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Damenwahl (3)

Das Leben als kleine Schwester ist sicher nicht immer leicht. Egal, was man macht, egal, was man anfasst, egal, was man gern einmal probieren möchte: Mit einiger Wahrscheinlichkeit hat der große Bruder es auch schon gemacht, gefasst, probiert. Und da er ein paar Jahre Vorsprung hat, klappt’s bei ihm wohl auch besser. Es muss frustrierend sein. Aber was auf den ersten Blick nur wie eine kleine Schwester wirken mag, ist in Wirklichkeit natürlich eine große Tochter. Und die Größe zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie sich eben nicht kleinkriegen lässt, dass sie sich nicht einschüchtern lässt und dass sie natürlich auch dann Sachen ausprobiert, wenn dieser andere Typ hier im Haus auch schon mal seine Finger mit drin hatte.

Papierflieger basteln, zum Beispiel. Der Bruder macht es vor. Die kleine Dame guckt ihm zu, gelegentlich nur, ganz beiläufig, so scheint es zumindest. Und sie legt los mit dem Falten. Physikalische Grundlagen kümmern sie dabei wenig. Das sind eher minder relevante Beschränkungen. Sie faltet, wie es halt passt, wie es ihr passt. Hauptsache ist, dass etwas dabei herauskommt. Hier entsteht ein Produkt, quasi aus dem Nichts.

Die Tochter wagt den Praxistest. Sie lässt den Flieger fliegen.

Er stürzt unmittelbar vor ihr zu Boden. Es erschüttert sie nicht. Der Test war in ihren Augen sogar ein großer Erfolg.

»Kann prima Loopings, der Flieger!« sagt sie und hebt ihn schnell auf, um es mir noch einmal zu zeigen.

Sie ist ein geborenes Verkaufstalent. Vielleicht lohnt es sich, sie mal mit Jan Essig bekannt zu machen. Der Bruder hat’s bisher noch nicht so weit gebracht.

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Berufswunsch (19)

Kinder sind knallharte Verhandlungskünstler. Wer keine Kinder hat und glaubt, dass er im Alltag oder Beruf mit gnadenlosen Verhandlungsgegnern konfrontiert wird, hat das Leben noch nicht gesehen. Kinder stellen das bisschen Verhandlerei, welches wir normalerweise so um uns herum vorfinden, locker in den Schatten. Dabei fängt alles ganz harmlos an.

Denn den puren Hang zur eigenen Meinung und eigenen Wünschen entdeckt der Nachwuchs relativ fix. Das kennen wir sicher alle: Schokolade hier, Gummibärchen da, Baggergucken dort. Das kommt ganz von selbst. Das wollen die meisten Kinder. Und dieses Bedürfnis vermitteln sie mal etwas dezenter, aber auch mal etwas deutlicher. Während sie das eine Mal einfach nur höflich nachfragen, wann es denn mit der Wunscherfüllung endlich so weit sei, werfen sie sich ein anderes Mal laut schreiend auf den Boden und hämmern dermaßen vehement auf ihn ein, dass man meinen könnte, er kommt gleich hoch, um ihnen bei der Wunscherfüllung persönlich zur Seite zu stehen.

Irgendwann werden die Kinder jedoch älter. Irgendwann geht es nicht mehr nur um die Befriedigung von elementaren Grundbedürfnissen. Irgendwann kommt zum Beispiel die Bequemlichkeit dazu. Dann muss man natürlich auch geschickter argumentieren. Sonst spurt das Personal einfach nicht. Sonst machen die Eltern nicht das, was man von ihnen möchte. Das wissen die Kinder auch. Ich weiß gar nicht, woher genau. Aber ich kann mich tatsächlich nicht daran erinnern, dass sie sich beispielsweise laut schreiend auf den Boden geworfen haben, damit man ihnen das Frühstücksbrötchen schmiert, obwohl sie das auch ganz hervorragend selbst erledigen könnten.

Nein, an solche Dienstleistungen muss man sich geschickter heran tasten. Der Sohn hat das schon perfektioniert. Er sitzt ganz unauffällig am Tisch und beginnt den Tag damit, in eleganter Form mit seinem Messer eine dezente Kostprobe aus dem frisch geöffneten Glas der Nussnugatcreme zu sich zu nehmen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Kurz darauf lehnt er sich jedoch in seinem Stuhl zurück und fragt in ruhigem Ton: Papa, kannst Du mir bitte Butter auf’s Brötchen schmieren? Und dann Honig obendrauf?

Er erahnt die Antwort, welche jetzt logisch folgen müsste und kommt ihr gleich zuvor: Ich habe hier schließlich Schokolade am Messer und die soll ja nicht in die Butter oder den Honig kommen.

Da hat er meine Befindlichkeiten gut erkannt und korrekt verarbeitet. Beim Verhandeln geht es schließlich nicht einfach um den eigenen Vorteil. Man sollte immer den Nutzen es Gegenübers im Kopf behalten und in den Vordergrund stellen.

Als alter Verhandlungsexperte wird der Sohn später mal Jurist. Ganz klar.

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Berufswunsch (18)

Die laufend wechselnden Hobbies der Kinder sind ein Phänomen für sich. Autos, Bagger, Süßigkeiten erbeuten: das kennt man ja. Das ist Routine. Damit habe ich vorher gerechnet. Irgendwann kommen dann auch andere Späße hinzu. Polizei- und Feuerwehrautos natürlich. Gern entwickeln Kinder auch mal einen Fetisch für Straßenbahnen oder Ostseeboote – je nachdem, was die Umgebung gerade so hergibt. Das ist meist nachvollziehbar. Es ergibt sich halt aus dem alltäglichen Kontext. Es sind vorübergehende Auftritte. Hobbies auf Zeit, quasi.

Faszinierend ist es dann, wenn auf einmal etwas dazu kommt, was sich universal und im Verbund mit allem anderen einsetzen lässt. Das Spielen mit Zahlen zum Beispiel. Zahlen sind schließlich allgegenwärtig. Gummibärchen lassen sich abzählen. Frühstücksbrötchen. Die gewonnenen Paare beim Memory. Die Schritte von der Haustür bis zum Spielplatz. Es sind alles abzählbar endlich viele Stücke oder Entfernungen. Berechnungen kann man damit auch anstellen. Die eigenen Gummibärchen plus denen der Schwester ergibt zum Beispiel die maximal mögliche Bärchenquote. Alle zurecht gelegten Legosteine abzüglich den bereits verbauten ergibt den noch verfügbaren Vorrat. Und wenn der Papa dabei schon staunt, legt der Sohn gleich noch etwas Bruchrechnung oben drauf. Denn zwei halbe Brötchen ergeben ein ganzes. Das stimmt nicht nur, ich finde das absolut respektabel.

Wenn ich mich so umgucke, wächst mein Respekt gleich noch viel mehr. Denn die ganzen arithmetischen Höchstleistungen scheinen ganz normal für das Alter zu sein. Diese fünfjährigen Halbstarken werfen mit Zahlen um sich, dass einem ganz schwindelig wird. Es ist verrückt. Die Jugend von heute: sie ist wirklich fit. Noch nicht mal in der Schule, aber schon vollkommen fertig auf das Leben vorbereitet. In schwachen Momenten fragt man sich als Erziehungsberchtigter, was man ihnen eigentlich noch beibringen kann.

Zum Glück gibt’s die Zeit am Abend. Zum Glück gibt es die Zeit des Ins-Bett-Bringens. Da erwischt man den Sohn auf einmal dabei, wie er seine Sachen einfach achtlos auf den Boden wirft. Das ist die Gelegenheit, einmal dezent nachzufragen, was diese Sorglosigkeit denn soll! Die eigenen Sachen einfach auf dem Boden. Also wirklich. Das machen wir doch sonst nicht so. Wie der Sohn denn darauf kommt, dass das in Ordnung sei. Ich frage ihn.

Er sagt nur: Ach was, ich habe sie auf den Stuhl gelegt. Wie jeden Tag.

Der Sohn ist wahrlich nie um eine Ausrede verlegen. An der Stelle steht für gewöhnlich tatsächlich ein Stuhl. Normalerweise. Nur eben heute nicht. Die Schwester hat ihn wohl beim Spielen vor ein paar Stunden verschoben. Schlimm muss das sein. Der quasi wasserdicht bewiesene Algorithmus funktioniert auf einmal nicht mehr. Zack, ist für den Wissenschaftler im Haus der Alltag kaputt. Und quasi zum Trost wissen wir jetzt immerhin: Hobbies sind Schnickschnack. Was zählt, sind die wahren Begabungen. Der Sohn, er wird einmal Mathematikprofessor.

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Berufswunsch (17)

Die Familie sitzt beim Abendessen und wertet den Tag aus. Das kommt hier immer wieder mal vor. Aber keine Angst: Wir achten natürlich darauf, dass niemand mit vollem Mund spricht und dass ebenso niemand die eventuellen Dramen des Tages gar zu intensiv noch einmal durchleiden muss. So schlimm ist es jedoch normalerweise alles gar nicht. Denn machen wir uns mal nichts vor: Wenn man es ganz nüchtern betrachtet, sind die meisten Tage durchaus recht unterhaltsam. Nach Feierabend und mit etwas Abstand wirken viele Dramen, welche nur wenige Stunden vorher uns alle quasi in den Weltuntergang getrieben haben, gleich viel weniger bedrohlich. Unlösbar scheinende Fragestellungen haben sich zwischenzeitlich quasi in Luft aufgelöst. Über die eigene Verzweiflung ob dieser täglichen Herausforderungen könnten wir am Abend nur noch herzlich lachen, wenn wir dann nicht auf einmal aufpassen müssten, uns nicht doch beim Essen zu verschlucken.

Es ist also alles halb so wild und wir essen friedlich auswertend vor uns hin. Diese anheimelnde Idylle darf aber wiederum auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die eine oder andere Frage des Tages doch noch nicht beantwortet ist. Ja, dass vielleicht sogar das eine oder andere Problem noch offen im Raum steht. Wir reden ruhig mal darüber. Etwas neutraler Input hilft vielleicht weiter. Man weiß ja nie. Die Hoffnung stirbt bekanntermaßen ganz zum Schluss. Da hilft nur eins: Konkret werden. Denn wenn man etwas ganz klar benennt, dann liegt die Lösung meist gleich auf der Hand. Klingt komisch. Klappt trotzdem meistens. Also, klare Ansage: Es gab da heute ein Problem!

Die Tochter guckt kurz von ihrem Teller hoch und fragt: Problem?

Ja, antworten wir quasi unisono. Auf Arbeit. Das ist nicht weiter schlimm. Wir denken nur mal nach.

Der Sohn sagt nichts. Er ist überhaupt gerade erstaunlich ruhig. Offenbar sehr in sein Essen vertieft. Vollkommen meditativ starrt er seinen Teller an.

Wir essen noch etwas und denken während dessen ein wenig nach. Klar, wir reden über das Problem, erwähnen Kollegen, sprechen von Algorithmen und bilden uns ein, auf die grundlegendsten Fragen durchaus plausible Antworten zu finden. Das haben die anderen tagsüber natürlich nicht geschafft. Ganz klar. Also wir selbst: viel schlauer. Die anderen: überhaupt gar nicht schlau. Logisch. Das muss so sein. Das sehen die anderen übrigens ganz genauso. Wenn Sie sich ernsthaft schon mal gefragt haben, warum Sie nicht jeden Abend mit Ihren Kollegen zusammen essen, dann haben Sie jetzt die Antwort. Es ist einfach besser so.

Auf einmal meldet sich der Sohn zu Wort. Er hat seine ernste Mine aufgesetzt, sitzt leicht schräg auf dem Stuhl, lehnt einen Arm auf den Tisch, den anderen über die Stuhllehne. Wenn er das macht, weiß man: Er hat nachgedacht, gleich kommt etwas wirklich Ernstes. In solchen Momenten sprudeln die ganz großen Themen aus ihm heraus. Vollkommen neue Geburtstagswünsche etwa. Ich hoffe, Sie verstehen die Tragweite. Nach diesen Wünschen, da kommt der Weltfrieden. Der Sohn guckt also ernst und sagt: Ich weiß eine Lösung für Euer Problem.

Wir: Wie bitte?

Der Sohn: Ich weiß, was Ihr machen müsst. Also passt auf: Ihr setzt einfach immer zwei Leute in ein Büro.

Dann ist er ruhig.

Wir: Ähh, das war’s?

Der Sohn: Ja, das war’s.

Nun ja. Gut zu wissen. Danke, mein Schatz. Und wo waren wir eigentlich stehen geblieben? Bei Algorithmen, richtig. Ganz grundlegenden sogar. Eigentlich einfache Sachen. Die Theorie dazu ist seit langem klar. Die Probleme entstehen erst in der Praxis. Das ist eh ein erstaunlich weit verbreitetes Phänomen, das mit der Theorie und der Praxis. Irre.

Und wenn das nicht hilft, habe ich noch eine Idee.

Ich glaube, der Sohn war das.

Wir: Wie bitte?

Der Sohn: Wenn das nicht hilft, also so zwei Leute in einem Büro, ja? Also, dann verkleidet Euch einfach als Pirat.

Wir: Und gehen dann so zur Arbeit?

Der Sohn: Ja klar.

Damit ist das Thema für ihn durch. Frage geklärt. Problem gelöst: Kleinere Büros und die eigene Kompetenz mit mehr Nachdruck nach außen tragen. Da steckt mehr Lösungspotenzial drin als vielen von uns lieb sein mag. Es sind einfach klingende Vorschläge, die sich in Wahrheit aber ganz und gar nicht so einfach umsetzen lassen. Darauf konnte wirklich nur ein vollkommen Außenstehender kommen. Nur dem unbelasteten Externen ist eine dermaßen klare Sicht auf die Dinge gegeben.

Es ist wohl leider offensichtlich: Der Sohn wird einmal Berater. Ich sage dazu vorläufig lieber nichts und sitze das erstmal aus. Zeit für den Nachtisch.

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Berufswunsch (16)

Nach dem Essen gibt es Nachtisch. In einem vernünftigen Haushalt gehört sich das so. Das hat etwas mit vielseitiger Ernährung zu tun, ganz klar. Denn wer jetzt denkt, dass zum Nachtisch grundsätzlich nur Schokoladentörtchen und Tiramisu serviert werden, hat zwar guten Geschmack, aber die Sache mit der gesunden Ernährung des Nachwuchses irgendwie durcheinander gebracht.

Nein, es gibt natürlich Obst zum Nachtisch. Immer. Also, fast immer. Nun, manchmal zumindest. Und da Essen grundsätzlich etwas Schönes und Leidenschaftliches ist, sieht es beim Sohn nach dem Verschlingen einer saisonal passenden Südfrucht so aus:

Obst, aufgeräumt

Das hier habe ich ihm übrigens keineswegs vorher gezeigt:

Es ist ein kleiner Film, in dem Ursus Wehrli Kunst aufräumt. Das sieht dann in etwa so aus wie beim Sohn. Es hat viel Klasse, da steckt Stil drin. Und der Sohn kam ganz von selbst darauf.

Er braucht später gar nicht erst Künstler zu werden, er ist schon einer.