Aus dem Regal: Schiffsmeldungen von Annie Proulx
Von Señor Rolando
Bei amerikanischen Texten ist es so, dass man jene, welche größere Preise bekommen haben, recht problemlos lesen kann. Sie sind dort angenehm unkompliziert im Umgang mit der Frage, ob etwas qualitativ hochwertig und trotzdem unterhaltsam sein kann. Das ist sehr bekömmlich. Durchschnittslesern wie hier im Haus kommt das sehr entgegen.
Heute also die Schiffsmeldungen von Annie Proulx. Den Pulitzerpreis hat sie dafür bekommen, 1994 war das wohl. Aber das passt schon, dieses Buch ist heute so aktuell wie damals. Und man muss ja nicht immer den aktuellen Bestsellerlisten hinterher hecheln. Das stresst nur. Und wer möchte sich schon beim Lesen unnötigem Stress aussetzen? Eben.
Bei den titelgebenden Schiffsmeldungen geht es übrigens um kurze Nachrichten über ein- und auslaufende Boote im Lokalblatt auf der Felseninsel Neufundland. Diese Meldungen schreibt Quoyle, der Protagonist dieser Geschichte. Und der Job klingt nicht nur wie eine Strafe, er ist es auch. Eine Strafe für sein bisheriges Leben, das er beim Stolpern durch mehr oder weniger selbstverschuldete Unglücke recht vergeigt ertragen musste. Nach Neufundland ist er als quasi letzter Lebensanker zurückgekehrt. Und das Buch erzählt jetzt die Geschichte vom Alltag eben dort.
So profan das klingt, so unterhaltsam ist es. Auf der Insel ist nämlich alles Geschehen sehr lokal. Die große, weite Welt wird auf einmal recht irrelevant. Was zählt, ist man selbst, die Nachbarn, das Zusammenspiel aller, die alltäglichen Dramen drumherum. Die Kunst liegt jetzt darin, sich diese genau anzugucken, eben nicht nur Protokoll zu führen. Und das schafft die Autorin ganz hervorragend. Unterstützt wird sie dabei ebenso hervorragend von Michael Hofmann, dem Übersetzer. (Wobei der Wikipedialink hier pure Spekulation ist. Der werte Herr scheint mal wieder keine Homepage zu haben, was für einen Kunstschaffenden eine Unsitte ist, welche zwar weit verbreitet scheint, aber trotzdem eine Zumutung darstellt. Liebe Autoren, Übersetzer und andere Schaffende: Nehmt Euch daran bitte kein Beispiel, legt Euch eine – gern einfache – Homepage zu und verratet uns, was Ihr noch so alles getan habt. Also wirklich. Ich wollte es mal wieder erwähnt haben.)
Diese Geschichte liest sich nämlich sehr angenehm. Die Sätze sind kurz und trotzdem nicht profan. Die Kapitel sind wundervoll strukturiert und genau so bemessen, dass man sie gern anfängt und meist trotzdem nicht mittendrin hängen bleibt. Außerdem lebt der Text sehr von seinen Metaphern. Die gibt es wirklich all überall. Keine Seite ohne. Das ist durchaus gefährlich. Das kann leicht schief gehen. Nicht alles, was hinkt, ist schließlich ein Vergleich. Nicht jedes metaphorische Bild passt. Da guckt man nur einmal kurz nicht richtig hin und zack, hat einen der Kitsch überrollt. Das möchte man nicht. Und hier passiert es auch nicht. Hier stimmen die Bilder, die Metaphern sitzen. Ob das der Autorin oder dem Übersetzer zuzuschreiben ist, vermag ich nicht recht zu beurteilen. Aber es ist auf jeden Fall gut so.
Wie das ganze Buch. Eine Empfehlung.