Elternabende sind mein Zen
Von Señor Rolando
Irgendwo in Folge 7 des Audiokanals hier gleich nebenan habe ich erwähnt, grob geschätzte 20 Stunden ungehörter Podcasts herumliegen zu haben. Ganz offensichtlich höre ich somit ähnlich langsam wie ich lese oder gar schreibe. Es ist wirklich nicht leicht. Aber bekanntermaßen kommt man ja auch zu nichts.
Aber: Keine Angst! Ich werde an dieser Stelle nicht anfangen, aufzulisten, was da alles an noch unberührten Dateien im Abspielgerät herumliegt. Aber eines sei verraten: Es sind zwei oder drei Folgen Leitmotiv darunter. Das ist eine Interviewsendung, in welcher sich der Caspar C. Mierau als Gastgeber möglichst interessante Gäste einlädt, um sich mit diesen genau darüber zu unterhalten, was sie eben so interessant macht. Das ist ein, nun, interessanter Ansatz. Ich halte das für durchaus hörenswert. Mit interessanten Leuten kann man sich schließlich nicht genug umgeben. Auch wenn es natürlich bedauernswert ist, dass die Leitmotiv-Folgen immer etwas länglich sind. Für uns Zeitbanausen, die sich das gesprochene Wort hauptsächlich beim Laufen auf die Ohren legen, bedeutet das quasi zwangsweise längere Ausdauerlaufrunden. Man macht wirklich was mit.
Immerhin unterhalten sich auf einer solchen Runde plötzlich besagter Caspar und Señora Nuf über Elternabende. Dabei fällt auch der folgende Satz:
Bei allen, mit denen ich mich über Elternabende unterhalte, finden auch alle die Elternabende schlimm.
Bei allem angemessenen Respekt: Wir sollten reden. Denn das ist natürlich ein ganz großer Irrtum. Elternabende sind selbstverständlich etwas ganz Feines und unheimlich faszinierend. Ich verrate es an dieser Stelle gern: Ich gehe gern dort hin. Und ich mache das aus purem Egoismus.
Es beginnt damit, dass die Elternabende vor allem in der Kita ganz hervorragende Orte der meditativen Kontemplation sind. So sitzt man dort tatsächlich auf den kleinen Stühlen, die tagsüber für die Kinder gedacht sind. Während das in der obigen Podcastfolge jedoch als Manko durchklingt, ist es in Wahrheit eine große Chance. Denn bequem sind diese Stühlchen tatsächlich nicht. Mit etwas Geschick schafft man es jedoch, sich trotzdem hinzusetzen. Und macht dann genau das: Sitzen. Mehr geht nicht. Es wäre peinlich, vom Stuhl zu fallen. Also konzentriert man sich voll und ganz auf das Sitzen. Man macht nichts anderes. Man denkt nichts anderes. Man sitzt. Das ist Zen pur.
Irgendwann ist man mit dem Sitzen trotzdem durch. Irgendwann erreicht man die nächste Stufe der Erleuchtung. Der erste Tagesordnungspunkt ist jetzt möglicherweise schon abgeschlossen. Man nehme es gelassen. Es lässt sich eh nicht mehr ändern. Jetzt ist vielmehr die Zeit gekommen, den Blick über die Runde schweifen zu lassen. Die anderen Eltern, die Erzieher. Die meisten sitzen, irgendjemand steht vielleicht. Nur wenige sehen erleuchtet aus. Es ist erstaunlich.
Und jemand redet. Mal Erzieher, mal Eltern. Es ist ein Geben und Nehmen, ein Yin und ein Yang. Das gilt nicht nur für die Form. Das gilt auch für die Inhalte. Hier ist es tatsächlich so, wie im Podcast erwähnt: Es geht um die absurdesten Themen. Und es geht um noch absurdere Meinungen dazu. Aber das ist selbstverständlich kein Grund, sich abzuwenden. Nein, ganz im Gegenteil: Hier gibt es wieder die Chance, den eigenen Zen-Pegel zu pflegen. Das klappt durch einfaches Zuhören und In-Sich-Aufnehmen. Hier werden Trends zum Essen nach Farben erörtert; hier werden Konfliktlösungsstrategien für Kinder diskutiert, die sich gegenseitig Laubblätter vor die Füße schubsen; hier werden Theorien rund um den Mittagsschlaf des Nachwuchses vorgebracht, auf die man selbst wirklich niemals gekommen wäre. Es ist inspirierend und falls der allgemeine Flow einmal ins Stocken gerät, werfe man ruhig selbst sein Wort in die Runde. Es verhallt nicht im leeren Raum; es wird ganz sicher aufgegriffen; es darf sich entfalten; es wächst über sein ursprüngliches Potenzial ganz schnell heraus und entwickelt ein faszinierendes Eigenleben.
Wo sonst kann man das ungestört erleben? Man versuche das einmal zu Hause mit dem eigenen Partner. Also: man versuche das lieber nicht. Dieses Präsentieren eines Reizwortes oder gar -themas; dieses Beobachten, was daraus wird; dieses eigene, innerliche Analysieren der Reaktionen darauf: All das mache man bitte nicht zu Hause. Es könnte der eigenen Beziehung sehr abträglich sein. Die Kita und der Elternabend: Sie bilden die Einheit, welche den Raum für ein derart tiefenentspannendes Zusammenkommen mit anderen erwachsenen Personen erlaubt.
Der Elternabend, er ist eine Chance zur meditiven Reflektion. Er ist mein Zen.
Und jetzt plane ich erstmal meine nächsten Laufrunden, um mich auch durch die restlichen 19 Stunden Podcasts zu hören. Wer weiß, was dort noch für ungeahnte Schätze schlummern.
(Das obige Coverbild des Podcasts basiert übrigens auf diesem hier von Stefan Schmidt.)