Frühlingsgefühle
Von Señor Rolando
Jetzt geht’s los. Aber so richtig. Eben haben wir noch überlegt, ob wir zum Skifahren wirklich in die Berge bei den Vororten fahren müssen. Oder ob nicht auch die Garageneinfahrt ausreicht. Jetzt auf einmal scheint die Sonne. Richtig warm sogar. Man könnte meinen, dass hier jemand versucht, gleich ganze Jahreszeiten zu überspringen. So geht das natürlich nicht. Wir brauchen schließlich auch etwas Verlässlichkeit. Routine gehört in den Alltag. Dazu gehören auch die ganz normalen Jahreszeiten. Und zwar vollständig. Das wissen wir doch alle. Denn für ein rundes Jahresgefühl braucht’s nicht nur den Winterschlaf, sondern auch die Frühjahrsmüdigkeit, die Sommerschwere und die Herbstdepressionen. Fehlt eins von denen, geht die ganze Reihe nicht auf. Also hört bitte auf, jetzt gleich von Sommer zu reden, nur weil mal kurzzeitig keine Schneestürme auf uns einprasseln.
Frühling also.
Wer würde den auch wirklich überspringen wollen? Es ist doch die Zeit, in der wir alle wieder so richtig zum Leben erwachen. Wenn wir nicht gerade schlafen, versteht sich. Aber die Sache mit dem Bett ist doch gar nicht so verkehrt. Das passt doch ganz wunderbar in die Zeit. Wenn Sie verstehen, was ich meine. Es wird schließlich alles wach. Nicht wahr? So richtig allumfassend. Wir fühlen uns kraftvoll. Wir wollen wieder etwas erleben. Jetzt geht die Post ab.
Das gilt natürlich keineswegs nur für die Volljährigen unter uns. Nein, auch der Nachwuchs holt jetzt Schwung. Mit der Sonne kommt die Kreativität. Jetzt wollen die Kinder so richtig loslegen. Jetzt ist Schluss mit dem grauen Einerlei des Winters. Jetzt wird rebelliert. Jetzt lassen es die Kinder mal so richtig krachen.
Prompt sagt der Sohn: Ich möchte wirklich gern mal etwas machen, ohne vorher um Erlaubnis fragen zu müssen.
Die Dame und ich, wir gucken uns an. Wir gucken zum Sohn und sie fragt: Und was wäre das zum Beispiel?
Der Sohn guckt vollkommen ernst und antwortet: Ganz nackig durch die Gegend laufen.
Ja klar! Was auch sonst? Ist schließlich Frühling.