Mitten auf der Laufstrecke dringen diese Worte ins Ohr:
Politische Korrektheit in der Sprache ist das augenscheinlichste Anzeichen der Pseudo-Politik.
Sie kommen von Gunnar Kaisers Podcastfolge zur Kritik des Buches »Erwachsenensprache« von Robert Pfaller. (Im Podcast-Feed gibt es die Audioversion, welche sich für Laufstrecken besser eignet als das verlinkte YouTube-Video. Aber das nur am Rande.) Und im Wahn der laufenden Euphorie wollte ich ihm enthusiastisch zustimmen. Denn: Ja, klar, genau, so ist es! Anstatt auf die wirklichen Probleme zu gucken, anstatt diese Probleme zu lösen, anstatt wahre Politik zu machen, konzentrieren wir uns heute immer mehr darauf, sprachlicher Ausdrucksschwächen zu kritisieren.
Egal, worum es geht, in irgendeinem Kontext wird jede Sache zum Randthema und die in diese Sache involvierten Menschen werden somit zu einer Randgruppe. Das geht ganz schnell. Dafür muss man sich gar keine große Mühe geben. Die Zeit der Universalgenies ist bekanntermaßen seit Leibniz abgelaufen. Wir finden also leicht irgendwelche Themen, von denen wir eher weniger Ahnung haben, in denen wir wohl eher nicht so die top Experten sind. Aber man möge uns das doch bitte nicht sagen, nicht zu deutlich wenigstens. Es wäre politisch inkorrekt. Wir haben schließlich auch Stärken, man gucke doch bitte lieber auf diese.
Schritt für Schritt stampfe ich also meine Füße in die Laufstrecke und denke so bei mir, dass damit jetzt endlich mal Schluss sein muss. Wenn zum Beispiel das nächste Mal jemand im Büro eine neue Brille von mir mit Komplimenten versieht, werde ich diesem Gegenüber nicht verbal gegen das Schienbein treten, da ich mich auf meine Äußerlichkeiten reduziert sehe und das doch wohl nur heißen kann, dass ich ansonsten nichts im Kopf habe, sondern diesen nur zum Halten farbiger Gestelle besäße. Nein, das werde ich nicht tun, denke ich mir. Stattdessen werde ich mir selbst gegenüber Gunnar Kaiser zitieren und mahnend die politische Korrektheit an den Pranger rücken, um sie dort verkommen zu lassen. Und damit werde ich mich für das beiläufige Kompliment elegant bedanken und die großen Vorzüge klarer geometrischer Formen von Lesehilfen preisen.
Ungünstig ist nur, dass obiges Zitat halt einer Kritik des Pfallerschen Buches entstammt. Und das es in dieser Kritik eben darum geht, dass Aussagen wie die obige zwar charmant eingängig, aber eben doch sehr reduziert und argumentativ nicht wirklich untermauert sind. Oder um es mit Matthias Warkus von 54books zu sagen:
Das Buch ist ein Buch für heterosexuelle weiße Europäer, da mache man sich nichts vor.
Viele der interessantesten Sätze stehen, wie gesagt, gänzlich ohne Literaturhinweise oder Erläuterung herum.
Mist, mit Aussagen aus solcherart Quellen möchte man dann doch eher weniger hausieren gehen. Eines gebe ich jedoch trotzdem unumwunden zu: Den KaiserTV-Podcast von Gunnar Kaiser kann ich sehr empfehlen, nicht zuletzt, weil seine Stimme schlicht zum Verlieben schön ist. Dieser verzeiht man auch das argumentative Zerstören eigener euphorischer Illusionen. Und natürlich merke ich an dieser Stelle politisch korrekt an, dass der Inhalt des Gesagten bei ihm ebenso charmant überzeugt. Ganz klar.