Beiträge zum Thema “autodidakt”
September 5, 2020
Gelesen: Leere Herzen von Juli Zeh
Was macht man mit einem Typen, den man bei der täglichen Laufrunde deprimiert an einer Brücke stehen sieht? Ganz klar: Man bittet ihn irgendwann, endlich zu springen. Alternativ gründet man mit ihm eine Heilpraxis, in der die Kunden entweder von ihren Suizidgedanken befreit oder an Terrororganisationen vermittelt werden, damit das große Ende wenigstens für einen guten Zweck zur Geltung kommt.
Das ist doch mal eine edle Geschäftsidee.
»Wir sind’s keine Terroristen, wir sind Dienstleister«, bringt es Babak – der Mann von der Brücke – einmal prägnant auf den Punkt.
Dezember 26, 2015
Der gemeine Kalauer als Evolutionsstufe
Seit einer Weile geht der Sohn zu Schule. Und es macht sich bezahlt. Man merkt quasi täglich glasklare Leistungsschübe. Wann kann man eigentlich jemals wieder so viel lernen wie in jungen Schuljahren? Es ist faszinierend.
So kam der Sohn zum Beispiel vor kurzem mit kleinen, rhetorischen Frage-Kalauern nach Hause.
Was läuft über den Rasen und brennt?
– Es ist ein Kaminchen. Das ist super. Das ist großartig, sehr großartig sogar. Wir sind endlich angekommen in der Welt der Wortwitze.
August 3, 2014
Die Neuentdeckung des Archimedischen Prinzips
Es ist Sommer. Da sind viele Sachen etwas einfacher. Oder zumindest verhalten sie sich anders als im eher kalten Teil des Jahres. So laufen die Kinder zum Beispiel viel mehr draußen herum. Sie spielen im Hof, treffen sich mit den Nachbarskindern, amüsieren sich. So soll das sein. So gehört sich das. Und so sehen sie meistens auch aus. Es ist fast schon egal, aus welchem Grund sie nach Hause kommen, warum sie zufällig gerade in die Wohnung möchten und nicht weiter draußen bleiben.
März 16, 2014
Vorschülerei
Woran merkt man eigentlich, dass die Zeit nur so dahin fliegt und die Kinder immer größer werden? Zum Beispiel daran, dass auf einmal ein Vorschüler mit im Haus wohnt.
Dieser sitzt dann ganz unschuldig am Tisch, zählt erst die vorhandenen Stückchen Kuchen vor sich durch und anschließend die Personen um sich herum. Er stellt fest: 6 Stück Kuchen, 4 Personen. Der Sohn fängt an zu rechnen. Jeder bekommt erst mal ein Stück ab.
März 20, 2012
Wichtige Entscheidungen
Es gibt Tage, die sind lang. Viel länger als andere. Zumindest gefühlt ist das so. Da war es wohl sehr anstrengend, was den ganzen Tag über so passiert ist. Ermüdend, quasi. Und so sitzt die Familie am Tisch mit dem Abendmahl und alle gucken sich eher ruhig, recht träge und mit glasigen Blicken an.
Wirklich alle? Nun, ein kleiner Mann leistet Widerstand gegen den allgemeinen Trend. Der Sohn hat in einem Wahn von vorausahnender Cleverness als einziger im Haus einen ausgiebigen Mittagsschlaf gehalten.
Oktober 12, 2011
Verkehrsästhetik
Die Erziehung der Kinder ist wohl eine der Aufgaben, die niemals enden wird. Ein Prozess der kontinuierlichen Verbesserung sozusagen. Dabei ist es natürlich keineswegs so, dass man viel vorgeben könnte. Wer zum Beispiel glaubt, dass man einfach mal sagt: Kind, mach‘ bitte dieses und nicht jenes! und dann erwartet, dass das Kind fortan immer dieses und ganz sicher niemals jenes machen würde, irrt natürlich. Gewaltig. Es ist eher so, dass man mal einen Hinweis hier gibt, einen Impuls dort setzt und das perfekte Verhalten einfach vorlebt.
Mai 27, 2011
Voll nachhaltig
Das Fahrrad ist eine ganz hervorragende Erfindung. Und das nicht nur, weil sein Schöpfer im gleichen Dorf geboren wurde wie der Sohn. Sondern weil es natürlich ein taugliches Fortbewegungsmittel auch für Kinder ist, der physischen Ertüchtigung zuträglich, ohne bemerkenswerte Abgase und Lärmbelästigung. Es ist halt nachhaltig und so.
Und es wird Zeit, dass der Sohn lernt, Fahrrad zu fahren. Das ist schließlich heutzutage ganz einfach geworden. Ich erinnere mich noch düster an meine eigenen Anfänge.
Oktober 17, 2010
Eins, zwei, drei, viele
Die Zeiten sind hart. Vor allem für Heranwachsende mit all ihren Forderungen, Förderungen, dem frühen Lernen, den ambitionierten Eltern. Da wird gelernt und frühgefördert, auf dass die tägliche Arbeit später aussieht wie banales Kinderspielen. Da gibt’s Musikerziehung für Einjährige, die erste Fremdsprache ab zwei, Voltigieren ab drei, Judo ab vier, kreatives Schreiben ab fünf, Uniabschluss mit sechs. Oder so.
Dem stehen wir natürlich in nichts nach. Auch hier im Haus gehen die Kinder durch eine harte Schule.
Oktober 3, 2010
Der Assistent im Haus
Das Leben besteht nicht immer nur aus den ganz großen Höhepunkten. Manchmal gibt es einfach nur Alltag. Voll mit profanen Dingen, die es zu erledigen gilt. Wie zum Beispiel diesem ganzen Papierkram. Den holt man erst aus dem Briefkasten, dann sortiert man die ganze Werbung aus, macht Ablage und entscheidet laufend zwischen den beiden. Wie gesagt: purer, langweiliger Alltag. Den gibt es übrigens auch, wenn man Kinder hat. Mit dem kleinen Unterschied, dass besagte Kinder einem derlei Arbeiten nicht nur abnehmen, sondern das auch noch gern erledigen.
August 20, 2010
Für das Leben lernen
Vor einer Weile hat der Sohn einen Ausflug gemacht. Er ist nicht einfach zu dem Spielplatz gegangen, zu dem er sonst immer geht. Er ist auch nicht zu dem anderen Spielplatz gegangen, den er manchmal noch benutzt. Nein, er ist zu einem komplett anderen, für ihn: neuen, Spielplatz gegangen. Wer jetzt denkt «Na und? Sand zum Buddeln und ein Gerät zum Klettern haben sie doch alle.» irrt natürlich gewaltig. Kein Spielplatz gleicht dem anderen.
April 7, 2010
Gerecht geteilt
Das mit der Großzügigkeit des Sohnes, seinem Gerechtigkeitssinn und sich daraus ableitenden Berufswünschen hatten wir erst kürzlich.
Und was soll ich sagen? Es bestätigt sich immer wieder. Denn was ist wohl eine der größten Herausforderungen eines langen, österlichen Wochenendes?
Genau: der Liebe zum Schokohasen nicht allein nachzugeben, sondern sich die passende Gesellschaft zu suchen. Getreu dem Motto «geteilte Liebe ist doppelte Liebe» werden die Schokohasen dann gemeinsam erlegt. So sieht es auch der Sohn.
Mai 5, 2009
Im Automobil
Der kleine Mann ist ein Narr. Ein Autonarr. „Auto!“ ist das Wort der Wahl, wenn er etwas Bewegtes auf Rädern sieht. „Auto!“ – sagt er auch, wenn er etwas brummen hört und recht sicher weiß, dass ich es nicht bin. Auto. Auto. Auto. Sie sind überall. Der Weg zur Kita ist voll davon. Der Weg zum Spielplatz eigentlich nicht. Macht aber nichts. Der Sohn findet trotzdem welche.
Wenn wirklich gar nichts anderes in Sichtweite ist, bleibt sein Blick sogar einmal an einem Fahrrad hängen.
März 27, 2009
Abnabelei
Früher, also ganz früher, war die Welt noch einfach.
Wenn der Sohn ins Bett gehen sollte, gab’s keine Zweifel, wer ihm dabei hilft. Die Frau Mama war es. Sohn geschnappt. Sich selbst obenrum frei gemacht. Sohn angedockt. Gestillt. Sohn schläft. Das war alles eins. Und der Herr Papa des Hauses konnte derweil nicht viel mehr tun, als sich apathisch in die Ecke zu verkriechen und den Sinn seiner Existenz zu hinterfragen.
Februar 21, 2009
Applaus, Applaus, Applaus
Der Sohn mag Applaus. Großartiges zu tun ist schließlich nur eine Sache. Ein adäquates Maß an Anerkennung eine andere. Da er offenbar der Meinung ist, dass sein Umfeld ihn nicht ausreichend würdigt, spendet er sich gelegentlich seinen Applaus einfach selbst.
Er spielt mit seiner neuen Sortierbox? Kommt dabei auf die Idee, diese einfach umzudrehen, den großen Entnahmeschacht zu öffnen und alles einzuwerfen? Frenetischer Applaus!
Er füttert beim Essen erfolgreich den Papa mit Banane statt immer nur selbst alles eingetrichtert zu bekommen: Applaus.
Februar 1, 2009
Slow Food
Wenn man dem Sohn beim Essen zuschaut, dann stellt sich die Frage, ob es wirklich nur die Liebe ist, die durch den Magen geht. Oder ob nicht viel eher das ganze Leben eigentlich nur ein einziger kulinarischer Genuss ist. Welcher schon vor dem eigentlichen Essen beginnt.
Viele Köche verderben den Brei? Stimmt nämlich gar nicht. Nur ein Elternteil ganz allein kann gar kein vernünftiges Essen zubereiten. Ganz unmöglich. Da muss der Chef persönlich ran.
Januar 1, 2009
Zeitgefühl
Wie wir derzeit beobachten, ist der kleine Mann fleißig am Erlernen der Überlebenstechniken für den Alltag. Er meint wohl, es könnte nicht schaden, im Leben zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um bei den richtigen Leuten den richtigen Eindruck zu machen.
So sei es.
Zumal er das mit den richtigen Leuten schon ganz gut heraus hat. Und für den richtigen Eindruck schleift er auch bereits an seinen Tischsitten. Das mit dem richtigen Zeitpunkt wird offenbar auch langsam.
Dezember 29, 2008
Cheers
Der kleine Mann wächst und gedeiht. Täglich hat man das Gefühl, als wäre er einen Meter größer geworden, hätte seinen IQ um mehrere hundert Punkte gesteigert und wäre irgendwie noch charmanter als er es gestern schon war.
Das kommt wohl nicht von ungefähr. Zum einen ist dem Sohn natürlich ein gesundes Maß an Großartigkeit von Natur aus mitgegeben worden. Zum anderen tut er aber auch alles, was er kann, um seine Grundlagen optimal auszubauen: so hält er sich auf der einen Seite physisch fit und hat auf der anderen Seite mittlerweile eine sehr gesunde Beobachtungsgabe entwickelt, die ihm dabei hilft, neue Ideen für den Alltag zu erkennen.
Dezember 17, 2008
Die neue Gelassenheit
Es ist noch gar nicht so lange her, da hat der kleine Mann angefangen, so etwas ähnliches wie feste Nahrung zu sich zu nehmen. Die kam zwar Anfangs immer aus dem Glas. Aber als moderner Mann von heute passt man ja auf, dass diese absolut sortenrein gefüllt sind und der pure Geschmack der reinen Natur unverfälscht zu den Rezeptoren des Sohnes vordringen kann.
Ein Höhepunkt war mehrere Wochen lang der Genuss des ersten wirklichen Nachtisches: Apfel pur.
November 24, 2008
Der kleine Charmeur
Bekanntermaßen ist das Leben nicht immer einfach. Manchmal liegt schlicht hier und da ein Stein im Weg. Besonders trickreich wird es bei solchen Gelegenheiten immer dann, wenn andere Personen mit im Spiel sind. Leicht entstehen dabei Situationen, die nur mit viel Fingerspitzengefühl angefasst werden dürfen. Ein gesundes Maß an Lebenserfahrung kann helfen, dieses zu entwickeln.
Wenn ich mir den kleinen Mann so ansehe, staune ich, wie viel er davon offenbar schon aufgenommen hat.
Oktober 6, 2008
Vorbilder
Vorbilder sind ganz furchtbar wichtig, um Orientierung zu spenden und Inspirationen zu bekommen. Sie können anregen, erregen, aufregen, aber auch beruhigen, besänftigen, besinnlich stimmen.
Bedeutend sind sie auf jeden Fall.
Sich die richtigen Vorbilder zu suchen, ist also eine enorm schwierige, aber gleichzeitig lohnende Angelegenheit.
Der Sohn hat jemand Würdiges gefunden:
Der Amerikaner Ken Bannister sammelte 17 000 Objekte, die mit Bananen zu tun haben. – aus dem Blurb einer Archivausgabe der brand eins
September 23, 2008
Wenn, wenn, wenn
Wenn der Sohn wie aus einer spontanen Laune heraus zielstrebig aus dem Zimmer krabbelt, um sich die Werkzeugkiste in der Abstellkammer zu schnappen und die Rolle des Chefs im Handwerkerladen zu spielen;
wenn der Sohn sich als nächstes ganz selbständig zum Kinderwagen begibt, um zu sehen, was sich daran vielleicht tunen lässt;
wenn der Sohn Lust auf ein passiv zu genießendes Unterhaltungsprogramm verspürt und sich deswegen ins Bad begibt, um sich vor die Waschmaschine zu setzen und ihr beim Wäschedrehen zuzugucken;
September 8, 2008
Klare Ansage
Der moderne Mann von heute sollte lernen, mit dem Auf und Ab des Alltags souverän umzugehen. Denn auch, wenn es eigentlich absehbar war: Der lockere Umgangston, den der Nachwuchs bisher exklusiv mit seinem Herrn Papa gepflegt hat, schlägt früher oder später um in einen klaren Imperativ. Und das geschieht keineswegs erst in der frühpubertären Phase der sinnstiftenden Selbstfindung des kleinen Mannes.
Nein, der Protest und die Ansage kommen schon viel früher, aber nicht weniger deutlich.
September 2, 2008
Du Papa
Es gibt wohl noch immer Leute, die sich ernsthaft fragen, wofür so etwas wie Elternzeit eigentlich gut sein soll. Gerade für die Männer in der Familie (Kinder nicht mit einbezogen).
Dabei ist das doch ganz einfach. Es hat etwas mit den Hormonen zu tun. Die haben ja nicht nur die Frauen. Sondern auch die Männer, somit Väter. Und positiv stimuliert werden sie. Die Hormone. Und damit auch die Männer, also Väter.
Juli 15, 2008
Die erste große Liebe. Oder: der Traum von der verwunschenen Ente
Der kleine Mann ist ein sensorisch hungriges Wesen. Was es mit den Sinnen zu erfassen gibt, das möchte er haben. Dabei ist er ein ganz besonders großer Freund haptischer Erlebnisse. Da wird der zielsichere Griff in Papas Nase mit einem fast noch größeren freudigen Lachen begleitet als der wohl platzierte Tritt in den Bauch des alten Herren beim morgendlichen Windelnwechseln.
Aber zu wahrer Höchstform läuft der kleine Mann mit seiner Begeisterungsfähigkeit für orale Sensationen auf.