Vorschülerei
Von Señor Rolando
Woran merkt man eigentlich, dass die Zeit nur so dahin fliegt und die Kinder immer größer werden? Zum Beispiel daran, dass auf einmal ein Vorschüler mit im Haus wohnt.
Dieser sitzt dann ganz unschuldig am Tisch, zählt erst die vorhandenen Stückchen Kuchen vor sich durch und anschließend die Personen um sich herum. Er stellt fest: 6 Stück Kuchen, 4 Personen. Der Sohn fängt an zu rechnen. Jeder bekommt erst mal ein Stück ab. Danach wird es kompliziert. Mama und Tochter könnten jeweils noch ein Stück bekommen. Oder Papa und Sohn. Oder die beiden Kinder. Aber sicher nicht nur die Eltern, oder? Nein, das wäre ungerecht. Aber durchschneiden könnten wir die beiden Stückchen. Dann hat doch jeder etwas davon. Das wäre doch toll. Und während er so theoretisiert und erzählt, bringt sich der Vorschüler des Hauses schon mal en passant selbst die Bruchrechnung bei.
Was nicht heißt, dass er den kreativen Künsten abgeschworen hat. Natürlich macht er, was Kinder in dem Alter oft so tun. Er malt zum Beispiel. Viel. Von diesem Fleiß können wir Erwachsenen uns viel abschauen. Da ist noch Leidenschaft am Werk. Und doch ist eine gewisse Effizienz zu erkennen. Malt der Sohn zum Beispiel einen Teich, in dem zwei große Fische auf den Besuch des Reihers warten, so sind die Fische der komplizierte Teil. Sie brauchen nicht nur Kopf und Körper. Es gehören auch diverse Flossen, Schuppen und Kiemen dazu. Das ist nicht leicht. Braucht man zwei Exemplare von der Sorte, muss man sehen, wo man bleibt. Da kann es passieren, dass der interessierte Betrachter am Ende nur einen Fisch auf dem Bild erkennt. Es sind in Wahrheit natürlich trotzdem zwei. Und damit das auch den Uninspiriertesten verständlich wird, schreibt der Sohn eine große “2” oben drauf. Mitten auf den Fisch. Alles klar, oder?
Ein Vorschüler wohnt im Haus. Man sieht es ganz deutlich. Auch wenn es irgendwie nicht immer ganz leicht ist.