Nachdem offenbar schon alle dieses Buch gelesen und darüber geschrieben haben, sagte ich zum Sohn: Sohn, sagte ich, Sohn, geh mal bitte zum Regal und hole dieses Buch heraus. Das lesen wir jetzt auch. Er hat’s dann geholt, aber da erstaunlich wenig Bilder drin sind (gar keine!), durfte ich es für mich behalten. Und hab’s gelesen.
Es ist die Geschichte einer Familie. Einer fremden Familie, die man stückweise kennenlernt. Das Erste, was aber gleich mal passiert ist, dass man sich fragt: Warum? Denn mal ganz ehrlich: Warum sollte man die Geschichte einer fremden Familie lesen? Eine Geschichte, bei der es um Leute geht, die man gar nicht kennt. Als hätten wir nicht schon mit unserer eigenen Familie genug zu tun, sollen wir uns hier jetzt auch noch um die anderer Leute kümmern. Wie unsinnig, oder? Nun, das ist es nicht, wenn diese Geschichte zum einen so charmant erzählt ist, wie diese hier. In der die bescheiden zurückhaltende Rahmengeschichte vom kleinsten Kind des Clans erzählt, das in der Nacht nicht schlafen kann. Aus Solidarität bleibt die Mutter mit wach und erzählt der kleinen Dame Geschichten. Die nämlich – zum anderen – von einer spannenden Familie handeln. Sieben Nächte braucht’s, bis sowohl das Kind als auch der Leser die ganze Sippe kennen lernen. Und es sind sieben Nächte, die sich lohnen. Das ganze Konglomerat wird mehr oder weniger europaweit zusammengewürfelt. Dramen spielen sich da ab. Schicksale entstehen. Wunder geschehen. Der ganz normale Wahnsinn breitet sich aus. Es ist faszinierend. Wahrscheinlich auch aus einem ganz profanen Grund: So aufregend leben wir selbst nicht. Machen wir uns mal nichts vor: Unsere eigene Familiengeschichte ist viel langweiliger als das, was Señora Ziefle hier beschreibt. Überschaubarer auch. Es siegt der Voyerismus. Er zieht einen durch das Buch. Und man hat noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei. Im Gegenteil: Es könnte noch eine Weile so weitergehen. Man möchte immer weiter lesen. Auch wenn es unklar erscheint, wie das Kind bei diesen Geschichten in den Schlaf finden soll: Man gönnt ihr mehr davon, denn dadurch würde man es selbst auch bekommen.
Es ist ein wahrer Seitenwechsler.
Und falls ich tatsächlich doch nicht der Letzte gewesen sein sollte, falls Sie dieses Buch wirklich noch nicht selbst gelesen haben: holen Sie es nach! Gehen Sie in einen Buchladen und kaufen es sich, gehen Sie zu Amazon und kaufen es dort, laden Sie sich bei Freunden auf einen Kaffee ein, holen das Buch aus dem Regal, bewundern es angemessen und leihen Sie es sich dan aus. Alles egal. Machen Sie’s, wie es Ihnen passt. Aber: Lesen Sie dieses Buch. Es wird Sie traurig machen und es wird Sie glücklich machen. Denn es ist ein wunderschönes Buch.
9 Antworten auf „Aus dem Regal: Suna von Pia Ziefle“
„Jeder großartige Roman ist ein Familienroman.“ (Ken Follett zitiert seinen Agenten Albert Zuckerman)
Allerdings sind nicht alle mit so viel Liebe und Wärme erzählt wie dieser.
Bin ja nicht der größte Freund von Ken Follett, aber wo er recht hat, hat er wohl recht.
Ich bedanke mich sehr sehr herzlich, Señor Rolando! Ken Follet hätte ich allerdings auch eher nicht in diesem Zusammenhang vermutet :))
[…] Señor Rolando, Papas Wort Man muss höllisch aufpassen, damit man die Fäden, die Pia Ziefle so sorgsam gewebt hat, nicht durcheinanderbringt. Um ehrlich zu sein: Ich habe mir zwischendurch ein Blatt Papier geschnappt und alle Charaktere des Buches zu einem Stammbaum zusammengefügt. Namen, Länder, Beziehungen – und am Ende fügt sich doch alles zusammen. Suna ist kein Buch zum Nebenbeilesen und das ist auch gut so. Einfache Kost gibt es schließlich an jeder Straßenecke. […]
[…] Señora Ute. Und sie haben sich gewaschen. Sehr saubere Tweets sind das. So sauber, dass Pia ‘Suna‘ Ziefle sie glatt als Twitteratur bezeichnet hat. Klingt edel? Passt schon. Und als wäre das […]
[…] Darauf ist Verlass. Und mit etwas Glück gehört Pia Ziefle zu diesen Kommentatoren. Von ihr halten wir hier viel. Und zur ganzen Debatte über gute Bücher und böse Kopierer hat sie den folgenden Ratschlag […]
[…] schlechten Laune so wundervoll in Worte fassen. Die Dame kann das bekanntermaßen auch in Buchform, wir hatten das schon mal. Aber auch in kurz und zu einem Alltagsthema brilliert sie […]
[…] ein Buch. Was für ein Buch 2. Mit Länger als sonst ist nicht für immer hat Señora Ziefle nach Suna gemacht, wovor die meisten Autoren mit einem derart fulminanten Debüt ein wenig Sorge haben: einen […]
[…] sie kaum für möglich halten. So hat beispielsweise Pia Ziefle bereits zwei Romane geschrieben, beide sind großartig, und es hat bisher noch niemand die Dame zum Lesen in die Karlsruher Südstaaten […]