Wir waren also auf Klassenfahrt. Nach Helgoland ging’s. Das ist eine Insel. Man fährt für gewöhnlich mit dem Boot dorthin. Das möchte gut vorbereitet sein. Klassenfahrtprofis wissen das natürlich. Ergo waren wir bekanntermaßen schon am Tag vorher in Hamburg. Das Erreichen der Fähre war somit quasi gewährleistet. Den eher ungeschickten Teil meiner Navigationskünste habe ich auch vorausschauenderweise bereits an der U-Bahn auf dem Festland abgewetzt. Besser geht’s doch gar nicht. Da konnte nur noch das Wetter verrückt spielen.
Das Wetter? Reden wir über das Wetter. Wenn es schon nicht mit uns spricht. Was vielleicht ganz gut so ist, denn es käme eh nur heiße Luft dabei heraus. Wind machen kann das Wetter nämlich. Reichlich sogar. Dermaßen reichlich, dass wir noch am Tag der Überfahrt beim Frühstück sitzen und uns fragen, ob das mit dem zeitigen Aufstehen wirklich so eine sinnvolle Idee war. In solchen Momenten ist es übrigens sehr hilfreich, Kinder dabei zu haben. Vor allem, wenn diese bei der Feststellung des frühen Aufstehens einen Blick aufsetzen, der ganz klar ihren Verdacht auf vorsätzliche Täuschung durch die Erziehungsberechtigten ausdrückt. Also streichen wir die Zweifel an dem Sinn der Uhrzeit wieder und gucken stattdessen lieber im Hafen nach, ob ein Boot dort auf uns wartet.
Es wartet ein Boot.
“Dann kann das mit dem Wind so schlimm ja nicht sein”, denke ich mir. Wir gehen an Board und das Gefährt setzt sich in Gang, um mit erstaunlicher Gelassenheit die Elbe herab zur offenen See zu gleiten.
Unterwegs lassen wir die frisch versenkten Boote einfach links liegen. Wir schöpfen Kraft aus dem Elend der anderen. Das mag verwerflich klingen, ist es aber gar nicht. Das Leben auf dem Wasser, es ist ein raues. Da ist man auf sich allein gestellt, kämpft mit der Natur bis man quasi eins mit ihr wird. Letztendlich sind wir so mit ihr verschmolzen, dass wir den Winden trotzen und die Insel einnehmen.
Das stellt man sich am besten so vor, dass wir erhobenen Hauptes und mit froher Miene zum schaukelnden Spiel vom Boot wanken und uns selbst mitsamt Gepäck zum charmanten Hotel auf der Insel schleppen. Die weiteren Aktivitäten auf der Insel fassen wir einfach mal als angemessen für eine Klassenfahrtgesellschaft zusammen und hüllen uns ansonsten in Schweigen. Die Sache mit den Details wird gemeinhin eh ganz furchtbar überschätzt. Also wirklich.
Konzentrieren wir uns eher auf das Wesentliche. Die Rückfahrt zum Beispiel. Wie es sich für eine wilde Gang im besten Alter gehört, haben wir diese für den letzten möglichen Tag der Fahrt des Katamarans von der Insel zum Festland geplant. Soviel Kick muss sein. Auf Reisen gehen heißt immer auch, ans Limit zu gehen. Oder darüber hinaus. Wenn diese Fahrt zum Beispiel abgesagt wird. Wegen noch mehr heißer Luft. Oder kalter. Auf jeden Fall Luft. Und zwar viel davon. Die Warnung kommt immerhin rechtzeitig. Wir buchen um. Und lassen uns somit schon einen Tag früher als geplant über das Wasser nach Hamburg schaukeln. Wäre das hier nicht ein ordentliches Familienblog, ich würde sagen: Es ist zum Kotzen. Da das hier aber ein ordentliches Familienblog ist, sage ich lieber, dass die dem Kotzen vorbeugenden Reisedrogen eine wahrhaft sinnvolle Erfindung sind. Ich möchte das ruhig mal recht deutlich in aller angemessenen Diskretion anpreisen. Ich nenne auch keine Produktnamen, so ist’s ja nicht.
In der Retrospektive stelle ich heute ganz banal fest: Wir können problemlos aus den Südstaaten in die Nordstaaten fahren. Wir können über das Wasser zu den Inseln reisen. Wir können sogar den Hamburger ÖPNV bezwingen. Und wir können einen der letzten noch fahrenden Züge in Richtung Heimat erwischen. Aber das Wetter, das haben wir nicht im Griff. Man mag das als ein Eingeständnis von Schwäche werten. Man mag das gutheißen. Oder man mag anerkennen, dass der Sturm auf den Namen Christian hört. Klar, oder? Einem weiblichen Windhauch würde man derartig wilde Eskapaden wie jene der letzten Tage nämlich eher nicht zutrauen. Man verschone mich bitte auch weiterhin mit politischer Korrektheit. Die bringt’s doch nicht.
Ein Trost bleibt immerhin: Aus gut unterrichteten Kreisen hört man, dass das oben erwähnte Hotel zumindest in seinen Grundzügen noch steht und sich nicht hat wegwehen lassen. Fahren Sie doch ruhig mal hin. Das lohnt sich ja eh. Insel und so. Sie können Ihre ganze Klasse mitnehmen. Vielleicht geht’s aber auch ohne.
4 Antworten auf „Schaukelware zur Klassenfahrt“
[…] bei Maximilian nach (Bilder, mehr Bilder, noch mehr Bilder), bei Señor Rolando (hier oder hier), bei Markus Trapp, beim Eimerchen (hier und hier), bei Little Jamie. Habe ich jemanden vergessen? […]
[…] in jedem Jahr, ein paar andere Bloggerinen dabei, etwa Eimerchen (zweimal), Herr Trapp, Rolando (zweimal), […]
[…] Littlejamie (hier und hier), Eimerchen (hier und hier) und Señor Rolando (hier, hier und hier) schon ausführlich und mit tollen Bildern berichtet haben. Und vorher konnte ich die Herbstlesung […]
[…] war noch was, neulich, als man uns einfach vorzeitig von der Insel verwies und wir anschließend in dieser Hansestadt herumhingen, in dieser Stadt, welche zumindest in Teilen […]