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Eine Wertetüte mit vier Fragen

Das Leben als Eltern wird tatsächlich nie langweilig. Es kommen Überraschungen und Wendungen auf einen zu, mit denen man in der Form nicht unbedingt gerechnet hätte. So geht der Sohn zum Beispiel zur Schule und lernt dort tatsächlich Lesen. Super Sache? Nun, es kommt darauf an.

Die Unbeschwertheit am Frühstückstisch zum Beispiel, sie ist dahin. Früher konnten wir uns da ungestört anschweigen und in Ruhe den Kaffee schlürfen sowie im Müsli herumstochern. Heute sitzen zwei Kinder mit am Tisch, von denen eines alle Beschriftungen laut vorliest und kommentiert, die es auf dem Tisch finden kann. Die kleine Schwester sucht obendrein ihre eigenen Namensbuchstaben überall heraus und feiert jeden Fund. Das ist nicht immer leicht, so viel sei verraten.

Besonders trickreich ist vor allem, dass es nicht beim bloßen Vorlesen bleibt. Auf einmal sitzen die Kinder nicht nur mit am Tisch, auf einmal kommentieren sie auch die Essensauswahl. Auf eine vollkommen neue Art und Weise. So möchten wir doch bitte endlich mal wieder etwas anderes einkaufen als immer nur Sachen, auf denen Alnatura drauf steht. Das sei ja wohl total langweilig, immer nur das gleiche lesen zu können. Der Sohn bittet sich etwas mehr Auswahl aus. So kann es seiner Meinung nach mit dem Essen nicht weitergehen.

Dabei ist es keineswegs so, dass wir hier im Haus nur feinste Bioware verzehren. Bei Milch und Müsli ist es hingegen derzeit durchaus so. Das hat allerdings weniger mit dem Biofaktor zu tun als mit dem Umstand, dass Milch in erster Linie einen feinen Milchschaum für den Kaffee darbieten muss. Das können erstaunlich wenige, die von Alnatura hingegen durchaus. Dass sie obendrein nicht ESL-verdorben ist, gibt Bonuspunkte.

Nach ganz ähnlichen Kriterien verläuft hier auch die restliche Wahl der Lebensmittel. Wichtig ist, was lecker ist. So gehört sich das doch auch, oder? Kann man überhaupt anderer Meinung sein?

Man kann. Das ist hier schließlich ein freies Land. Und das ist auch hochgradig interessant. Also, das mit den Meinungen. Darum: ruhig her damit! Sinnigerweise aber bitte nicht hier in den Kommentaren. Denn mal ganz ehrlich: Das mit den Kommentaren in diesem Internet, das ist doch wirklich reichlich überbewertet. Zumindest in profanen Themenmix-Blogs. Da gibt es viel sinnvollere Portale, viel schönere Orte, um konzentriert die Kontroversen zu Themen jeder Art bündeln zu können.

Die Wertetüte zum Beispiel. Bei dieser heißt es:

Wir haben uns vier Fragen zum Thema Wertigkeit von Lebensmitteln ausgedacht. Bitte einfach beantworten.

Astrein. Besser geht’s kaum. Vier Fragen sind schaffbar. Die Antworten sind frei wählbar. Und je mehr mitmachen, desto interessanter wird der Mix der Antworten.

Nur zu. Es muss ja nicht beim Frühstück sein.

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Gemisch von vielen Sorten Gemüse

Der Sohn wird langsam erwachsen. Man merkt es nicht nur daran, dass er dieses Jahr in die Schule kommt. Man merkt es auch an seinen Umgangsformen. Sie werden wirklich immer geschliffener. Da wirkt nicht mehr nur kindliche Naivität und Direktheit. Man merkt jetzt, wie er immer professioneller versucht, taktisch zu agieren und strategisch geschickt Fäden im Hintergrund zu ziehen, die später ihre vordergründige Wirkung entfalten können.

So wird zum Beispiel seine Kritik immer subtiler. Anfangs hat er sich noch im Fall einer Meinungsverschiedenheit mit uns Eltern einfach mehr oder weniger schreiend auf den Boden geworfen, bis wir in irgendeiner Form reagiert haben. Das passiert heute seltener. Heute bleibt er lieber gelassen auf seinem Stuhl sitzen. Das ist besser als sich auf dem Boden zu wälzen. So kann er zum Beispiel während seines gleich einsetzenden Protests noch locker seinen selbst gemixten Cocktail durch den Strohhalm schlürfen. Ergänzt wird diese erhabene Eleganz durch seine Wahl dessen, was er kritisiert. Als Baby und Kleinkind sind das ja eher momentane Anlässe. Da geht’s noch um das, was einen gerade umgibt und das, was im aktuellen Moment besonders auffällig ist. Mal ist es das Gummibärchen, welches man nicht essen darf. Ein anderes Mal ist es das falsche Paar Socken, welches man anziehen soll. Das sind Ungerechtigkeiten, auf die man spontan reagieren muss. Da hilft auch kein gelassen eingestreuter Kommentar. So etwas verstehen Eltern nicht, das nehmen sie nicht angemessen ernst genug. Da hilft nicht viel mehr, als sich adäquat auf den Boden zu werfen und panisch strampelnd ein wenig herumzuschreien.

Ganz anders sieht die Lage für sechsjährige Vorschüler aus. Natürlich brauchen auch diese ihre Gummibärchen noch. Und natürlich ziehen auch diese nicht jedes beliebige Paar Socken an. Aber wenn man es clever anstellt, dann hat man mit sechs quasi ausgesorgt. Die Süßigkeiten gibt es aus der eigenen Vorratskamer. Und die Klamotten für den Tag wählt man sich natürlich eh selbst aus. Wenn man das ein paarmal ganz vernünftig macht, werden Eltern für diese Entlastung im Stress der Morgenroutine dankbar und gewähren einem die Freiheit gern. Was dann mit dieser passiert, darüber schweigen wir uns an dieser Stelle wohl lieber aus.

Zumal es ganz andere Themen gibt. Größere Themen. Themen, bei denen man auch als Kind in der Familie aufpassen muss, dass man nicht zu kurz kommt. Die Wahl des korrekten Abendessens zum Beispiel. Das kann man nicht den Eltern überlassen. Es ist unverantwortlich, was dabei herauskommt. Wenn’s nach mir ginge, gäb’s zum Beispiel immer etwas mit Brot. Helles Brot, dunkles Brot, Vollkornbrot, Dinkelbrot, Mischbrot, Kartoffelbrot, Zwiebelbrot, Brot mit Kümmel, Brot als Baguette, Ciabatta, Brot als Kringel, Brot als Ball, Brot als langgezogene Pyramide – Brot geht immer. Man kann es obendrein auch noch hervorragend kombinieren. Frisches Brot mit Butter geht ja immer. Oder es kommt Frischkäse darauf. Oder Schwarzwaldcreme. Oder Pesto. Oder Guacamole. Oder Tomaten. Oder kleingeschnittene Tomaten als Bruschetta. Ergänzend spießt man sich Oliven auf und isst sie dazu. Oder, als bekennender Flexitarier gebe ich das unumwunden zu, man dreht sich kleine Schinkenröllchen. Oder man spielt etwas mit Käse herum. Davon gibt es sehr viele verschiedene Sorten. Das wird alles nicht langweilig. Da geht sehr viel. Brot zum Abendessen: das ist generell etwas ganz Feines.

Der Meinung ist der Sohn jedoch überhaupt gar nicht. Er findet Brot zum Abendessen eher, nun, gar nicht so toll. Er weiß aber, dass ich für unqualifiziertes Herumjammern über das Essen nicht sonderlich empfänglich bin. Also sitzt er, wie gesagt, ganz ruhig da, schlürft an seinem Glas herum und sagt mir in einem wohl lange trainierten aber komplett desinteressiert klingenden Tonfall, dass er eine sehr großartige Idee für ein neues Rezept hat. Es hört auf den unscheinbaren Namen Gemisch von vielen Sorten Gemüse und man braucht dafür lediglich:

  • Tomaten
  • Milch
  • Reis
  • Erbsen
  • Das alles wird kurz vermischt und kommt in den Kühlschrank. Für eine ganze Minute. Wenn man es eilig hat, reicht auch eine halbe. Danach kommt alles ganz schnell in den Backofen. Aber bitte nur für 1 Minute länger als es im Kühlschrank war. Et voilà.

    Das Rezept ist in seiner Schlichtheit wirklich bestechend. Da kann man gar nicht viel falsch machen. Die Botschaft des Sohnes ist ganz klar: das sollten wir ganz schnell mal probieren. Dann gibt es endlich etwas Vernünftiges zu Essen in diesem Haus. Noch viel deutlicher kann er es ja nun wirklich nicht mehr sagen. Man sieht’s ihm auch förmlich an: Es war ihm ein Bedürfnis. Es lag ihm sehr am Herzen, die Botschaft endlich mal klar rüber zu bringen und seine Kritik am Einheitsfraß mit Brot endlich mal dezent loszuwerden.

    Ich verstehe ihn, so ist’s ja nicht. Und am besten schlage ich ihm vor, zu seinem tiefgefrorenen Gemüseauflauf ein frisches Baguette zu servieren. Ich glaube, das passt ganz gut.

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Knieper

Früher war mehr Hummer. Da machen wir uns mal nichts vor. Das letzte Mal Hummerschlemmen: wie lange ist das wohl her? Na? Jetzt komme mir niemand mit “Letzte Woche. Heute ist schließlich erst Montag.” Das glaube ich Euch eh nicht. Und das liegt ausnahmsweise nicht nur an meiner zweifelnden Ignoranz. Sondern ganz schlicht an den knallharten Fakten.

Früher gab’s nämlich tatsächlich mehr Hummer. Zumindest in den uns nahegelegenen Krebswohngegenden. Rund um Helgoland zum Beispiel. Die Insel war quasi von Hummern umzingelt. Belagerung nennt man das wohl. Passenderweise war’s der zweite Weltkrieg, der dem Treiben ein Ende gesetzt hat. Der Legende nach wurde der Krebsfang während dieser Zeit glatt für eine Weile ausgesetzt. Das muss man sich mal vorstellen: Da ziehen Leute lieber durch die Gegend und hauen sich gegenseitig die Köpfe platt, anstatt solide ins Wasser zu tauchen und Krebse an Land zu ziehen. Zeiten gibt’s, die muss man nicht verstehen. Diesen Unsinn haben viele dann auch eingesehen und mit dem Köpfeplatthauen schlicht aufgehört. Es hat dann glatt noch einmal ein paar Jahre gedauert, bis wieder jemandem eingefallen ist, was man statt dessen sinniges machen kann. Und, zack, ging er ins Wasser – Nachgucken, was die Krebse machen.

Das Ergebnis war wohl bitter. Sagt die Legende. Denn, ich traue mich kaum, es so zu sagen: Früher war mehr Hummer.

Alle weg.

Statt dessen wimmelt es auf einmal nur so von Taschenkrebsen. Hummer? Taschenkrebse! Man könnte das jetzt anprangern. Aber das führt ja zu nichts. Den gemeinen Krebs zumindest lässt das herzlich kalt. Der ändert deswegen zumindest nicht seine Wohngegend. Besser ist’s, man arrangiert sich. Und holt sich eben die Taschenkrebse an Land. Die haben schließlich auch ihre feinen Seiten. Die Scheren zum Beispiel. Auch Knieper genannt; zumindest bei denen, die fit genug in Halunder sind. Und wer würde schon freiwillig zugeben, das nicht zu sein? Eben.

knieper_vorher Knacken wir eben diese. Wichtig ist, es mit Stil zu tun. Was keineswegs immer leicht ist. Denn gucken wir doch mal genau hin: Die Scheren sind mit einer soliden Schale versehen und es liegt ein Hammer daneben. Man kann sich denken, was diese Kombination bedeutet. Mit Eleganz und Stil hat das gemeinhin eher wenig zu tun. Aber es macht wahnsinnig Spaß. Und wann kann man das schon mal von seinem Essen sagen? Viel zu selten, korrekt. Also greifen wir zum Hammer und klopfen erst vorsichtig, dann jedoch mit dem angemessenen Schmackes bei den Kniepern an.

knieper_danach Relativ fix hat man den Dreh raus. Dann reicht ein solider Hieb mit dem Hammer auf die korrekt anvisierte Schwachstelle des Panzers und selbiger ist zertrümmert. Da sind auch die Kinder schnell dabei. Trauen Sie sich ruhig. Geben Sie den Hammer einfach mal aus der Hand. Der Nachwuchs macht das dann schon und schlägt einfach zu. Passen Sie jedoch auf, ihnen den Hammer danach wieder wegzunehmen und geben Sie den Kleinen noch den Tipp mit auf den Weg, dass der Trick bei Nudelgerichten nicht so gut funktioniert. Man möchte schließlich seinem Erziehungsauftrag gerecht werden, so ist’s ja nicht.

Das, was nach dem Zertrümmern und dem Auflesen der Schalenrestteile übrig bleibt, ist übrigens erstaunlich genießbar. Das ist Seafood vom Feinsten. Ganz ohne knorpelige Extravaganzen. Man kann’s einfach essen. Es ist kein Verbrechen, das ebenfalls gereichte Brot trotzdem zu verspeisen. Das passt durchaus. Nur wozu die zwei Alibi-Salatblättchen gedacht sind, das hat sich mir nicht erschlossen. Aber auf hoher See und beim Essen: Da dürfen ruhig ein paar Fragen ungeklärt bleiben.

Das große Dilemma an dem ganzen Spaß ist übrigens ein ganz anderes: Man frönt ihm am Besten direkt auf Helgoland, bei Rickmers zum Beispiel. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll das Scherenkrachen demnächst auf das Hamburger Festland exportiert werden. Da kann es sich eigentlich nur noch um Jahrzehnte handeln, bis wir auch direkt in den Südstaaten in diesen Genuss kommen. Wir sind hier schließlich eine prima Küstengegend, wenn auch südlich der Elbe.

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Aufschneiderei

Jetzt ist mal Schluss mit den ganzen Geschichten. Jetzt kommen wir zu den wirklich wichtigen Sachen. Jetzt wird es ernst. Denn ich verrate Ihnen mal eins: Nur wenige Menschen haben das Glück, einen Baumkuchen geschenkt zu bekommen. Einen echten, einen aus Salzwedel.

Bei jenen, die das mit dem Glück geschickt organisieren und somit einen solchen Kuchen besitzen, sieht es vielleicht so aus:

Baumkuchen: vorher.

Und jetzt verrate ich Ihnen gleich noch etwas: Solches Glück sollte man nicht einfach wegwerfen. Sondern man sollte es korrekt aufschneiden. So sieht das nämlich aus: Ein korrekter Baumkuchen gehört korrekt aufgeschnitten. Also malträtieren Sie das gute Stück bitte auf gar keinen Fall durch senkrechte Schnitte oder ähnlichen Unfug. Sondern schneiden Sie sorgfältig und mit einem scharfen Messer ordentliche Kerben aus dem Baum:

Baumkuchen: aufgeschnitten.

Alles andere fällt unter amateurhafter Stümperei. Wer sich dieser hingibt, wird vom Glück verlassen, von Freunden verleugnet, von Verwandten enterbt und bekommt nie wieder was. Außer vielleicht den Restekrümeln:

Baumkuchen: aufgegessen.

Gut, dass wir das mal geklärt haben. Glück gehabt.

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Rechenschieber

Eine Familie zu haben heißt, einen geregelten Tagesablauf zu haben. Das geht früh am Morgen schon los. Nach der täglichen Rangelei im Bad sitzen wir relativ zügig am Frühstückstisch. Die Tochter trinkt Milch, der Sohn und ich: wir essen Müsli. Es ist wirklich jeden Tag das Gleiche. Da steckt so viel Routine drin, es könnte glatt langweilig werden.

Das sieht der Sohn wohl ähnlich so und zählt beim Essen erst einmal das Obst auf dem Tisch durch. Ein paar Äpfel liegen da vor ihm herum. Der Sohn stellt fest: Papa, das sind ja acht Äpfel!

Ich: Stimmt. Ist das etwas Gutes?

Sohn: Ja! Guck mal Papa: Ich werde doch bald fünf und die Schwester wird drei. Er zählt noch einmal und bestätigt sich selbst: Acht Äpfel! Passend schiebt er sich das Obst dabei zurecht:

5+3 Äpfel

Die Rechnung geht auf. Wir zählen gemeinsam noch ein paar Mal durch. Sicher ist sicher. Er ist bald fünf, die Schwester wird irgendwann drei. Passt alles.

Sohn: Aber jetzt bin ich noch vier, ja?

Ich: Korrekt.

Also schiebt er noch ein wenig herum:

4+4 Äpfel

Tja, jetzt stimmt’s für ihn. Aber für die Tochter nicht mehr. Also: gar nicht mehr. Das aktuelle Alter kommt nicht hin und nach dem nächsten Geburtstag wird’s immer noch nicht zu den Äpfeln passen. Der gesamte Nachwuchs guckt erst mal ganz betreten. Ich wechsle das Thema. Einer muss schließlich aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt. Ich trage hier Verantwortung. Die Routine am Morgen darf nicht gestört werden. Wir wollen schließlich friedlich zu Ende frühstücken, die Basis für den Tag legen, routiniert die Energie tanken, von der wir in den nächsten Stunden zehren werden. Da kann nicht einfach ein unglücklich liegender Apfel alles kaputt machen. Nicht so lange ich meine Füße zu denen der Kinder unter den Tisch stelle. Oder so.

Nachdem wir Jungs alles Müsli weggelöffelt und die Tochter ihren Milchtrog geleert hat, räumen wir ab. Wie jeden Morgen. Routine und so. Nur eines ist anders heute: Kurz bevor wir aus der Küche traben, dreht sich die Tochter noch einmal um, geht zum Tisch, stellt sich auf ihre Zehenspitzen und greift sich einen Apfel. Sie beißt einmal kurz rein und legt ihn dann auf den Tisch, jedoch nicht zu den anderen. Sie guckt den Sohn und mich kurz an, nickt anerkennend ob ihrer cleveren Idee und stiefelt davon. Der Sohn dreht sich um, guckt auf den Tisch und stellt fest: Jetzt stimmt’s wieder besser.

Und jetzt mal ehrlich: Wer von uns Oberchecker-Erwachsenen kann heute noch intuitiv mit einem Rechenschieber umgehen? Eben – die Jugend hat uns selbst bei der Technik von gestern schon routiniert etwas voraus.