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Spoilerwarnung

Kindererziehung ist ein knallharter Job. Wer glaubt, dass man sich den Nachwuchs zulegt, weil er einen mit strahlendem Lachen früh am Morgen mit Elan aus dem Tiefschlaf reißt, liegt natürlich goldrichtig. Aber den Erziehungsjob gibt es gratis dazu. Er ist auch nicht verhandelbar. Stellt man sich ihm nicht, nehmen die Kinder die Sache glatt selbst in die Hand. Das möchte man nicht. Glauben Sie mir.

Nach einigen Jahren Erfahrung kann ich mittlerweile sagen, dass dieser Job durchaus seine Vorteile hat. Er ist zum Beispiel vielseitig. So gibt es die Fragen des gesitteten Umgangs miteinander, auf die es Antworten zu finden gilt. Es gibt Tischsitten. Es gibt Kleiderordnungen beziehungsweise Verhandlungen darüber, bis zu welchem Toleranzbereich man sich hier gegenseitig inspirieren kann. Es gibt die Vermittlung von sinnvollen Wertvorstellungen, damit die Kinder später nicht in grenzdebilen Castingshows enden. Und es gibt Verkehrserziehung.

Das ist überhaupt ein weites Feld, das mit dem Verkehr. Denn wer jetzt glaubt, dass es einfach nur darum geht, dass man nicht einfach blind die linke Spur der Autobahn zur Fußgängerzone erklärt, irrt gewaltig. Nicht bezüglich der linken Spur. Das stimmt schon so. Aber das Spektrum der Fragen rund um den Verkehr ist doch deutlich breiter.

Man betrachte nur einmal die Wahl der möglichen Verkehrsmittel und die Toleranz, welche man dabei an den Tag legen kann. Wie schon mal erwähnt, sind wir durchaus bekennende Autofahrer. Das geht aber doch nicht so weit, dass wir nicht andere Arten der Fortbewegung vollkommen ablehnen. Man muss schließlich gönnen können. Auch darum geht es bei der Erziehung. Sollen andere somit ruhig machen, was sie für sinnvoll erachten. Radfahren zum Beispiel. Wir bremsen sogar für Radfahrer. So ist’s ja nicht. Wer im Auto sitzt hat schließlich vier Räder, mit denen er warten kann. Da ist das nur fair.

Aber nicht nur Radfahrer werden hier toleriert. Nein, die Akzeptanz gilt selbstverständlich auch quasi allen anderen sogenannten Verkehrsteilnehmern gegenüber. Fußgänger? Sollen sie doch laufen. Mopedfahrer? Nur zu, unter dem Helm erkennt man sie eh nicht. Laster, Trecker, Bagger? Total super, wir haben schließlich Kinder dabei. Straßenbahn? Durchaus, aber bitte nur die neuen, mit dem flachen Einstieg und irgendwelchen besonderen Farben; der Sohn hat es mir mal erklärt, worauf es bei Straßenbahnen ankommt, ich habe es wieder verdrängt. Andere Bahnen, ein ICE gar? Klar, kein Problem, tolerieren wir alles. Und selbst anderen Autofahrern sind wir einigermaßen aufgeschlossen gegenüber. Das Gros von ihnen ist gar nicht komplett dämlich und unfähig. Die meisten können sogar besser fahren als wir hier. Na, zumindest besser als ich. Aber das ist kein Problem, das tolerieren wir. Sollen sie ruhig. Unsere Großzügigkeit kennt sogar dermaßen wenig Grenzen, dass wir bei der Wahl des Gefährts den meisten Leuten ihren Geschmack nicht vollkommen absprechen. Große Autos, kleine Autos, hohe Autos, flache Autos, lange Autos, kurze Autos, Autos mit zwei Türen, drei Türen, vier Türen, fünf Türen: das gibt es alles, das kann man alles ruhig fahren. Wir vermitteln den Kindern, dass das alles Ergebnisse einer freien Wahl sind, dass die meisten Leute sich das jeweils genau so ausgesucht haben, dass sie selbst am besten wissen, was für sie gut und geeignet ist, dass wir uns da kein Urteil drüber erlauben. Die Kinder nicken, sie sagen “Ahh” und “Ohh”. Sie haben verstanden. Sie tolerieren. Sie sind einfach gut erzogen.

Nur neulich saß der Sohn auf einmal da, guckt sich um, denkt kurz nach, neigt den Kopf nach links, neigt ihn nach rechts und sagt schließlich: “Also wenn ich mal groß bin, dann hole ich mir ein rotes Auto. Mit Spoiler!”

Jetzt wird es bunt. Wo hat er solche Ideen nur her?

Der Sohn ergänzt: “Zwei Spoiler! Einer vorn und einer hinten.”

Offenbar ist es an der Zeit, etwas autoritärer zu erziehen. Es gibt schließlich Grenzen.