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Gehört: In die Wildnis von Jon Krakauer und Julian Mehne

Jon Krakauer: In die Wildnis

Chris McCandless Anfang der 90er Jahre: Als Midzwanziger tot in einem eisigen Wald in Alaska gefunden. Der Weg dorthin war der eines Aussteigers, der nicht nur gegen seine Eltern rebellierte, sondern gegen das ganze System. Er wollte zeigen, dass es auch anders geht, dass es des Zivilisationsirrsinns nicht braucht, dass man auch erheblich elementarer (über-)leben kann. Er schaffte es am Ende nicht, kam aber doch recht weit.

In die Wildnis erzählt diese Geschichte. Jon Krakauer verwendet dafür die Tagebuchaufzeichnungen von Chris, er spricht mit Menschen, die Chris ein Stück auf seinem Weg begleitet haben, liefert Kontext, ergänzt diese eine Aussteigerstory durch andere, ähnlich gelagerte sowie ganz persönlichen Erfahrungen, wie zum Beispiel dem Bergsteigen in Alaska.

Das ist ein bunter Mix, der sich doch thematisch treu bleibt. Julian Mehne liest absolut stimmungsvoll, zieht einen an den Ohren ins Abenteuer hinein.

Gern gehört. Gern das eigene Koordinatensystem des Alltags mal wieder ein wenig neu justiert. Zivilisation ist super. Aber man muss es mit den kleinteiligen Befindlichkeiten des Alltags wohl doch nicht immer übertreiben.

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Gelesen: Nordwesttod von Svea Jensen

Lokalkrimis sind eine ganz eigene Gattung, oder?

Svea Jensen: Nordwesttod

Nordwesttod von Svea Jensen ist so einer. Er spielt in St. Peter-Ording, also an der idyllischen Nordseeküste. Dort wird eine Frau als vermisst gemeldet. Das ist spannend für ihr Umfeld, da sie aus einer Hoteliersfamilie stammt, zwischenzeitlich jedoch zur Umweltaktivistin wurde, die Hotelneubauten recht kritisch gegenüber steht. Es ist auch spannend für die ermittelnden Polizisten, bei denen es sich zum einen um eine Kommissarin handelt, die gerade frisch aus München in den Norden gekommen ist, um sich ein neues Umfeld aufzubauen und zum anderen um den örtlichen Polizeileitenden, der schon aufregendere Jobs hatte, sich jetzt in der Provinz jedoch in Ruhe um seine Familie kümmern möchte.

Damit sind die Beziehungskonflikte auf Polizeiseite gesetzt. Sie werden auch erfüllt. Es wird zwar nicht gleich romantisch zwischen den beiden, aber irre viel fehlt daran auch nicht.

Die Konflikte rund um die Familie der Vermissten drängen sich ebenfalls auf. Auch sie werden erwartungsgemäß erfüllt. Denn natürlich sind nicht alle erfreut, wenn die familiären Hotelexpansionspläne unter anderem von jemand nahestehendem kritisiert und bekämpft werden. Wenn wir jetzt noch einen Mann hinzunehmen, der sowohl mit der Vermissten als auch mit ihrer familientreuen Schwester in Beziehung ist, wird alles komplett.

Viel mehr passiert dann auch nicht. Es plätschert wirklich so dahin. Das kann man locker und entspannt nebenbei fix weglesen. Gewinnen kann das Erlebnis sicher dann, wenn man selbst eine emotionale Bindung an St. Peter-Ording aufweisen kann. Ist das somit dieser Charme von Lokalkrimis? Interessant.

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Gelesen: Schwarzer Sonntag von Thomas Harris

Das ist jetzt schon etwas betagter, kam jedoch über einen Bücherflohmarkt kürzlich frisch ins Haus: Schwarzer Sonntag von Thomas Harris. Und ja: Das ist dieser Thomas Harris mit dem Schweigen der Lämmer.

So steht auch hier von Anfang an fest: Es geht um emotionale Tiefen und menschliche Tragödien. Es geht um eine terroristische Organisation – den Schwarzen Sonntag – mit dem Plan, ein Attentat in den USA auszuführen. Es geht um einen frustrierten Amerikaner, der sich von seiner Frau und seinem Land verlassen fühlt. Terror kann er auch gut, hier kommt man thematisch passend zusammen. Menschlich passt‘s hingegen oft weniger gut. Da knirscht es ein wenig. Das bereitet viel Konfliktpotenzial, zumal auch etwa eine halbe Tonne Plastiksprengstoff mit im Spiel ist.

Natürlich gibt‘s auch noch das FBI und ebenso natürlich einen starken Mann, der am liebsten im Alleingang endlich mal wieder für Ordnung sorgen möchte.

Dazu noch eine Frau, deren terroristische Leidenschaft alle anderen in den Schatten stellt und fertig ist der Mix der Darstellenden.

Bis zum Schluss bleibt das Rennen zwischen allen Beteiligten spannend, die Einsätze und Dramen groß, die Seiten munter umgeblättert. Obwohl die Geschichte schon ein wenig in die Jahre gekommen ist, liest sie sich flüssig weg. Ein Dank somit auch an Ulla H. de Herrera und Jürgen Abel für die Übersetzung.

Eine Empfehlung, wenn man es z.B. mal auf einem Bücherflohmarkt herumliegen sieht.

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Gelesen: Die Verlorenen von Simon Beckett

Vorerst stammt mein ganz persönlicher Favorit für den Satz des Jahres aus Die Verlorenen von Simon Beckett:

Ein stämmiger Mann mit kurzen Beinen kam auf ihn zu.

Allein dafür hat sich die Lektüre doch bereits gelohnt, ganz abgesehen davon, dass Simon Beckett hier schon eine Weile auf der Liste der mal zu erkundenden Autoren stand. Wäre das auch erledigt.

Worum geht’s?

Simon Beckett: Die Verlorenen

Ein Polizist verliert seinen vierjährigen Sohn, zehn Jahre später seinen Freund und Kollegen. Beide Male scheint die gleiche Person dahinter zu stehen.

So der Schein. Natürlich verhält es sich anders. Durch die Irrungen und Wirrungen des Hin und Her navigiert Beckett souverän. Hier ist ein Profi am Werk, der seine Charaktere ebenso im Griff hat, wie die Spannungsbögen. Auch sprachlich gibt es nichts auszusetzen. Es liest sich flüssig weg. Ein Dank an Karen Witthuhn und Sabine Längsfeld für die Übersetzung.

Und doch bleibt ein latent belangloses Gefühl zurück. So richtig warm wird unsereins mit der Geschichte nicht, fühlt sich nicht recht reingezogen. Es mag am Londoner Setting liegen. Es mag am etwas klischeehaft anmutenden Polizeimilieu liegen. Wer weiß. Es könnte beides sein. Und wäre somit glasklar Geschmackssache.

Simon Beckett wäre auf jeden Fall endlich mal abgehakt. Wird hier wohl nicht zum Routinebesuch. Kann ich aber trotzdem empfehlen. Doch, doch.

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Gelesen: The Pragmatic Programmer von David Thomas und Andrew Hunt

Programmieren, soso. Das interessiert jetzt sicher nicht alle unter uns. Verständlich. Aber wenn es um pragmatisches Programmieren geht, sieht die Lage vielleicht ein wenig anders aus.

In The Pragmatic Programmer, 20th Anniversary Edition liefern die beiden alten Hasen Thomas & Hunt solide Hinweise ab, wie man ganz generell an den professionellen Arbeitsalltag herangehen kann: durch Nachdenken, Strukturieren, ordentliches Kommunizieren und schlicht gründliches Erledigen von Dingen, die halt getan werden müssen.

Da gibt’s nicht viel Brimborium und auch nicht viel Gloria, sondern Arbeitsalltag pur. Während natürlich auch ordentlich technische Dinge vorkommen, kann man aus diesem Text auch dann sehr viel mitnehmen, wenn man diese Details schlicht ausblendet.

So geht es darum, immer weiter zu lernen. Klingt naiv? Ist es auch. Und trotzdem ist etwas dran. Es geht darum, seine Tools zu beherrschen. Menschen, die am Rechner sitzen, sollten Tippen können. Way-to-go! Entwickler haben IDEs und Editoren und können sich hoffentlich in diesen ebenso elegant bewegen wie ein Dachdecker es schafft, nicht vom Giebel zu fallen. Es geht um Teams und coole Zusammenarbeit. Wer – bitte – braucht das nicht? Es geht um Verantwortung, es geht um Durchhaltevermögen.

Oder kurz: Es geht um professionelles Arbeiten. Wenn man das für pragmatisch hält, dann passt’s.

Trotz all dem Pathos: Lohnt sich, nicht nur für Programmierende. Eine klare Empfehlung.