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Gemisch von vielen Sorten Gemüse

Der Sohn wird langsam erwachsen. Man merkt es nicht nur daran, dass er dieses Jahr in die Schule kommt. Man merkt es auch an seinen Umgangsformen. Sie werden wirklich immer geschliffener. Da wirkt nicht mehr nur kindliche Naivität und Direktheit. Man merkt jetzt, wie er immer professioneller versucht, taktisch zu agieren und strategisch geschickt Fäden im Hintergrund zu ziehen, die später ihre vordergründige Wirkung entfalten können.

So wird zum Beispiel seine Kritik immer subtiler. Anfangs hat er sich noch im Fall einer Meinungsverschiedenheit mit uns Eltern einfach mehr oder weniger schreiend auf den Boden geworfen, bis wir in irgendeiner Form reagiert haben. Das passiert heute seltener. Heute bleibt er lieber gelassen auf seinem Stuhl sitzen. Das ist besser als sich auf dem Boden zu wälzen. So kann er zum Beispiel während seines gleich einsetzenden Protests noch locker seinen selbst gemixten Cocktail durch den Strohhalm schlürfen. Ergänzt wird diese erhabene Eleganz durch seine Wahl dessen, was er kritisiert. Als Baby und Kleinkind sind das ja eher momentane Anlässe. Da geht’s noch um das, was einen gerade umgibt und das, was im aktuellen Moment besonders auffällig ist. Mal ist es das Gummibärchen, welches man nicht essen darf. Ein anderes Mal ist es das falsche Paar Socken, welches man anziehen soll. Das sind Ungerechtigkeiten, auf die man spontan reagieren muss. Da hilft auch kein gelassen eingestreuter Kommentar. So etwas verstehen Eltern nicht, das nehmen sie nicht angemessen ernst genug. Da hilft nicht viel mehr, als sich adäquat auf den Boden zu werfen und panisch strampelnd ein wenig herumzuschreien.

Ganz anders sieht die Lage für sechsjährige Vorschüler aus. Natürlich brauchen auch diese ihre Gummibärchen noch. Und natürlich ziehen auch diese nicht jedes beliebige Paar Socken an. Aber wenn man es clever anstellt, dann hat man mit sechs quasi ausgesorgt. Die Süßigkeiten gibt es aus der eigenen Vorratskamer. Und die Klamotten für den Tag wählt man sich natürlich eh selbst aus. Wenn man das ein paarmal ganz vernünftig macht, werden Eltern für diese Entlastung im Stress der Morgenroutine dankbar und gewähren einem die Freiheit gern. Was dann mit dieser passiert, darüber schweigen wir uns an dieser Stelle wohl lieber aus.

Zumal es ganz andere Themen gibt. Größere Themen. Themen, bei denen man auch als Kind in der Familie aufpassen muss, dass man nicht zu kurz kommt. Die Wahl des korrekten Abendessens zum Beispiel. Das kann man nicht den Eltern überlassen. Es ist unverantwortlich, was dabei herauskommt. Wenn’s nach mir ginge, gäb’s zum Beispiel immer etwas mit Brot. Helles Brot, dunkles Brot, Vollkornbrot, Dinkelbrot, Mischbrot, Kartoffelbrot, Zwiebelbrot, Brot mit Kümmel, Brot als Baguette, Ciabatta, Brot als Kringel, Brot als Ball, Brot als langgezogene Pyramide – Brot geht immer. Man kann es obendrein auch noch hervorragend kombinieren. Frisches Brot mit Butter geht ja immer. Oder es kommt Frischkäse darauf. Oder Schwarzwaldcreme. Oder Pesto. Oder Guacamole. Oder Tomaten. Oder kleingeschnittene Tomaten als Bruschetta. Ergänzend spießt man sich Oliven auf und isst sie dazu. Oder, als bekennender Flexitarier gebe ich das unumwunden zu, man dreht sich kleine Schinkenröllchen. Oder man spielt etwas mit Käse herum. Davon gibt es sehr viele verschiedene Sorten. Das wird alles nicht langweilig. Da geht sehr viel. Brot zum Abendessen: das ist generell etwas ganz Feines.

Der Meinung ist der Sohn jedoch überhaupt gar nicht. Er findet Brot zum Abendessen eher, nun, gar nicht so toll. Er weiß aber, dass ich für unqualifiziertes Herumjammern über das Essen nicht sonderlich empfänglich bin. Also sitzt er, wie gesagt, ganz ruhig da, schlürft an seinem Glas herum und sagt mir in einem wohl lange trainierten aber komplett desinteressiert klingenden Tonfall, dass er eine sehr großartige Idee für ein neues Rezept hat. Es hört auf den unscheinbaren Namen Gemisch von vielen Sorten Gemüse und man braucht dafür lediglich:

  • Tomaten
  • Milch
  • Reis
  • Erbsen
  • Das alles wird kurz vermischt und kommt in den Kühlschrank. Für eine ganze Minute. Wenn man es eilig hat, reicht auch eine halbe. Danach kommt alles ganz schnell in den Backofen. Aber bitte nur für 1 Minute länger als es im Kühlschrank war. Et voilà.

    Das Rezept ist in seiner Schlichtheit wirklich bestechend. Da kann man gar nicht viel falsch machen. Die Botschaft des Sohnes ist ganz klar: das sollten wir ganz schnell mal probieren. Dann gibt es endlich etwas Vernünftiges zu Essen in diesem Haus. Noch viel deutlicher kann er es ja nun wirklich nicht mehr sagen. Man sieht’s ihm auch förmlich an: Es war ihm ein Bedürfnis. Es lag ihm sehr am Herzen, die Botschaft endlich mal klar rüber zu bringen und seine Kritik am Einheitsfraß mit Brot endlich mal dezent loszuwerden.

    Ich verstehe ihn, so ist’s ja nicht. Und am besten schlage ich ihm vor, zu seinem tiefgefrorenen Gemüseauflauf ein frisches Baguette zu servieren. Ich glaube, das passt ganz gut.