Aus dem Regal: Die Lieferantin von Zoë Beck
Von Señor Rolando
Der Trailer zeigt es schon ganz richtig: Hier geht’s um Drogen, um ein Startup, um die Symbiose aus beidem. Womit die Handlung in ihren groben Zügen auch schon recht passabel beschrieben ist.
Ein klein wenig ausführlicher geht es darum, dass Ellie Johnson mit Hilfe von 50 Hochleistungsdrohnen und ein paar sie unterstützenden Menschen Drogen ausliefert. Es sind feine Drogen, erlesene Drogen. Und das bezieht sich vor allem auf die Qualität der Ware. Diese ist sauber. Diese ist auf Ellies Angebotsseite im Netz – sorry, im Darknet, versteht sich – sehr ordentlich und informativ beschrieben. Diese wird schnell und sicher geliefert. Dunkle Machenschaften bleiben dabei solide außen vor.
Oder anders: Diese Dame macht hier einiges anders als die so selbstgefällig böse Unterwelt es normalerweise gewohnt ist und zum Standard erklärt hat. Damit eckt die Dame an, ganz klar. Und natürlich ergibt sich daraus eine Reihe von Konflikten, die für Spannung sorgen und einen beim Lesen die Seiten nur so umblättern lassen. Es ist ein klarer Pageturner, nicht umsonst hat der Verlag vorn Thriller drauf geschrieben.
Schon allein deswegen lohnt sich Die Lieferantin von Zoë Beck.
Aber das reicht so nicht. Natürlich nicht. Denn neben der wundervoll erzählten eigentlichen Geschichte liegt die Stärke und der Reiz dieses Romans in der ganz en passant untergebrachten Gesellschaftskritik. Das ist kein Grund, vor Schreck das Weite zu suchen. Die Autorin ist clever genug, um ihre Zeitbezüge, ihre Zukunftsvisionen und ihre kleine Dystopie ohne irgendeinen erhobenen Zeigefinger oder Oberlehrertöne zu präsentieren. Dafür spielt die Handlung in London, welches bekanntermaßen vor allgegenwärtiger Überwachtung nur so strotzt. Sie spielt ferner in einer Zeit des etablierten Brexits, in welcher die Isolierung der Insel schon ein wenig fortgeschritten ist und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen klar erkennbar sind. In logischer Konsequenz droht der nächste …xit, der Druxit. Dabei geht’s natürlich um die totale Verillegalisierung von Drogen. Und wer glaubt, dass darin auch nur ein klein wenig Positives liegen könnte, irrt natürlich gewaltig.
Was man diesem Druxit allerdings nicht absprechen kann, ist seine Wirkung als verbindendes Element zwischen der vordergründigen Haupthandlung dieser Geschichte und ihrer nur ein klein wenig hintergründigeren gesellschaftlichen Nebenhandlung. Dass obendrein die Charaktere so ordentlich entworfen sind, dass die Guten nicht nur lieb und nett sind, dass die Bösen nicht nur wild und gruselig erscheinen, ist jetzt eh klar. Oder?
Hoffentlich. Denn die Autorin versteht ihr Handwerk. Dieses Buch ist ein ganz Feines. Ich empfehle es sehr. Und zwar den Krimilesern unter uns, den Anhängern von Gesellschaftsromanen und den Freunden gut geschriebener Texte ganz allgemein.