament gebaut. Und von Luftschlössern ist noch niemand satt geworden.

Kategorien
essen

Der Placebo-Effekt

Halbe Sachen sind nichts für den kleinen Mann. Wenn er etwas neues lernt, dann bleibt er so lange dabei, bis er es in all seinen Schattierungen durchschaut und verinnerlicht hat. Das gilt nicht nur für die rein luxuriösen Hobbys in seinem Leben, sondern auch für die einfachen und essentiellen Dinge. Wie Essen und Trinken.

So gehört zum Trinken zum Beispiel nicht nur, die Flüssigkeitsmassen in sich hinein zu schütten. Das wäre schließlich nur die halbe Sache. Rund wird Trinken erst in Gesellschaft, wenn man die Krüge aneinander stößt, dann jeweils ansetzt, senkrecht nach oben kippt, möglichst auf Ex austrinkt und abschließend einen zufriedenen Erfrischungsseufzer ausstößt.

Mit dem Essen verhält es sich ganz ähnlich, wenn auch weniger interaktiv. Die Speisen sind (hoffentlich) wohl ausgesucht, der kulinarische Genuss wird zelebriert und die Nahrung dabei natürlich nicht einfach nur planlos heruntergeschlungen. Statt dessen setzt sich der Sohn mit seinem Essen auseinander, manchmal nimmt er es auch auseinander, steckt’s dann aber doch in den Mund und kaut vorbildlich darauf herum, bevor er es herunter schluckt. Das macht er nicht für jeden Happen 32 Mal. Aber groben Schätzungen nach doch im Durchschnitt etwa einmal pro Zahn. So soll es sein.

Interessanterweise klappt beides auch ohne wirkliche Nahrungsaufnahme. Selbst wenn der Sohn einmal aus einem leeren Becher trinkt, stößt er mit ihm an, kippt ihn senkrecht nach oben und zelebriert seinen Erfrischungsseufzer. Und auch die Nudel, welche auf dem Weg vom Teller zum Mund einfach vom Löffel gesprungen ist, kaut er durch. Gründlich, einmal pro Zahn. Denn halbe Sachen sind nichts für den kleinen Mann und eine gepflegte Nahrungsaufnahme liegt ihm sehr am Herzen.

Wenn Speis und Trank sich dabei nicht an die Spielregeln halten, ist das ja nicht seine Schuld.

Kategorien
bücher essen

Nachtisch

Der kleine Mann hat zu vielen Themen eine Meinung. Eine ganz klare. Und die äußert er natürlich auch. Zum einen verbal. Aber wenn er meint, dass das Verständnis des Gegenübers hierbei zu wünschen übrig lässt, dann zum anderen auch gern auf weiteren Wegen.

Wenn er zum Beispiel deutlich auf den Tisch haut, sobald die Eltern daran zum Essen bereit sitzen, hierbei ganz klar die Zielsicherheit der eigenen Hände beim Zugreifen an allen möglichen Lebensmitteln und Esswerkzeugen trainiert, wenn er jeden Happen der Eltern auf dem Weg vom Teller zum Mund mit großen Augen verfolgt und beim Kauen selbst emsiger dabei ist als die Essenden selbst, dann ist das alles ein deutliches Zeichen, dass der kleine Mann in dieses Familienritual mit einbezogen werden möchte.

Da wir dem Sohn die Wünsche nicht nur von den Augen sondern auch vom Mund ablesen, fangen wir natürlich gern mit dem an, was der gemeine Volksmund leger als Beikost bezeichnet. Was ein sehr harmloses Wort für eine sehr große Veränderung im Ernährungsverhalten des kleinen Mannes darstellt. Bedeutet es doch nicht weniger als den Sprung von der ausschließlichen Versorgung mit maßgefertigter Flüssignahrung aus der Mutterbrust hin zu der vollen Bandbreite dessen, was die Natur sonst noch so zu bieten hat.

Buch 'Babyernährung gesund & richtig' Nun sagt die einschlägige Literatur, dass der Wechsel hin zu einer ausgewogenen und sehr vielseitigen Ernährung nur in kleinen Schritten erfolgen soll. So machen es die fehlenden Zähne schwierig, ganze Pastinaken am Stück weg zu mampfen. Ergo gibt es selbige erst einmal im Äquivalent der vorgekauten Konsistenz, also aus dem Glas. Schön erwärmt und mit dem Löffel verabreicht, wenn auch viel zu langsam für den kleinen Gourmet.

Gemäß der Literatur soll sich aber auch die Vielseitigkeit der nichtflüssigen Ernährung nur sehr langsam aufbauen. Pastinaken? Sind in Ordnung. Aber zumindest für die erste Woche bitte auch exklusiv. In Woche zwei können dann gern Knollen aus der Erde dazukommen. Aber bitte immer schön eines nach dem anderen. Und bitte immer erst einmal eine Woche lang gucken, wie es mit der Akzeptanz beim Essenden so läuft.

Nun hat er aber eben seine eigene Meinung. Wenn ich ihn direkt nach dieser frage, bekomme ich nur eines als Antwort: Das geht hier alles viel zu langsam. Die Zeichen setzt er ganz klar: Der Brei der ersten Woche war ein netter Anfang. Als nächstes gibt’s doch bitte Apfelkuchen, dazu Kaffee mit Milch aus dem Glas. Und zum Nachtisch ein leckeres Butterbrot.