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Duschen oder Badewanne? Egal, es ist eh nur eine Phase.

Eines lernt man im Leben mit Kindern ganz schnell: Es verläuft in Phasen.

Was so banal klingt, ist in Wirklichkeit eine große Hilfe beim Kämpfen durch die Hürden des Alltags. Denn wir mal ganz ehrlich sind, gibt es eben nicht nur schöne Momente im Familienleben. Es gibt auch noch bessere. Zum Glück lassen sich jene, mit denen man manchmal etwas hadert respektabel häufig dadurch erklären, dass das entsprechende Kind gerade eine Phase durchmacht. Dieses verwunderliche Verhalten, dass man da erlebt: Es ist nur vorübergehend, es ist eben nur eine Phase, es hört bald wieder auf. Das ist beruhigend. Auch wenn bei genauer Betrachtung diese Phasen hübsch ineinander übergehen und sich dabei leicht überlappen. Aber halten wir uns nicht mit Details auf. Sie irritieren nur.

Wie gesagt: Die Erkenntnis der Phasen hilft im Alltag. So wundere ich mich zum Beispiel nur noch wenig, wenn genau jene Kinder, die bis gestern leidenschaftlich gern in die heimische Badewanne gestiegen sind, dieses Baden auf einmal vollkommen ablehnen und statt dessen nur noch die Dusche als Ort der Reinigung akzeptieren. Duschen ist was für die Großen, Baden für kleine Babies, erklären sie mir. Aha, sage ich. Soso, denke ich.

Und probiere das mit dem Baden glatt selbst mal wieder für eine Weile aus. Wenn die Kinder es ablehnen, kann’s so schlecht schließlich nicht sein. Außerdem hat der großartige Badespaßpreisberechnungsexperte Sven kürzlich folgendes verkündet:

Großartig! Das ist ja fast wie Geld verdienen. Also schließe ich vorerst meine abendlichen nächtlichen Laufrunden nicht mehr mit einer schnellen Dusche ab, um mich dann wieder an den Schreibtisch zu setzen, sondern entspanne erst einmal in der Badewanne und lasse am Schreibtisch nur noch meinen Kopf müde auf die Tastatur fallen. Es ist wundervoll. Und es ist nicht nur geschenkt, sondern quasi fast beinahe auch bezahlt. Besser könnt’s kaum sein. Außer natürlich, der gerade erwähnte Experte würde nicht die folgende Erkenntnis hinterherschieben:

Oller Spielverderber.

Aber ich ziehe das mit dem Baden jetzt trotzdem noch eine Weile durch. Irgendwann hört es ganz sicher eh von selbst wieder auf. Wer also meint, dass die Sache mit den Phasen irgendwann mal wieder aufhört, dem sei versichert: Keineswegs, sie lassen sich auch im hohen Alter noch ganz wundervoll kultivieren.

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Wunschlos glücklich

Herbstzeit ist Kuschelzeit. Da es jetzt draußen quasi ganztägig stockdunkel ist, rücken wir drinnen näher zusammen und machen uns erstmal ein paar Kerzen an. Das bringt nicht nur Licht, das bringt auch Gemütlichkeit und etwas Training für den Weihnachtsbaum. Machen wir uns mal nichts vor: Die Zeit ist reif. Es ist wieder Saison. Die Einen zählen die Tage bis zum Fest. Andere arbeiten genussvoll an ihrem Winterkörper. Und ein paar üben das möglichst beiläufige Ausblasen von Kerzen, ohne dabei übermäßig dramatische Kollateralschäden zu verursachen. Die Kinder zum Beispiel.

Sie sind fleißig bei der Sache. Es gibt kaum eine Mahlzeit, bei der sie nicht peinlich genau darauf achten, dass zusätzlich zum möglichst stilvoll gedeckten Tisch auch wenigstens zwei Kerzen bereitgestellt und angezündet werden. Wer glaubt, dass damit das herbstliche Stimmungsgefüge ins rechte Licht gerückt werden soll, irrt natürlich gewaltig. Nein, es geht um Größeres. Es geht um zwei Sachen. Klarerweise als Erstes natürlich um die Frage, wer hier welche Kerze endlich wieder auspusten darf. Und als Zweites geht es absolut beiläufig darum, auf dem Weg dorthin die Toleranz und Belastungsfähigkeit der anwesenden Erziehungsberechtigten zu testen, indem sämtliche Warenbewegungsmanöver rund um die Nahrungsaufnahme so arrangiert werden, dass mindestens einer der Kerzenständer leicht ins Wanken gerät. Das sorgt für Stimmung, hält die Gespräche im Gange und garantiert somit die familiäre Interaktion beim gemeinsamen Essen. Wie schön.

Irgendwann ist es letztlich doch immer soweit. Irgendwann ist das Mahl beendet und die Kerzen möchten ausgepustet werden. Meistens darf jedes der Kinder bei einem der Flammenwerfer ran. Gerechtigkeit wird gemeinhin zwar überbewertet. Aber manchmal sind wir hier im Haus gar nicht so und leben sie auch ein Stück weit. Selbstverständlich kann sich jeder beim Kerzeauspusten auch etwas wünschen. Traditionen entstehen schließlich nicht aus dem Nirwana. Sie wollen behutsam eingebracht werden. Da Kinder in ihrem Enthusiasmus auch nicht immer an alles denken können, erinnern wir sie gelegentlich gern. Die Tochter hat beim ersten Mal sogar kurz inne gehalten und auf die Frage, ob sie sich auch etwas gewünscht hat, zurückhaltend mit einer “Nachtisch?”-Gegenfrage geantwortet. Seit dem darauf folgenden dezenten Hinweis, dass wir mit dem Essen doch längst fertig seien, ist das Thema für sie jedoch durch.

Ihr Bruder ist etwas euphorischer bei der Sache. Nach einem anfänglich skeptischen Blick denkt er sich schnell: “Sie meinen das wohl wirklich ernst.” Und holt längst vergessen geglaubte Bastelkartons hervor, aus welchen er die Einzelteile jetzt gern zusammengesetzt bekommen möchte. Die Eltern des Hauses stellen spontan fest, dass sie irgendwie vergessen haben, das Detail des Nichtverratens der Wünsche adäquat kund zu tun. Aber irgendwas ist ja immer. Erziehung ist echt keine leichte Sache. Für den Moment bedeutet das: gewünscht, gesagt, getan. Bastelkiste leer, Modell aufgebaut. Nur gut, dass wenigstens ein Elter hier im Haushalt praktisch veranlagt ist.

Nach diesem Auftakt harren wir natürlich gespannt der Dinge, die jetzt folgen mögen. Wenn so ein Kind erst einmal die Initialzündung erhalten hat, entwickelt sich ganz leicht eine Eigendynamik, die man nur schwer wieder in den Griff bekommt. Aus der Idee des stillen Wunsches kann hier leicht die Explosion eines kreativen Brainstormingprozesses werden, welche allein durch ein fünfjähriges Kind verursacht wird und keines schlecht moderierten Teams von zehn Erwachsenen mit Post-Its vor einem Flipchart bedarf, die dort ihrer Midlife-Crisis entgegensteuern.

Wir machen uns also Sorgen. Vollkommen umsonst. Denn schon am zweiten Tag der Kerzensaison stellt der Sohn fest: Es sind keine Wünsche mehr da. Man sieht ihm die Mühe richtig an, die er sich geben muss, um nicht einfach immer nur “Gummibärchen” und “Buch lesen” zu sagen. Wir hören schnell auf zu fragen und stellen lieber eine Kerze extra auf den Tisch. Was macht man nicht alles. Für die Kinder.

So. Und jetzt sind wir alle bitte mal ganz ehrlich: Wann haben wir diesen Zustand des zen-gleichen Glücks ohne sinnfreie Wunscheskapaden zuletzt selbst erlebt? Wenn Sie jetzt richtig brutal ehrlich sich selbst gegenüber sind, geht’s Ihnen bestimmt wie mir: Sie erinnern sich nicht mehr daran.

Das dachte ich mir.

Man soll über die Wünsche bekanntermaßen gar nicht viel reden. Aber ich schlage trotzdem mal vor, dass wir bei der nächsten Kerze alle etwas mehr meta sind, uns weniger wünschen und lieber mehr kuscheln. Wie früher, in den alten Zeiten. Die waren bekanntlich eh besser.

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Stadtneurotiker

Ganz in der Nähe unserer Heimatbasis gibt es ein Bäckereifachgeschäft. Das ist gut und praktisch so. Denn als moderner Mann von heute schafft man dadurch den Weg selbst am frühen Morgen. Und man macht es sich dabei natürlich auch nicht unbedingt schwerer als nötig. Man sucht sich seinen Weg, man geht diesen Weg, man entwickelt Routine. Raus aus dem Haus, über die Straße, Gehweg, Bäcker. Raus aus dem Bäcker, über die Straße, Gehweg, wieder rein ins Haus. Das ist ganz normal so und ergibt sich vollkommen natürlich. Hin- und Rückweg sind nicht identisch sondern bilden einen Kreis, einen geschlossenen. Man überquert jeweils bei der erstbesten Gelegenheit die Straße, dann hat man das hinter sich. So muss das sein, das ist streng logisch, anders geht es eigentlich gar nicht.

Und neulich morgen, da stand ich mit dem Sohn am Fenster. Eine Hand steckt jeweils in der Hosentasche, die andere hält ein Plüschtier (Sohn) oder eine Tasse Kaffee (ich). Wir beobachten eine beschauliche Sonntagmorgenszenerie. Leute mit Hund. Morgensjogger. Kirchgänger, die sich in der Uhrzeit vertan haben. Lauter ganz normale Leute, die vorüber ziehen. Und ein Nachbar betritt die Bühne. Der will bestimmt zum Bäcker. – denke ich mir und nehme einen Schluck vom Heißgetränk. Während er allerdings gar nicht über die Straße geht sondern einfach nur den Gehweg entlang. Und dann erst über die Straße. Tatsächlich zum Bäcker. Aha, man kann die Runde auch anders herum absolvieren. – denke ich als nächstes und nehme sicherheitshalber noch einen Schluck Kaffee. Woraufhin der Nachbar wieder aus dem Backwarenladen kommt und: sofort direkt über die Straße geht. Und den Gehweg entlang. Und ins Haus herein. Der Mann läuft tatsächlich den gleichen Weg zurück, den er vorher hin gelaufen ist.

Der Sohn und ich: wir gucken uns kurz an, schütteln jeweils den Kopf und drehen ihn wieder zum Fenster.

Nur Neurotiker da draußen!

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Wochenende

Es ist Wochenende. Familienzeit. Die Gelegenheit, den ganzen Tag gemeinsam etwas zu unternehmen. Frühstück. Spielplatz. Spielzeug. Bücher gucken. Stadtbummeln. Abhängen im Botanischen Garten. Sandkasten. Kaffee trinken.

Nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge und manches gern auch mehrfach. Raus aus dem Alltag, lautet die Devise. Abwechslung ist das Motto.

Und was macht der Sohn? Steht ganz ohne Wecker pünktlich auf. Schnappt sich ein Buch und liest es auf dem stillen Örtchen, geht sich die Zähne putzen, stapft in die Küche, wirft die Kaffeemaschine an, deckt den Tisch für den alltäglichen Frühimbiss, zieht sich an, samt Schuhen und Mütze auf dem Kopf. Pünktlich für den Marsch zur Kita stellt er dem schlaftrunken durch die Wohnung torkelnden Herrn Papa die feinen Lederschuhe bereit und sagt klar und deutlich an, wohin es jetzt wohl geht: zu Anna.

Wir haben jetzt zwei Tage Zeit, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

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Jubel, Trudel, Eierzeit

Die kürzlich verstrichenen Feiertage des langohrigen Eierausträgers boten eine fantastische Gelegenheit, dem Nachwuchs traditionelle Bräuche etwas näher zu bringen. Denn wann sonst treffen sich gleichzeitig die notwendige Ruhe, ein Besuch in der alten Heimat und das nostalgisch hoffnungslos verklärte Aufkeimen der animalischen Begeisterung für einen Brauch aus scheinbar längst vergangenen Zeiten: das Eiertrudeln.

Nur sehr selten. Und entsprechend groß war die Skepsis des kleinen Mannes als seine Erziehungsberechtigten anfingen, sich für das Geschehen im nahe gelegenen Wald zu rüsten. Es muss auf ihn gewirkt haben wie die Vorbereitung zum Feldzug: eine unbekannte Rüstung einschließlich trittsicherem Schuhwerk sowie geborgter Jacke in unbekannter Größe, die Kamera als Geschütz und frisch gefärbte Eier als Munition – alles vertreten.

Die Skepsis schlug um in pure Bewunderung. Zum einen die Bewunderung der eigentlichen Tatsache, dass jemand wirklich angemalte Eier in den Wald trägt, um sie dort einen Abhang herab rollen zu lassen und sich zu freuen, wenn das eine Ei weiter kommt als das andere Ei. Aber auch Bewunderung ob der Begeisterungsfähigkeit vor allem der gestandeneren Generation für derlei Taten. Das, was offenbar zur Bespaßung verschiedener Nachwüchse gedacht war, unterhielt in erster Linie die Bespaßer selbst. Vielleicht lag das aber auch nur daran, dass sie in ihren fest eingefahrenen Gedankenbahnen die Eier tatsächlich nur den Abhang herab rollen ließen.

Kreativität ins Spiel brachte einer der Nachwüchse, welcher stolz auf seinen zwei Beinen stehend die Eier nahm, um sie dann allerdings keineswegs sanft auf dem Boden zu drapieren und behutsam anzuschubsen, damit sie sich ihren Weg suchen konnten. „Nein“, dachte er sich, „den Weg bestimmt nur einer und das bin ich.“ Gedacht, getan. Ei genommen. Ei geworfen. In hohem Bogen den Hügel hinab. Dass nicht jedes Ei solch progressivem Mut gewachsen war, nimmt man gern in Kauf. Vor allem, wenn die paar, die es überlebten, im Zieleinlauf alle anderen hinter sich ließen. Und was zu Bruch ging, konnte man auch gleich verspeisen. Die Verluste waren somit rar.

Der kleine Mann des Hauses hat sich das alles – getragen vom Herrn Papa – aus gehobener Perspektive angesehen. Mit anfänglich verwunderten, später begeisterten Blicken. Manchmal auch mit kritischen. Auf jeden Fall hat er die Lage genau analysiert und sich schon mal seine eigenen Gedanken zum Spiel gemacht.

Da schauen wir doch mal, was aus dieser altegediegenen Tradition in Zukunft noch wird.