Chefsache
Von Señor Rolando
Bei vielen Leuten ist es tatsächlich so, dass sich mit dem Einzug von Kindern im Haus die Frage nach der allgemeinen Lebensgestaltung neu stellt. So ein klein wenig zumindest. Bei manchen wird’s dabei schnell esoterisch oder zumindest abstrakt-theoretisch. Sie verlieren sich dann schnell in Debatten über eine ausgeglichene Work-Life-Balance, wobei nicht immer klar erkennbar ist, was genau dieses Work, das Life oder gar die Balance zwischen den Beiden eigentlich sein soll.
Bei anderen wird die Sache hingegen etwas konkreter. Sie erörtern nicht die platonische Idee der umfassenden Lösung auf Alles und Jedes sondern überdenken ganz schlicht ihre Karrierepläne neu. Das bedeutet dann keineswegs, dass jemand, der Kinder bekommt, zwangsweise seine Karriere in den Wind schreibt. Um Himmelswillen. Vielmehr geht um die Frage, was das eigentlich ist: Karriere. Es geht darum, was man so macht, am Ende dieser Karriere, also nachdem man anständig befördert wurde. Ich stelle die Frage ruhig mal ganz profan in den Raum: Was macht eigentlich ein Chef?
Na? Eben. So ganz einfach fällt die Antwort den meisten von uns gar nicht. Dabei beobachten oder sind wir es fast jeden Tag. So schwer kann das doch wirklich nicht sein. Jetzt darf jeder bitte einmal ein wenig Abstand nehmen und überlegen, was es heißt, ein Chef zu sein.
Eltern sind bei dieser Frage natürlich mal wieder klar im Vorteil. Sie können einfach ihre Kinder fragen. Diese sind für gewöhnlich nämlich erstaunlich gut darin, einfache Fragen aus der gebührenden Distanz zu betrachten und klare Antworten zu geben. Wie zum Beispiel der Sohn hier im Haus. Er saß kürzlich auf dem Balkon, ließ seine Beine frei in der Abendluft schaukeln und die Augen über einen weitläufig leeren Firmenparkplatz schweifen. Ein einsames Auto stand dort herum. Der Nachwuchs meint: “Guck mal, Papa. Der Chef ist noch auf der Arbeit. Dort steht sein Auto.”
Mit Autos kennt er sich aus, der Sohn. Ich frage nur ergänzend nach: “Und warum meinst Du, dass ausgerechnet der Chef noch da ist?”
Der Sohn guckt mich nichtmal an, so banal scheint ihm die Rückfrage zu sein. Er baumelt weiter mit seinen Beinen und sagt: “Na, der Chef geht immer als Letzter. Er muss doch alles noch aufräumen.“
Das klingt plausibel. Und allen Jungeltern sei verraten: Die Fähigkeit, hinter anderen alles wieder aufzuräumen ist definitiv hilfreich für ein Leben mit Kindern im Haus.
Also nur zu und Mut zur Karriere.