And now for something completely different. Wie zum Beispiel: Verreisen ohne Familie. Das ist ja eine Unsitte, die in der Tat selten geworden ist. Wenn ich das dann doch mal mache, kann es sich auch lohnen. Also warum nicht mal ans Meer fahren? Das Meer geht schließlich immer. Das hat sich bewährt. Zumindest mit Familie ist das Meer ganz fein. Die Küste auch. Warum soll das nicht allein ebenfalls eine Freude werden?
Gedacht, geplant, ausprobiert.
Und damit man es aus den Tiefen der Südstaaten auch wirklich pünktlich bis an die Küste schafft, muss man natürlich früh aufstehen. Aber den Frühaufstehern gehört eh die Welt. Ich habe mir sicherheitshalber trotzdem einen Wecker gestellt. Kaum war ich im Bad, kam jedoch auch der Sohn hereingetorkelt. Ganz ohne Wecker ist er auch schon wach. Als Weltretter in spe hat er die Sachen mit der Morgenstund, dem frühen Vogel, dem Gold, dem Wurm und wie die ganzen Sprüche so heißen, abrufbereit verinnerlicht. Ich glaube, wenn ich ihn nachts um drei wecken würde und sage, dass es Zeit zum Aufstehen sei, hätte er seine Zähne geputzt bevor ich den miesen Witz aufklären könnte. Es ist zum Verzweifeln. Und so sitzt er jetzt im Bad auf seinem Hocker und textet mich zu einer Zeit voll, die noch weit vor dem ersten Kaffee liegt.
Dabei sagt er gar nicht viel, sondern wünscht mir nur eine gute Reise, sagt, ich mache das schon und viel Spaß soll ich auch noch haben. Ich putze mir weiter die Zähne und wundere mich über diesen weltgewandten Hochstapler erst, als er schon längst wieder verschwunden ist und in seinem Zimmer neue Weltrekordtürme aus Legosteinen baut.
Wer schlau ist, stört ihn dabei übrigens lieber nicht. Also verabschiede ich mich dezent, er winkt nur wortlos, ich schließe die Tür. Den ersten Kaffee des Tages gibt es in Hamburg. Von da aus geht es noch ein wenig weiter. Wir nennen es schließlich Arbeit. Dabei soll man es ja auch nicht zu schön haben. Wir Männer in grauen Anzügen wissen, was wir zu tun haben und ziehen uns zurück in irgendwelche Besprechungsräume. Diese heißen mal Jolle, mal Optimist, wir sind wohl in Kiel. Es soll aber noch Stunden dauern, bis ich merke, dass “fast an der Küste” letztlich genauso weit vom Wasser entfernt ist wie gleich im Schwarzwald sitzen zu bleiben.
Mitten auf dem Rückweg, es ist wohl bei einer weiteren Tasse Kaffee in Hamburg, lässt der Sohn über die Dame des Hauses in seiner gewohnt trockenen Art anfragen, warum ich nicht ins Hotel gehe und einfach während der Arbeit noch etwas Urlaub mache.
Tja, er hat’s geschafft und der Tag endet, wie er begonnen hat: Während man selbst glaubt, die Lage voll im Griff zu haben, ist der Sohn schon längst einen Level weiter.