Aus dem Regal: Spieltrieb von Juli Zeh
Von Señor Rolando
Ein Schulroman? Ernsthaft? Ernsthaft.
Dabei geht es streng genommen sogar um nur zwei Schüler. Ganz selten spielen auch andere mal eine Rolle. Diese beiden haben es jedoch in sich. Sie sind fein gezeichnete Charaktere, die so bühnenwirksam und ausdrucksstark daherkommen, dass sie wohl nur auf einem Privatgymnasium zueinander finden können. Um diese beiden geht es in Juli Zehs Spieltrieb.
Passender könnte der Buchtitel auch kaum sein. Denn genau darum geht es: um den Trieb zu einem Spiel, welches beide veranstalten. Es ist ein Spiel um Macht, es ist ein Spiel um Dominanz, es ist ein Spiel der Außenseiter, welche trotzdem – und genau genommen natürlich: deswegen – im Mittelpunkt stehen. Beide Schüler sind als Quereinsteiger an die Schule gekommen. Beide sind sie Einzelgänger, die sich jeweils selbst genug sind, die andere nicht brauchen, Bestätigung durch andere nicht brauchen. Und doch ergeben sie erst zusammen einen Sinn.
Das Spiel der beiden wird schnell ein perfides. Wie in einem kleinen Wettstreit darum, wer eigentlich verrückter, durchgeknallter, eigensinniger, intelligenter ist, bleibt bis zum Ende die Frage ein wenig offen, wer genau diese Vergleiche letztendlich gewinnt. Ist es der weitgereiste Alev, welcher in allem, was er tut dominant den Ton angibt? Oder ist es Ada, welche sich eher ruhig zurückhält, sich selbst genug ist? Oder ist es vielleicht die einzig relevante dritte Person, ein Lehrer, welcher zwischen beiden zerrieben wird?
Die Frage wird am Ende aufgelöst, auf eine Art zumindest. Es ist aber eigentlich gar nicht wirklich wichtig. Das Buch gewinnt nicht durch den Plot, auch wenn dieser dramaturgisch ausgezeichnet ausgefeilt ist. Dieses Buch gewinnt durch die Charaktere, die in ihrer Schärfe und Präzision ihrer Darstellung sowohl beeindrucken als auch ein wenig Angst hervorrufen. Es sind genau diese Emotionen beim Lesen, die den Text so wundervoll machen. Es ist die heimliche Vorstellung, dass zwei augenscheinliche Außenseiter in Wirklichkeit die wahrhaft Coolen sind, jene mit Ahnung und selbstsicherer Souveränität. Hier werden Teenieträume wahr. Hier darf man bis zum bitteren Ende die Hoffnung aufrecht erhalten, dass schon alles irgendwie gut ausgehen wird. Schließlich trägt die Schule ausgerechnet den Namen von Ernst Bloch, einem Philosophen der Hoffnung.
Tja, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Am Ende ist sie trotzdem tot.
Ein wundervolles Buch.