Gehört: NSA – Nationales Sicherheits-Amt von Andreas Eschbach
Von Señor Rolando
Wer glaubt, dass solide Weltuntergangs- und Verschwörungstheorieszenarien keine Konjunktur mehr haben, hat sich natürlich gründlich getäuscht. Auch wenn wir ganz real von querdenkenden Realitätsverweigerern umgeben sind, wenn selbst in den alten Snowden-Dokumenten noch immer Neues zu entdecken ist und wenn im gar nicht mal so fernen China die Totalüberwachung auf Basis feinster Technologie der ganz normale Alltag ist und Nachrichten über den Umgang mit Uiguren quasi nur als Bilder des Grauens erlebbar sind, können wir uns Geschichten, die eben diese Themen in die Welt der Fantasie schieben, problemlos erzählen lassen.
Dabei habe ich mit der Geschichte über die NSA – das Nationale Sicherheits-Amt von Andreas Eschbach durchaus gehadert. Es geht hier um die Zeit des Nationalsozialismus. Und mal ganz unter uns: Dass diese Zeit großer Mist war, ist klar. Dass Geschichten über diese Zeit naturgemäß Erzählungen des Grauens, des fehlenden Respekts voreinander, des Unterdrückens, des Ausspionierens, des Mishandelns, der totalen Ungerechtigkeit und immer auch der ganz, ganz großen Katastrophen sind, ist ebenso klar.
Und doch wurde ich irgendwann schwach. Und dachte mir: Das liest du nicht selbst, das lässt du dir vorlesen. In diesem Fall von Laura Maire. Und dazu gibt’s kaum mehr zu sagen als: toll, toll, supertoll. Sie liest gut, es klingt gut, es passt gut.
So wird das erzählte Drama nicht kleiner, aber doch erträglicher. Bei diesem geht es übrigens um die Vorstellung, dass wir schon vor 100 Jahren solide arbeitende Computer hatten, das Internet hatten, soziale Medien hatten, kein Bargeld mehr hatten. Dass also die Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus verknüpft war mit der Chance auf die totale Überwachung jeder Bewegung, jedes Einkaufs, jeder Wortmeldung. Ganz so, wie wir es heute erleben, siehe oben. Und natürlich treten die Ereignisse in der Welt von damals so ein, wie wir sie befürchten.
Menschen werden verfolgt, unterdrückt und eingesperrt. Jene, die im Amt des Geheimdienstes arbeiten, erliegen der Versuchung, die verfügbaren Überwachungsdaten für eigene Zwecke zu misbrauchen. Natürlich geht auch das schief, wie könnte es anders sein?
Ein mögliches Szenario zeigt diese Erzählung immerhin auch: Was wäre, wenn die Zeit, in der Frauen die Kontrolle über Computer hatten, sich nicht irgendwann überholt hätte? Wenn Programmieren und ganz generell das Regieren der Technik schlicht und ergreifend Frauensache wäre? Dann wäre der Misbrauch des technisch Machbaren wohl trotzdem da. Aber er würde vielleicht nicht nur für Grauenhaftes verwendet werden, sondern, um Menschen zu helfen. Das ist doch mal ein Gedanke, der ein wenig aufbaut. Ein kleiner Trost, den es hier gibt. Auch wenn er – soviel sei verraten – am Ende nicht hilft.
Es ist eine bedrückende Geschichte, die Dank ihrer Hauptdarstellerin trotzdem die Hoffnung nicht aufgeben lässt. Toll vorgelesen. Kann man hören.