Bücher
Von Señor Rolando
Die Zeiten ändern sich. Der Wandel ist quasi allgegenwärtig. Wer davon noch nichts mitbekommen hat, sollte sich einfach mal Kinder anschaffen. Niemand zeigt die laufende Veränderung direkter, ehrlicher, offener und mit einer größeren Selbstverständlichkeit.
Der Sohn liest seit einer Woche zum Beispiel keine Bilderbücher mehr. Diese dünnen Dinger mit ihrem beschränkten Wortschatz kann sich gern die kleine Schwester reinziehen. Er ist hier der große Bruder. Schon richtig alt, zumindest, wenn man ihn fragt. Und es stimmt ja auch. Er wird schließlich bald vier. Da ist Schluss mit Kinderkram. Grimms Märchen müssen her. Somit ein richtig schön dickes Buch, mit ganz viel Text und immerhin noch ein paar Bildern.
Willkommen im Bildungsbürgertum! — möchte man da fast rufen. Was könnte es schließlich Größeres geben als Kinder, die sich für Bücher begeistern? Bücher sind der Hort der Kultur, Bücher sind Schätze des Wissens, Bücher sind ein Ruhepol im stressigen Alltag, Bücher sind Phantasieanreger, Bücher sind ein Quell steter Inspiration.
Und Bücher sind tot. Das hört man immer wieder. Wahrscheinlich sogar, seit es Bücher überhaupt gibt. Aber derzeit werden die Stimmen lauter. Und ich gebe Ihnen mal einen Tipp: So gut wie Kathrin Passig mit ihrem Buch als Goldbäumchen hat es selten jemand auf den Punkt gebracht. Lesen Sie’s dort: Bücher sind tot.
Also ist alles umsonst? Diese Zeiten des gemeinsamen Blätterns, Guckens, Lesens und Vorlesens, dieses Selbstlesen, auch wenn die Kinder dabei sind? Alle Vorbildfunktionen für die Katz? Geht es letztlich nur noch um ein kurzes Klicken, vielleicht ein Wischen und das war es dann? Der Untergang des Abendlandes — viel beschworen, jetzt kommt er wirklich?
Zum Glück wohl nicht. Denn wie hat kürzlich der viellesende Blognachbar festgestellt: Der Medienwandel im Kinderzimmer ist gar kein Problem. Der Nachwuchs nimmt die Märchen wie sie kommen. Ganz frei von jeder Theorie. Nicht das Medium ist die Botschaft, sondern auch in Zeiten des Wandels gilt eine Konstante: Rotkäppchen ist das schönste Mädchen, dass es je gegeben hat. So sagt es nämlich der Sohn. Und er muss es wissen, verliebt, wie er ist.