Ostermarathon 2020
Von Señor Rolando
Besondere Zeiten erfordern besondere Läufe. Das ist ein altes Naturgesetz. Und das gilt natürlich auch zu Zeiten, in denen der Coronavirus so einiges aus den gewohnt routinierten Bahnen wirft. Denn all die gewohnten Laufveranstaltungen finden momentan nicht statt. Da neben dem Herbst das Frühjahr zu den saisonalen Schwerpunkten für diese gehört, sind so einige Termine und Möglichkeiten zum gemeinsamen Beineschwingen Corona-bedingt schlicht nicht verfügbar.
Daran geht die Welt nicht zugrunde. Soviel ist den meisten von uns klar. Hoffentlich. Und doch ist es dem allgemeinen Wohlbefinden durchaus zuträglich, wenn wir nicht kollektiv vom Zustand des ausgeglichenen Rhythmus aus Schreibtischsitzen und Laufen-bis-zur-Belastungsgrenze übergehen in eine Kombination aus phlegmatisch-auf-der-Couch-abhängen und apathisch-in-die-Webcam-der-Videokonferenz-Gucken. Wenn ich das korrekt überblicke, ist es in allen Gegenden unseres Landes weiterhin zulässig und durchaus erwünscht, wenn wir unser physisches und mentales Gleichgewicht durch Bewegung in der freien Natur in Balance halten.
Die Aktion
Das haben sich die Freunde des Münchner Marathons zu Herzen genommen und den Ostermarathon 2020 ins Leben gerufen. Dabei laufen einfach alle Teilnehmer die Strecke für sich allein. Zu Hause, vor der eigenen Haustür. Und hat dafür die vier Ostertage Zeit. Verrückte Idee? Nun, die Teilnehmerliste sagt:
Gemeldete Teilnehmer: 2400
Gut so. 2400 Menschen, die eben nicht nur auf der Couch abhängen und vor sich hin grummeln, sondern den Hintern hochbekommen und etwas für einen guten Zweck tun. Denn die Anmeldung ist mit einer kleinen Spende für das Rote Kreuz verbunden. Über den Laden kann man zwar unterschiedlicher Meinung sein, aber das passt hier schon so.
Erschwerte Bedingungen
Wir haben Frühling. Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen, oder?
Außer vielleicht: Die wahre Plage am Heuschnupfen liegt nicht in tränenden Augen oder einer laufenden Nase. Das eigentliche Drama ergibt sich daraus, dass die kleinen Pollen es schaffen, dass man schon mit dem morgendlichen Aufstehen komplett erschöpft ist und alle Energie des Tages verbraucht hat. Dass die Beine so schwer werden, dass selbst der Marsch von der Couch zum Kühlschrank sich wie eine phänomenale Herausforderung anfühlt.
Wir haben Pest und Cholera überlebt, um uns jetzt von den Pollen niederstrecken zu lassen. So fühlt es sich an. Ich wollt’s wenigstens mal erwähnt haben.
Hilft ja alles nichts
Aber vom Jammern allein ist noch selten ein Marathon fertig gelaufen worden. Selbst wenn man ihn sich auf vier Etappen aufteilen kann, muss man diese auch tatsächlich laufen. Tja.
Support ist alles
Gelaufen wird allein, ganz klar. Da muss man schon seine eigenen Beine bemühen. Aber es hilft natürlich trotzdem, wenn man sich ein wenig helfen lässt. So hatte ich jetzt zum Beispiel ein ganz erlesenes Trainerteam zur Unterstützung.
Ja, ein Team. Beide sagen »Papa« zu mir. Und beide sind gnadenlos. So sorgt die Tochter seit geraumer Zeit für ein angemessenes Stabitraining und erinnert nur zu gern an die beiden zu Hause an der Decke hängenden Ringe. An denen man gar nicht wie ein nasser Sack herumbaumeln muss. Guck mal, sagt sie, man kann sogar einen Handstand darin machen, diesen dann mit einem Spagat verknüpfen, Klimmzüge sind eh klar und dienen doch nur als lockere Aufwärmübung. Und all das macht sie auch noch gern mit bezaubernder Leichtigkeit vor. Erwähnte ich schon mal, dass man eine masochistische Veranlagung braucht, um sich freiwillig von Frauen trainieren zu lassen? Ja, ich erwähnte es. Und das gilt weiterhin. Selbst im Familienkreis.
Der Sohn ergänzt das locker unterwegs auf der Strecke. So einige Male hat er mich in der letzten Zeit begleitet. Schule und Büro finden momentan ja bekanntermaßen zu Hause statt. Da kann man die eine oder andere Mittagspause prima für eine Trainingseinheit verwenden. Er radelt gern nebenher. Er zählt auch gern in klar festgelegten Segmenten entlang der Strecke meine Schritte, berechnet Differenzen zu anderen Trainingseinheiten on-the-fly, stellt fest, wenn die durchschnittliche Schrittlänge um mehr als 10% nach oben oder unten abweicht. Ebenso hat er ein Auge auf Geschwindigkeit und Atemfrequenz am Anfang und Ende der Strecke. »Papa, du sagst ja gar nichts mehr.« Tja, woran das nur liegen könnte.
Während der aktuellen Marathonetappen habe ich übrigens die (jeweils frisch gewaschenen, eh klar) Shirts der letzten beiden Knastmarathone im Wechsel getragen. Auch die helfen gern mit motivierenden Zwischeneinladen. Auf dem einen steht:
Wenn‘s gar nicht mehr geht, einfach weiterlaufen!
Das andere meint:
Genieße den Schmerz, du hast ihn verdient!
Na super.
Unter dem Strich
Das war eine prima Aktion. Danke an die Organisatoren. Danke an das Trainerteam. Danke an das prima Wetter (obwohl etwas Regen gegen diese Pollenplage geholfen hätte, aber lassen wir das).
Ostermarathon – gerne wieder. Gerne ohne Corona.