Erziehung ist eine heikle Angelegenheit. Zu ihrer Gestaltung gibt es wirklich sehr viele Ansätze. Sie unterscheiden sich ganz grundlegend. Es ist ein riesiges Feld, welches sich einem dabei auftut. Ich empfehle wirklich jedem, der der nicht gerade Kinder zu Hause herumlaufen hat und sich bisher noch gar nicht groß Gedanken um Erziehungsfragen gemacht hat, es auch weiter so zu halten. Man wird sonst verrückt. Glauben Sie mir ruhig.
Wenn Kinder mit im Haus wohnen, ist das natürlich nicht mehr ganz so einfach. Müsste ich jetzt ganz ehrlich sein, würde ich wohl zugeben, dass diese letztlich zwar eh machen, was sie wollen. Aber so viel Ehrlichkeit braucht niemand. Lieber halten wir noch ein wenig die Illusion aufrecht, dass wir durchaus etwas beeinflussen können. Lieber glauben wir noch eine Weile, dass wir die Erziehung und somit das Verhalten der Kinder fest im Griff haben. Dafür ist es übrigens wichtig, dass Eltern immer an einem gemeinsamen Strang ziehen. Man suche sich somit einen erziehungstheoretischen Ansatz aus und lebe diesen schließlich als harmonisches Elternteam.
Hier im Haus sieht das zum Beispiel so aus, dass wir versuchen, einen eher positiv orientierten Ansatz zu fahren. Wir versuchen also, den Kindern die Vorzüge eines harmonischen, höflichen und rücksichtsvollen Miteinanders zu vermitteln. Wir versuchen dabei möglichst, auf simple Bedrohungsszenarien zu verzichten. Es geht uns also eher darum, den Kindern zu verraten, dass es ganz toll ist, wenn wir uns alle in normaler Lautstärke unterhalten, dabei weder wild strampelnd auf dem Boden liegen, noch laut die Türen knallen, während wir mit frisch in der Kita aufgeschnappten Schimpfwörtern um uns werfen. Das finden wir hier viel toller als einfach nur lautstark anzusagen, dass gefälligst Ruhe in der Bude zu herrschen hat, da ansonsten die Gummibärchen für vier Wochen gestrichen würden. Es geht also um Werte, es geht um Verständnis, es geht um Zuneigung. Es geht um das Positive, nicht den Entzug und nicht die Verbote.
Was ist die Theorie doch schön.
Erst kürzlich konnten wir sie wieder in ihrer ganzen Pracht entfalten. Nehmen wir zum Beispiel einem ganz normalen Tag unter der Woche. Die ganze Familie ist tagsüber arbeiten, die Eltern im Büro, die Kinder in der Kita. Am Abend sitzen wir alle zusammen, erst friedlich und harmonisch, dann erkennend, dass wir doch reichlich geschafft sind vom Tag. Er war schließlich lang. Da kann man schon mal ein wenig erschöpft sein, müde gar. Das äußert sich bei allen natürlich auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Während die Eltern immer ruhiger werden und darum kämpfen, dass ihnen beim Essen nicht einfach der Kopf auf den Tisch fällt, drehen die Kinder noch einmal kurz auf. Es ist ein letztes Aufbäumen vor der Ohnmacht. Wenn man in dem Moment einmal kurz nicht aufpasst, weil man zum Beispiel gerade seinen eigenen Kopf oberhalb der Tischkante jongliert, dann liegt auf einmal eins der Kinder auf dem oben erwähnten Boden und strampelt. Sobald der eigene Kopf wieder repräsentabel aufgerichtet ist, kann man ihn auch gleich planlos hin- und herschütteln. Denn eine Erklärung für das spontan geänderte Verhalten des eigenen Kindes fällt einem nicht ein. Wir greifen also zur Routine und zu unserem erprobten Schatz von Erziehungsmaßnamen. Wir schildern der Tochter, dass das gemeinsame Zusammensein am Tisch viel schöner ist als das bockige Herumvegetieren auf dem Fußboden. Wir fragen sie nach den Gründen ihres Ausrastens, um auf diese eingehen zu können. Wir versuchen, sie mit positiven Anreizen zur Kooperation zu bringen. Warum soll das Kind schließlich nicht ruhig noch einmal auf dem Schoß sitzen, um ihren Nachtisch zu essen? Eben, das kann man ruhig schon mal anbieten. Auch wenn das Angebot gnadenlos abgelehnt wird.
Irgendwann kommt der Moment, in dem man die Taktik ändern muss. Sonst fährt sich das Positive fest und kommt nicht weiter. Ab und zu kann man ruhig mal etwas Kontrast einstreuen. Das bringt Farbe ins Spiel. Es ist wie die berühmte Ausnahme von der Regel. Also sagt die Dame des Hauses:
“Jetzt setzt Du Dich bitte ordentlich an den Tisch. Ansonsten bringt Dich heute der Papa ins Bett!”
Zack, sitzt die Tochter auf ihrem Stuhl, nimmt ihr Besteck korrekt in die Hände und isst, wie es sich in einem vornehmen Haushalt nun mal gehört. Sie ist wirklich ein wohlerzogenes Kind.
Wie gesagt: Es ist wichtig, dass wir als Eltern an einem gemeinsamen Strang ziehen. Dabei übernimmt jeder seine angemessene Rolle. So wird man auch als moderner Mann von heute gerecht und vollwertig in die Erziehung der Kinder einbezogen. Und sei es nur als Schreckgespenst.
4 Antworten auf „Schreckgespenst“
Oh, good cop, bad cop? Sind diese Rollen gemeint?
So euphorisch habe ich das jetzt noch gar nicht gesehen.
Vor dem Hintergrund des Schreckgespenstes erscheinen die positiven Signale auch viel schöner! 🙂
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