Gutenachtlauf
Von Señor Rolando
So fühlt sich das also an. So ist es, das Erlebnis in einer Laufgruppe.
Das mit dem Laufen passiert hier normalerweise nämlich so: Wenn die Gelegenheit passt, dann ziehe ich mir die passenden Sachen an, stöpsle mir etwas Musik oder gesprochenes Wort in die Ohren, laufe los und bewege mich allein durch den Wald. Bei der nächstbesten Gelegenheit wiederhole ich den Spaß. Gesellschaft suche ich mir beim Laufen eigentlich nur, um bei größeren Veranstaltungen mehr oder weniger grandios zu scheitern.
Heute wage ich einmal etwas komplett neues. Heute bin ich so richtig mutig. Heute schließe ich mich einer Laufgruppe an und trabe mit dieser durch die Gegend. Immerhin ist es nicht einfach irgendeine beliebige Laufgruppe, natürlich nicht. Es ist die Gruppe des Gutenachtlaufs. Das ist eine Aktion von Laufen gegen Leiden, wobei es sich um einen Verein handelt, der Gutes für Tiere tut, die sonst vom Glück nicht gerade verfolgt werden. Dieses Gute tun die Vereinsmitglieder, in dem sie in allen möglichen und unmöglichen Variationen durch die Gegend laufen und bei diesen Gelegenheiten Spenden einsammeln, die dann wiederum den besagten Tieren zugute kommen. Man kann somit laufend Gutes tun. Das ist so einleuchtend und einfach, dass man fast schon wieder ein schlechtes Gewissen dabei bekommt.
Heute also ein Gutenachtlauf. Den gibt es immer an Montagen Tagen mit Vollmond. Immer um 21:30 Uhr. Immer in verschiedenen Städten. Die Südstaaten sind mit dabei. Ich bin mit dabei. Heute zumindest. Und zusammen mit zwanzig anderen darf ich dabei ein Zeichen setzen. Ein ganz kleines nur, klar. Wir laufen schließlich einfach nur entspannt und von der restlichen Welt recht unbemerkt durch die Gegend. Aber es gibt Abende, die noch weniger zu bieten haben.
Als kleinen Bonus gibt es die Erfahrung eines Lauftreffs gratis mit dazu. Denn wir tun tatsächlich das, was ich mir sonst nur in meinen kühnsten Fantasien ausmale: Wir laufen in der ganzen Gruppe los; wir laufen nebeneinander; wir unterhalten uns dabei die ganze Zeit, mal über Schuhe, mal über Lauftechniken, mal über die Moral der Kombination aus beidem, mal über den Sinn und Unsinn des Belehrens anderer genau darüber; wir behindern Radfahrer; wir leuchten mit unseren Stirnlampen den Weg aus für Fußgänger, die ganz verdutzt und verschlafen hochschrecken. Es ist eine faszinierende Erfahrung.
Ob ich diesem Gesellschaftslaufen dauerhaft gewachsen bin, weiß ich noch nicht. Aber einer Sache bin ich mir recht sicher: Bei dem Lauf heute wurden keine Tiere verletzt, auch nicht die kleinen, charmanten Hasen, welche entlang der Alb laufend unseren Weg gekreuzt haben.
Das ist doch viel wert.