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Aus dem Regal: Ihr Pixelherz von Jan Fischer

Ihr Pixelherz Na endlich. Endlich gibt’s mal ein Buch, das zeigt, wie es aussieht, wenn man nicht nur die Online-Welt betrachtet, sondern auch die Offline-Welt. Also, wenn man sie als getrennte Welten betrachtet. Mit Ihr Pixelherz macht Jan Fischer nämlich genau das: Er schickt seinen ich-erzählenden Protagonisten des Nachts in eine abgewrackte Online-Welt, die den Charme des verblichenen Second-Life hat. Dort verliebt er sich in eine Dame, es ist natürlich eine rein virtuelle. Und ebenso natürlich kommt, was kommen muss: Er vernachlässigt seine Freundin aus der anderen Welt, verliert sie letztendlich sogar. Ohne die andere gewinnen zu können.

Es ist eine durchwachsene Geschichte. Die Ich-Perspektive ist stellenweise ein wenig gewöhnungsbedürftig. Zum Gewöhnen bleibt wiederum wenig Zeit. Der Text gehört zu den Kürzeren. Bei Culturbooks wäre es eine Single. Hier bei Mikrotext gibt’s wohl keinen schönen Namen für das Format, macht ja nichts. Man braucht trotzdem einen Moment, um sich reinzulesen. Und dann ist die Geschichte auch schon fast vorbei.

Auch mal nett, so ein leicht irritierender Quickie für zwischendurch. Und das mit der künstlichen Trennung zwischen Off- und Online können wir dann auch gern wieder sein lassen.

4 Antworten auf „Aus dem Regal: Ihr Pixelherz von Jan Fischer“

Diese modernen Verlage, man macht mit ihnen was mit. Digitalverlage nannte man sie bis vor Kurzem noch. Dann fingen sie auf einmal an, auch gedruckte Bücher heraus zu bringen. Ein Durcheinander. Passenderweise beschreibt sich einer dieser jetzt schlicht als »digital-first-Verlag für neue Narrative und Texte mit Haltung«. Das kann dann im ganz konkreten Fall zum Beispiel bedeuten, dass eine Vampirnovelle zu haben ist.
Ja, tatsächlich. Eine Vampirnovelle. Das können sie gar nicht ernst meinen, dachte ich mir. Aber ein Blick in Audrey und Ariane von Jan Fischer zeigt, dass sie es wohl doch tun. Sie meinen das tatsächlich ernst. Es ist eine Vampirgeschichte. Und wie schon beim letzten Mal, als wir etwas von Jan Fischer hier vor die Augen bekommen haben, ist es gleichzeitig auch eine Liebesgeschichte. Und es ist wieder eine gescheiterte Liebesgeschichte.
Auch hier steht ein Mann, ein Junge fast noch, zwischen zwei Frauen. Während er in Disneyland einen Job als Touristenunterhalter hat, lernt er sie kennen. Mit einer könnte es glatt etwas werden. Das ist Ariane. Sie verstehen sich gut. Die Chemie stimmt, wie man so schön sagt. Das hat Potenzial. Das kann sich entwickeln. Bis Audrey auftaucht. Mit ihr ist alles etwas anders. Sie ist der Vampir. Sie zieht unseren Helden mit sich. Ganz langsam macht sie das. Ganz surreal wirkt es auf ihn. Stück für Stück vereinnahmt sie ihn. Und das ist gewissermaßen wörtlich gemeint.
Dieser Ansatz hat natürlich Potenzial. Und zwar vor allem das Potenzial, ins Kitschige abzudriften. Das passiert zum Glück jedoch nicht. Hier wird nicht einfach in den Hals gebissen und zack, sind da zwei Löcher drin und ein neuer Unsterblicher ist geboren. Nein, hier wird sich sanft voran getastet, stückweise verwirrt und verführt, jemand gebrochen. Und doch weiß man die ganze Zeit, dass der retrospektiv berichtende Ich-Erzähler dem ganzen entkommt. Ganz so schlimm kann es also alles nicht kommen.
Und doch. Es bleibt eine Vampirgeschichte. Es bleibt somit surreal, skurril, irritierend. Und das ist auf eine sehr angenehme Art sehr gut so. Dieser Text verstört ein klein wenig die gewohnt harmonische Textaufnahme, ohne dabei mit plumper, brachialer Gewalt zu nerven. Das ist sehr erfrischend.
Man mache jetzt nur lieber nicht den Fehler, vor lauter Freude auf die Empfehlungsalgorithmen der großen Buchversender zu vertrauen und dadurch ähnliche Texte zu finden. Da lauern Überraschungen, man möchte lieber nicht zu viel Details von ihnen mitbekommen. Zumal wahrscheinlich wenig von diesen modernen Verlagen dabei ist.

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