Wir wohnen hier in einer aufregenden Gegend. Da gibt es viele Leute drum herum. Es ist immer etwas los. OK, gelegentlich wird auch mal das Gefährt vor der Tür umgestaltet, aber wir wollen mal nichts dramatisieren. Ganz im Gegenteil: wir freuen uns über die Vielfalt. Hier gibt’s Studenten, hier gibt’s ganz gewöhnliche Nachbarn, hier gibt’s sogar arbeitendes Volk. Gleich um die Ecke. Da sitzen Firmen. Agenturen oder so. Die machen wohl etwas in diesem Internet. Was das genau sein soll, weiß ich jetzt auch nicht. Da kommt man ja gar nicht mehr mit, bei diesem ganzen neumodischen Zeug.
So geht’s den Leuten wohl auch selbst. Sie nehmen sich nämlich gelegentlich eine Auszeit. Gehen vor die Tür, rauchen mal eine oder unterhalten sich. Was man eben so macht, um diesem Internet zu entkommen. Gelegentlich laufen sie sogar herum, ist schließlich aufregend, die Gegend. Und manchmal bleiben sogar einige bei uns vor der Tür stehen.
Den Sohn fasziniert das sehr. Er steht am Fenster und guckt ihnen zu. Stundenlang könnte er das tun. Ich stehe daneben und überlege, ob ich ihm ein Kissen holen sollte. Aber wirklich leidend guckt er nicht. Eher sieht es so aus, als ob er bald heraus fällt aus seinem Fenster, weil die Ohren nicht groß genug sind, um den offenbar sehr spannenden Geschichten angemessen folgen zu können.
Nur gut, dass es ab und an noch anderweitige Abwechslung gibt. Zum Beispiel, wenn Gäste im Haus sind. So war heute ein Kumpel des Sohnes zu Besuch. Das lenkt ab, da ist richtig was los, da hauen sich die Vierjährigen auch leidenschaftlich die Taschen voll. Man kann gar nicht immer zuhören, wenn sie sich unterhalten. Verrückt würde man werden. Wahrscheinlich geht’s oft auch um Agenturjungs und deren Themen. Man muss seine Leidenschaft teilen. Wozu sind Kumpels schließlich da? Eben.
Aber wie das mit Besuch so ist: irgendwann geht er wieder. Zieht sich die Stiefel an, wirft den Mantel über, liefert sich mit dem Sohn noch einmal eine feste Umarmung, wie es unter kleinen Männern nun mal so üblich ist und geht zur Tür hinaus.
Tschüss!, ruft er noch kurz über die Schulter und trabt los.
Der Sohn rennt zum Fenster, lehnt sich heraus, wirft zur Abwechslung nur einen flüchtigen Blick auf die ebenfalls gerade zufällig draußen stehenden Agenturjungs und brüllt seinem Kumpel hinterher: Tschüß, Quatschkopf! Du alte Labertasche! Ciao! Geh ruhig nach Hause! Tschühüss! Feierabend! Hau ab! Bis bahald!
Also sein Kumpel hat sich nicht umgedreht sondern nur lässig die Hand gehoben. Die Agenturjungs haben jedoch ihr Gespräch kurz unterbrochen und etwas skeptisch geguckt.
Dann mal auf weiterhin frohe Nachbarschaft.