Kein Knastmarathon
Von Señor Rolando
»Du läufst wieder im Rock?«
»Logo.«
»Und danach Duschen?«
»Besser ist das, klar.«
»Und das im Knast?«
»Toll, oder?«
»Na dann, viel Spaß.«
Genau, so war der Plan: Einfach mal in den Knast gehen und viel Spaß dabei haben, dort in in 24 Runden entlang der Innenseite der Mauer mit ordentlichem Stacheldraht oben drauf einen Marathon zu laufen. Die JVA Darmstadt hat einen Sportverein, der genau das anbietet. Und solche Gelegenheiten wollen natürlich beim Schopf gegriffen werden.
Aber wie das mit den Plänen so ist: Sie gehen nicht immer auf. Das war jetzt nämlich eine Premiere: Der erste Lauf ohne Medaille im Anschluss. Oder anders gesagt: Das erste DNF – Did Not Finish. Tja.
Drama, Baby?
Auf jeden Fall. Und zwar ganz gehörig. Wer immer schon mal den Autor dieses Blogs den Tränen nahe sehen wollte, hatte heute eine gute Gelegenheit dazu.
So unmöglich, unakzeptabel und undiskutabel das mit dem Abbrechen per se ist, liegt das wahre Drama aber natürlich ganz woanders. Nämlich in der simplen Frage, was zur Hölle da jetzt bitte los war? So gut trainiert wie momentan war ich schließlich lange nicht mehr. Die recht schwüle Hitze war zwar unangenehm, hat aber andere auch nicht vom erfolgreichen Finish abgehalten. Außerdem gibt’s wenige Laufveranstaltungen, die es in der Organisation und Verpflegungslage mit dieser hier aufnehmen können. Es gab nicht nur einen Verpflegungsstand nach jeder Runde, es wurden auch spontan zusätzliche zwischendurch eröffnet. Es gab mehrere erfrischende Duschen, unter denen man zum Abkühlen einfach durchlaufen konnte, die allseits beliebten Schwämme mit einer Zillion Wassertruhen zum Eintauchen waren auch ganz selbstverständlich. Hitze somit? Schaffbar.
Und doch: Es ging schlicht nicht. Nach 15 Kilometern war klar, das da etwas nicht rund läuft, nach weiteren 13 Kilometern lief es nicht nur unrund, sondern gar nicht mehr. Natürlich taten die Füße weh, natürlich hat der Magen wegen des vielen Trinkens rebelliert. Aber: Wer Jammern möchte, kann zuhause bleiben. Oder wie es das Knastmotto oben so schön sagt: »Wenn’s gar nicht mehr geht – einfach weiterlaufen!«
Die Erkenntnis ist somit, dass die gute alte Binsenweisheit tatsächlich gilt: Die harten Läufe werden meist im Kopf entschieden. Und der hat heute schlicht nicht mitgespielt.
Aber wie jetzt, der Knast war toll?
Das wäre jetzt vielleicht etwas großzügig formuliert. Aber die Organisation dieses Knastmarathons war top. Da kann man ja auch mal Respekt haben. Man kam nicht nur rein in den Knast, man kam auch wieder heraus. Die Insassen natürlich nicht, eh klar. Aber sie haben trotzdem recht entspannt das Ambiente gesetzt: Sind mitgelaufen; haben die Verpflegung organisiert, aufgebaut, angeboten, ausgeschenkt; haben ihre Späße mit uns Zivilisten getrieben; haben auch gern etwas vom Alltag hinter der Mauer erzählt. Das war durchaus toll. Aber halt trotzdem ein Knast. Da machen wir uns mal nichts vor.
Und die Moral von der Geschicht?
Gut verlieren kann ich nicht.
Zum Glück habe ich auch noch andere Hobbies, als neben Laufstrecken zu stehen. Denen könnte ich mich vielleicht auch mal wieder mehr widmen. Sowohl das Geschichtenerzählen als auch die Büchergefahr lassen sich zum Glück gut am Schreibtisch betreiben. Vielleicht klappt das ja besser.