Baustelle
Von Señor Rolando
Vor einer Weile habe ich clever geheiratet, seitdem gilt: Einmal im Jahr sieht die Bude hier bei uns aus wie eine Baustelle. Das ist quasi ein Naturgesetz. Darauf kann man sich verlassen. Manchmal kann es sein, dass wir dafür umziehen müssen, manchmal bekommen wir einfach einen Wasserschaden. Aber manchmal geht’s auch ohne größere Katastrophen und wir legen uns einfach eine neue Küche zu.
Kein Problem, sagen Sie? Da lässt man einfach jemanden kommen! – Nun, so einfach ist es natürlich nicht. Zum einen können Küchenstudios mit ihren Attitüden anstrengender sein, als man das landläufig naiv so glauben mag. Zum anderen zieht unsere alte Küche in den Keller um. Das sorgt dort für Ordnung und vielleicht im nächsten Jahr für eine Baustelle weniger. Wer weiß? Könnte ja sein. Aber mal unter uns: Da glaube ich selbst nicht dran. Trotzdem zieht die alte Küche jetzt erst einmal in den Keller um. Und wer sich in der Küchenmöbelbewegungsszene ein wenig auskennt, kann sicher nachvollziehen, dass wir das lieber nicht von irgendwelchen Dienstleistern machen lassen.
Also legen wir selbst Hand an. Gehen in den Keller. Schaffen etwas Platz, indem wir alten Bestandskram beiseite räumen, Teile davon sogar entsorgen und in die gewonnene freie Landschaft die demontierten Küchenmöbel wuchten, um sie wieder neu zusammenzusetzen. Am Ende des Tages passiert, womit handwerklich eingeschränkt Begabte – also: ich – nicht wirklich gerechnet haben: Es herrscht nicht nur Ordnung im Keller, sondern es gibt sogar neuen Platz, um Altverstautes aus den Kisten zu holen und direkt ins Regal zu räumen. Das schafft Transparenz, sorgt für leichten Zugriff und man erkennt auf einen Blick den Stand der Vorräte im Untergeschoss.
Das begeistert auch den Sohn. Er lehnt sich an die Kellertür, guckt in den Raum, nickt anerkennen und stellt fest: Papa, jetzt haben wir endlich einen vollen Weinkeller. Das ist schön, oder?
Eine zufällig in dem Moment vorbeikommende Nachbarin hat dabei nur mit einem jetzt-weiß-ich-Bescheid-Augenbrauenhochgeziehe gegrüßt. Falls sie sich demnächst mal bei uns einlädt, weiß ich somit immerhin, was ich anbieten kann. Praktisch, der Sohn. Wollen wir nur mal hoffen, dass sie nicht ausgerechnet zur nächsten Baustelleneröffnung kommt. Könnte schließlich sein, dass dann niemand den passenden Korkenzieher findet.