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Gelesen: Mexikoring von Simone Buchholz

Das Dilemma an Krimis ist gelegentlich, dass sie so furchtbar real erscheinen, dass sie quasi einer Dokumentation gleich kommen. So auch hier: Mexikoring spielt in der Hamburger City Nord. Die gibt’s wirklich. Da ist unsereins auch schon ins Büro gegangen. Quasi purer Alltag. Mit reichlich Industrie-Chic. Lebenslust-Charme hat die Gegend eher weniger.

Jetzt brennt dort ein Auto, es sitzt noch jemand drin und kommt dabei um. Ein Unfall ist das natürlich nicht, Krimi und so.

Also wird ermittelt. Neben einer Reihe ordentlicher Kriminalbeamter ist mit Chastity Riley eine Staatsanwältin dabei, welche den harten Kerlen zeigt, wie verbrauchtes Leben und harte Arbeit aussehen können.

Sehr schön dabei: die Namen. Riley legt vor, einer der Polizisten heißt Rocktäschel. Ein Traum. Man redet sich mit Nachnamen an, meistens zumindest. Man ist per du, also manchmal.

Anders schön: Es wird geraucht, viel. Es wird gesoffen, noch mehr. Ein funktionierendes Leben hat niemand, schon gar nicht bei den Beamten.

Natürlich weniger schön: das Milieu. Ein Clan jagt den nächsten. Wer in Hamburg verbrennt, gehört eigentlich nach Bremen. Und zu einer Familie, womit die Probleme eher mehr als weniger werden.

Es ist eine rasante Geschichte. Mit viel sturer Familienbande, mit viel Stolz und wenig Ehre, mit persönlichen Beziehungen und ihren Schwierigkeiten. Mit vielen Wendungen und falschen Fährten. Oder kurz: Es ist ein ordentlicher Krimi. Mit einem präzisen Blick auf Charaktere und Details, fast schon unheimlich real.

Eine Empfehlung.

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Gelesen: Koma von Jo Nesbø

Die Skandinavier im Allgemeinen und die Norweger im Besonderen können tolle Krimis und Thriller schreiben. Man hört und liest das ja immer wieder. Und irgendwann stellt man fest: Ich hab’s noch nie probiert, noch nie mal selbst einen Blick reingeworfen. So geht das natürlich nicht.

Jo Nesbø also. Koma, um genau zu sein. Zur Probe greife ich also mitten hinein in eine Serie. Das soll aber gar nicht schlimm sein, heißt es. Es geht immer um einen Fall, der gelöst werden möchte. Das passiert innerhalb des einen Buches. Die Darsteller tauchen halt auch vorher und später oft noch auf. So sei es.

Im Fall geht es hier um einen Serienmörder. Das ist nicht schön, aber es soll ja auch spannend sein. Die Serie der Getöteten weist natürlich Gemeinsamkeiten auf. Es sind alles Polizisten. Und diese haben beim Aufklären einer früheren Straftat alle Fehler gemacht. Zu den Orten dieser Fehler kehren sie jetzt zurück. Unfreiwillig. Zum jeweils letzten Mal.

Das verspricht Drama. Und man bekommt Drama. Natürlich kommen auch noch Intrigen und unmoralische Machenschaften hinzu. In den Reihen der Polizei arbeiten schließlich auch nur Menschen. Einer von diesen wird zum Klären des Falls jetzt wieder aus der Versenkung geholt. Harry Hole heißt er, ist eine wahre Legende, allerdings eine mit einem Alkoholproblem.

Zusammen mit ein paar anderen cleveren Damen und Herren löst er den Fall jedoch.

Ende gut, alles gut?

Na, auf jeden Fall kann man sagen: Die Skandinavier haben’s drauf. Hier versteht jemand sein Handwerk. Jo Nesbø weiß, was er tut, selbst dieser Teil mitten aus einer Serie ist super lesbar, es ist alles fast schon ein wenig zu perfekt stilisiert, der heilige Held kommt ein enig zu heroisch aus dem Untergrund hervor, die bösen Gegenspieler sind etwas zu glatt hinterhältig. Aber das ist Genöle auf hohem Niveau. Lesbare Sache, wer Krimis mag, fühlt sich hier wohl.

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Gelesen: Jagd die Potemkin! von Mark Joseph

Ein Griff in den Bücherschrank hier um die Ecke. Und zack ist man zurück im Jahr 1968. Wir stecken im kalten Krieg. Und die Amerikaner sowie die Russen ärgern sich gegenseitig mit ihren jeweils neuesten U-Booten.

Man könnte jetzt sagen: Da war die Welt noch in Ordnung. War sie aber nicht. Die amerikanischen U-Boote haben die russischen gejagt. Die russischen U-Boote haben die amerikanischen gejagt. Sie haben sich gegenseitig ausspioniert, sie haben um die Wette gerüstet, sie haben auch aufeinander geschossen.

Dieses Buch ist ein Roman. Und doch liest es sich ein wenig wie ein Geschichtsbuch: Man schlägt es auf und hat es mit physischer oder politischer Gewalt zu tun.

Das ist erschreckend, klar. Und gleichzeitig ist es recht flüssig zu lesen. Es ist erstaunlich, wie gut dieser Text gealtert ist. Als Quintessenz bleibt somit: Es lohnt sich, das Stück wieder zurück in den Bücherschrank zu stellen.

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Gelesen: Wandern im Nüscht

Die Altmark. Eine traumhafte Landschaft mit viel flachem Land in the Middle of Nüscht, wie es ein Reiseführer so schön betitelt. Davon gibt’s sogar einen zweiten Teil, mit noch mehr Darstellungen dieses faszinierenden Niemandslandes. Der ist auch ganz toll, obwohl er hier im Blog gar nicht vorkommt. Komisch, wie das passieren konnte.

Jetzt gibt’s – brandneu und taufrisch – auch eine Sammlung von 34 schönen Wanderungen durch die Altmark. Wandern im Nüscht heißt sie, ist wieder von Sibylle Sperling zusammengestellt, Amanda Hasenfusz ist als Co-Autorin mit im Boot.

Wie auch die beiden ersten Teile dieser kleinen Lokalkolorit-Serie kann ich diesen Wanderführer sehr empfehlen. Es geht um das Erkunden von viel einsamen Gegenden, es geht um Käffchen und Kuchen in idyllischen Dörfern, es geht um den grünen Gürtel, der früher mal die innerdeutsche Grenze war, es geht um das größte unbewohnte Gebiet Deutschlands, es geht um kleine Flüsse und diesen einen großen: die Elbe. Es geht um Pfade entlang dieser, auf denen ich auch schon gelaufen bin, es geht um das Schloss, in dem die Dame und ich geheiratet haben, mit Blick auf die Elbe und ganz viel Romantik.

Es ist ein schönes kleines Buch. Mit schönen Bildern und schönen Beschreibungen einer schönen Gegend. Eine Empfehlung, nicht nur für Freunde des Wanderns.

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Gelesen: Neujahr von Juli Zeh

Das ist echt praktisch: Bei Juli Zeh kommt man sowohl dann auf seine Kosten, wenn man die großen, dicken Schinken mag, als auch, wenn man es lieber kurz, prägnant und knackig bevorzugt.

Neujahr gehört zur zweiten Sorte. Es geht um einen Mann mit junger Familie, der ein wenig in seiner Midlife-Krise zu stecken scheint. Seine depressiven Schübe drängen in dem Moment eines Urlaubs auf Lanzarote an die Oberfläche. Um es sich und seiner anwachsenden Trägheit so richtig zu zeigen, setzt er sich auf ein Fahrrad und macht gleich früh am Morgen eine sportliche Tour den Berg hinauf.

Oben ist dann alles anders als gedacht. Mit der Erschöpfung hat er noch gerechnet. Mit dem Wecken alter Erinnerungen an die eigene Kindheit jedoch nicht. Längst vergangen waren diese. Spielten hier am Ort. Waren so unangenehm, dass er sie verdrängte. Um die Eltern drehen sie sich. Um die Scheidung, die dann kam. Um das innige Verhältnis zu seiner jüngeren Schwester.

Der wider Erwarten bekannte Ort oben auf dem Berg bringt das alles wieder hoch. Wirbelt sein Leben einmal gehörig durcheinander.

Aber sind es nicht solche Momente der totalen Verwirrung, Verwirbelung, Irritation und des Infrage-Stellens, die letztlich zu mehr Klarheit führen? Momente, die es ab und an mal braucht?

Vielleicht ist dem so. Auch wenn man nicht immer erst nach Lanzarote und dort mit dem Rad auf einen Berg fahren muss. Man kann’s auch hier bei Juli Zeh lesen, kurz, knackig, unterhaltsam trotz des Leids anderer.