Es soll Leute geben, die fangen schon in frühester Jugend an, ihre Karriere zu planen. Da wird der Lebenslauf getrimmt, dass einem schwindelig wird, wenn man nur davon zu hören bekommt. Wir kennen sie alle. Es sind die Kinder, bei denen man schon den Eltern ansieht, dass der Ernst des Lebens wahrlich kein Spaß ist. Sie sind gehetzt, gestresst und ständig aus der Puste. Dabei verwalten sie nur den Terminkalender der Kinder. Die eigentliche Arbeit machen die Kleinen. Schwimmen, Reiten, Chor, Fremdsprachennachhilfe und Kunsterziehung machen da nur den Anfang. Die richtig ernsten Berufsvorbereitungskurse gehen erst los, wenn die Kleinen erstmal drei Jahre alt geworden sind.
Dabei ist das alles natürlich gar nicht nötig. Wenn wir mal ganz ehrlich sind, wissen wir es doch viel besser. Alles, was wir tun müssen, ist: Augen auf und gucken, was der Nachwuchs besonders gut kann. Diese ganz persönlichen Stärken fördert man dann zielgerichtet. Da braucht es gar nicht viel. Etwas Zuspruch hier, einen Akzent gesetzt dort. Und schon nehmen die Dinge ihren Lauf und die Entwicklung des Überfliegers geht sprichwörtlich ab wie eine Rakete. Wie gesagt: Alles, was man dafür braucht ist ein offenes Auge im richtigen Moment.
Zum Beispiel bei der abendlichen Routine im Bad. Der Sohn ist schon vorgegangen. Angeblich, um sich die Zähne zu putzen. Freiwillig, quasi. Ich weiß zwar nicht, wie er ausgerechnet heute auf diese Idee gekommen ist, aber wenn der Nachwuchs mal freiwillig macht, was man jahrelang allabendlich gebetsmühlenartig vorgeträgt, dann stellt man nicht viele Fragen. Dann ist man dankbar. Und reißt erwartungsfroh die Badtür auf, um den Sohn freudestrahlend zu seinen großen Taten zu beglückwünschen. Positives motiviert. Also: Tür auf und – Augen ebenfalls, ganz weit sogar. Denn mitten im Bad steht der kleiner Mann, mit freiem Oberkörper, auf seinem Hocker. Er hat sogar die Zahnbürste in der Hand. Jedoch weniger zum Putzen sondern vielmehr als Ersatz für einen Dirigentenstab. Er schwingt sie hoch, er guckt, und er singt mit langsam aber stetig ansteigender Lautstärke:
Eine Fliege war nicht dumm,
sie flog mit viel Gebrumm
um’s rote Pferd herum.
|: Da hat das rote Pferd
sich einfach umgekehrt
und hat mit seinem Schwanz
die Fliege abgewehrt.
Die Fliege war nicht dumm,
sie flog mit viel Gebrumm
um’s rote Pferd herum. 😐
So geht es eine Weile. Und nur mit Mühe kann ich dem ekstatischen Künstler seinen Dirigentenstab entreißen, um etappenweise seine Zähne zu polieren.
Zähneknirschend ist mir eines klar geworden: Der Sohn wird mal ein großer Star in der Partykracherszene. Und wer jetzt sagt, dass in dem Text ein summ, summ
fehlt, der bekommt es mit seiner kleinen Schwester zu tun. Sie hat sich nämlich vorhin schon als Türsteherin bewährt.
Vielleicht sollte ich mich mal nach einer Balettschule umschauen.
3 Antworten auf „Berufswunsch (14)“
Es heißt Schaukelpferd. Und „mit seinem Stert“ natürlich. Ein bisschen Textsicherheit bitte, der Sohn hat das bestimmt richtig gesungen! (Na gut, dann hat er „sie machte summ, summ, summ“ halt vergessen, aber er ist ja auch noch am Anfang seiner Karriere.)
Vielen Dank für diesen Ohrwurm am frühen Morgen. Ich werde ihn wohl nicht mehr los bekommen.
Mach dir nichts drais, ursprünglich war das glaub ich ein Kinserlied. Mein lieblingslied als Kind (meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad) wurde auch verhunzt.
Man sieht: Ich lerne noch. Aber mit einem großartigen Künstler als Lehrer und einer knallharten Türsteherin, die aufpasst, dass ich mich nicht heimlich davon schleiche, wird das schon noch etwas werden. Mit mir.