Die Sache mit dem Empörungsfasten
Von Señor Rolando
Was ist eigentlich aus dem großartigen Fastenplan geworden, dem Empörungsfasten? Es ging darum, sich einfach mal eine Zeit lang weniger aufzuregen und nicht jede Kuh zu reiten, die durch’s Dorf getrieben wird.
Nun, im Zeugnis würde wohl stehen: er hat sich stets bemüht.
Die Dramen der Tagesthemen habe ich ganz gut im Griff. Und ich teile meine Erfahrungen durchaus gern: Es hilft wahnsinnig, einfach mal genug zu tun zu haben. Dann bekommt man nämlich gleich viel weniger vom allgemeinen Medienzirkus mit. Und ich halte das für etwas gutes. Neil Postman sagte es schon vor 30 Jahren: Wir amüsieren uns zu Tode. Und ich ergänze: Es ist ein Unsitte. Die viele Aufregerei, das viele spontan entstehende Expertenwissen zu den großen Themen unserer Zeit: Das bindet viel wertvolle Energie. Meist hält es zwar nur ein paar Stunden an, quasi immer verpufft es jedoch wirkungslos. Und ich verrate sicher kein Geheimnis, wenn ich sage: Es ist viel beruhigender, wenn man sich mit sinnvolleren Tätigkeiten ablenkt, mit Sachen, von denen man wirklich was versteht, bei denen man nicht nur Experte für den Moment ist. Es fühlt sich nicht nur besser an, es lässt auch viele Momente der Versuchung zur Interimsempörung einfach verpuffen.
Eine ähnlich Gelassenheut wünsche ich mir selbst jetzt nur noch für’s traute Heim. Diese Momente, in denen den Kindern beim Essen ein Krümel vom Tisch fällt, obwohl man es selbst hat kommen sehen und sie trotz dezent höflich angebrachtem Hinweis nichts dagegen unternommen haben: Diese Momente sind nervenaufreibend, furchtbar geradezu. Sie treiben die eigene Contenance an die Grenzen der Belastbarkeit. Ich gebe es offen und ehrlich zu, wir sind ja hier unter uns: manchmal habe ich den Krümel nicht nur aufgehoben, sondern dabei auch ganz grimmig geguckt. Dieser Blick war Empörung pur.
Also gebe ich Ihnen einen Tipp: Wenn sich im nächsten Jahr wieder jemand mit seinem Zen des Empödungsfastens öffentlich brüstet, dann nicken Sie kurz anerkennend aber fragen lieber nicht nach, was hinter verschlossenen Türen abgeht. Es könnten sich Abgründe auftun.