Vom Ausschlafen und selbständigen Kindern
Von Señor Rolando
Das Leben als Familie ist ein latent anderes als das Leben nur so für sich allein. Andere Bräuche, andere Sitten, andere Verantwortlichkeiten.
So steht man mit Nachwuchs zum Beispiel vor der Aufgabe, eben diesen nicht nur groß- sondern auch zur Selbständigkeit zu erziehen. Das passiert nicht magisch von allein, man muss sich durchaus ein wenig darum kümmern. So ist derzeit zum Beispiel viel über die diversen Spielarten der sogenannten Helikoptereltern zu lesen. Dabei muss man diese gar nicht alle verurteilen. Das passiert nämlich ganz schnell und fast von allein. Einmal nicht aufgepasst und zack, helikoptert man so vor sich hin. Das heißt nichts anderes, als dass man in jeder wachen Minute der Kinder diese fest im Blick hat. Sie stehen einfach immer unter Kontrolle, sind nie allein, machen nichts ohne Beaufsichtigung.
Das ist oft gut gemeint von den Eltern. Sie möchten sich kümmern. Sie sorgen sich. Sie widmen sich ihren Kindern. Sie möchten die Eltern sein, von denen sie selbst schon immer geträumt haben.
Das ist natürlich nicht ganz frei von Nebenwirkungen. Die Gewöhnung, die einzieht, wird tatsächlich zur Normalität. Irgendwann können alle Beteiligten gar nicht mehr ohne einander auskommen. Die Eltern werden zu Dauerbetreuern, die Kinder zu Vollüberwachten. Was für den Moment noch akzeptabel erscheint, wirft jedoch die Frage auf, was langfristig daraus werden soll. Wann lassen wir ein wenig los, ab wann darf jeder auch für sich selbst da sein, hat mal Momente ohne die anderen? Wenn die Kinder zu Teenagern werden, als Twens, ab Dreißig?
Nein, da sollte man ruhig rechtzeitig ans Werk gehen. Ruhig schon mal in frühen Jahren die Zügel ein wenig locker lassen. Und ich habe da auch einen ganz praktischen Tipp parat: Schlafen Sie einfach mal wieder aus!
Ja, genau: Ausschlafen als Hilfe bei der Erziehung. Einfach mal Liegen bleiben für den familiären Weltfrieden. Wir haben das hier im Haus einmal aufopferungsvoll getestet. Und was soll ich sagen? Es funktioniert.
Zum Einstieg nehme man sich ein Wochenende. Für die Kinder sind das schlaftechnisch Tage wie alle anderen auch. Sie stehen einfach auf, wie an jedem der sonstigen Tage. Für Nichteltern sei verraten, dass wir somit von morgens sechs Uhr, vielleicht halb sieben reden. Das geht. Das kann man machen: einfach automatisch wach werden. Kinder brauchen zu dieser Zeit noch nichtmal einen Wecker.
Als Eltern jedoch bleibt man bitte einfach liegen und schläft weiter. Sollte ein Auge zucken und die Routine drohen, es zu öffnen: widerstehen Sie dem! Drehen Sie sich lieber um und schlafen einfach weiter.
Wenn Sie die Kinder bis hierher einigermaßen brauchbar erzogen haben, werden sie schon nicht im Pyjama das Haus verlassen und nach draußen auf die furchtbar gefährliche Straße laufen. Stattdessen bleiben sie drin und sind froh, endlich mal in Ruhe spielen zu können, ohne dass sich ständig jemand einmischt und den Spaß beenden möchte. Endlich kann der Nachwuchs wirklich restlos alle vorhandenen Legosteine zu den unmöglichsten Gebilden formen. Endlich können auch die kompliziertesten Puzzle zusammengesetzt werden. Endlich kann auch der letzte Rest freien Papieres bemalt werden, ohne dass sich jemand einmischt. Endlich können sich die Kinder auch ungestört gegenseitig darauf hinweisen, was sie jeweils falsch machen, ohne, dass irgendein Erwachsener laufend meint, das gleich als Streiten bezeichnen zu können, welches doch bitte zu unterbleiben hat.
Endlich herrscht kreative Ruhe im Haus. Nach etwa drei Stunden haben sich die Kinder langsam warm gespielt. Sollte man selbst dann gegebenenfalls nicht mehr liegen können und plötzlich überraschend im Kinderzimmer sehen lassen, kann es jedoch passieren, dass der Nachwuchs nur ungläubig guckt und fragt, ob man wirklich schon wach sei. Nur mit Mühe können Sie dann vielleicht wenigstens eines der Kinder überreden, mit ins Bad zu kommen. Wenn das jedoch klappt, bekommen sie dieses immerhin ausgehfertig gemacht und können es mit zum Bäcker nehmen. So brauchen Sie dort wenigstens nicht allein aufzutauchen, das wäre ja auch unangenehm, so kurz vor Ladenschluss.
Beim Frühstück haben Sie übrigens auch Ihre Ruhe. Die Zeitung ist jetzt sicher schon da. Die Kinder essen ruhig, weil sie wirklich langsam Appetit bekommen haben. Nur um den frischen Kaffee müssen Sie sich vielleicht noch selbst kümmern.
Aber so insgesamt kann ich das Konzept sehr empfehlen. Also lassen Sie ruhig mal los. Lassen Sie die Kinder einfach mal ein wenig in Ruhe. Es tut ihnen gut und in diesem Fall auch den Eltern gar nicht weh.
Wenn das mal nichts ist.