Berufswunsch (18)
Von Señor Rolando
Die laufend wechselnden Hobbies der Kinder sind ein Phänomen für sich. Autos, Bagger, Süßigkeiten erbeuten: das kennt man ja. Das ist Routine. Damit habe ich vorher gerechnet. Irgendwann kommen dann auch andere Späße hinzu. Polizei- und Feuerwehrautos natürlich. Gern entwickeln Kinder auch mal einen Fetisch für Straßenbahnen oder Ostseeboote – je nachdem, was die Umgebung gerade so hergibt. Das ist meist nachvollziehbar. Es ergibt sich halt aus dem alltäglichen Kontext. Es sind vorübergehende Auftritte. Hobbies auf Zeit, quasi.
Faszinierend ist es dann, wenn auf einmal etwas dazu kommt, was sich universal und im Verbund mit allem anderen einsetzen lässt. Das Spielen mit Zahlen zum Beispiel. Zahlen sind schließlich allgegenwärtig. Gummibärchen lassen sich abzählen. Frühstücksbrötchen. Die gewonnenen Paare beim Memory. Die Schritte von der Haustür bis zum Spielplatz. Es sind alles abzählbar endlich viele Stücke oder Entfernungen. Berechnungen kann man damit auch anstellen. Die eigenen Gummibärchen plus denen der Schwester ergibt zum Beispiel die maximal mögliche Bärchenquote. Alle zurecht gelegten Legosteine abzüglich den bereits verbauten ergibt den noch verfügbaren Vorrat. Und wenn der Papa dabei schon staunt, legt der Sohn gleich noch etwas Bruchrechnung oben drauf. Denn zwei halbe Brötchen ergeben ein ganzes. Das stimmt nicht nur, ich finde das absolut respektabel.
Wenn ich mich so umgucke, wächst mein Respekt gleich noch viel mehr. Denn die ganzen arithmetischen Höchstleistungen scheinen ganz normal für das Alter zu sein. Diese fünfjährigen Halbstarken werfen mit Zahlen um sich, dass einem ganz schwindelig wird. Es ist verrückt. Die Jugend von heute: sie ist wirklich fit. Noch nicht mal in der Schule, aber schon vollkommen fertig auf das Leben vorbereitet. In schwachen Momenten fragt man sich als Erziehungsberchtigter, was man ihnen eigentlich noch beibringen kann.
Zum Glück gibt’s die Zeit am Abend. Zum Glück gibt es die Zeit des Ins-Bett-Bringens. Da erwischt man den Sohn auf einmal dabei, wie er seine Sachen einfach achtlos auf den Boden wirft. Das ist die Gelegenheit, einmal dezent nachzufragen, was diese Sorglosigkeit denn soll! Die eigenen Sachen einfach auf dem Boden. Also wirklich. Das machen wir doch sonst nicht so. Wie der Sohn denn darauf kommt, dass das in Ordnung sei. Ich frage ihn.
Er sagt nur: Ach was, ich habe sie auf den Stuhl gelegt. Wie jeden Tag.
Der Sohn ist wahrlich nie um eine Ausrede verlegen. An der Stelle steht für gewöhnlich tatsächlich ein Stuhl. Normalerweise. Nur eben heute nicht. Die Schwester hat ihn wohl beim Spielen vor ein paar Stunden verschoben. Schlimm muss das sein. Der quasi wasserdicht bewiesene Algorithmus funktioniert auf einmal nicht mehr. Zack, ist für den Wissenschaftler im Haus der Alltag kaputt. Und quasi zum Trost wissen wir jetzt immerhin: Hobbies sind Schnickschnack. Was zählt, sind die wahren Begabungen. Der Sohn, er wird einmal Mathematikprofessor.