Voll nachhaltig
Von Señor Rolando
Das Fahrrad ist eine ganz hervorragende Erfindung. Und das nicht nur, weil sein Schöpfer im gleichen Dorf geboren wurde wie der Sohn. Sondern weil es natürlich ein taugliches Fortbewegungsmittel auch für Kinder ist, der physischen Ertüchtigung zuträglich, ohne bemerkenswerte Abgase und Lärmbelästigung. Es ist halt nachhaltig und so.
Und es wird Zeit, dass der Sohn lernt, Fahrrad zu fahren. Das ist schließlich heutzutage ganz einfach geworden. Ich erinnere mich noch düster an meine eigenen Anfänge. Da gab es die Straße vor dem Haus, so einige hin und her führenden Anfahrtsmanöver, angetrieben durch väterliche Unterstützung und Motivationssprüche. Und es gab die erste richtig große eigenständige Fahrt entlang der gesamten Straße, ganz ohne externe Hilfe, dafür mit einem Baum am Ende und einer Acht im Vorderrad. Aber irgendwas ist ja immer.
Und heute ist es alles viel leichter. Denn der Sohn fährt schon seit geraumer Zeit sein Laufrad wie ein wahrer Profi. Kein Weg ist zu weit für die beiden. Kein Hügel zu hoch, um ihn nicht mit Schmackes herab zu rasen. Der Sohn und sein Laufrad: eine wahre Symbiose. Vollkommen ins Blut übergegangen ist ihm somit der für das Radfahren notwendige Gleichgewichtssinn, das Prinzip des Anfahrens, Bremsens, Anhaltens, Lenkens. Alles gar kein Problem.
Fehlt nur noch die Sache mit den Pedalen, dem Treten, der Gleichmäßigkeit und Koordination. Alles nicht so wild, denke ich mir. Der Nachwuchs geht schließlich in den Kindergarten, – denke ich weiter – dort haben sie so kleine Fahrräder und die Jungs üben darauf recht prächtig. Was auch stimmt. Der Sohn und sein Kumpel sind wie die Wilden mit dem Rad unterwegs. Es ist so ein Zweimannrad, ein Tandem quasi. Und quer durch den Garten, rund um den Baum, hinter den Schuppen: überall kommen sie hin mit ihrem Gefährt. Souverän und schnell sind sie dabei. Nicht immer zur Freude der Erzieherinnen oder abholenden Eltern.
Super, dann kann er ja jetzt Fahrrad fahren! – sage ich zur Dame des Hauses. Das war ja einfach. – freue ich mich.
Stimmt, – sagt sie, wenn er dabei nicht grundsätzlich immer hinten sitzen und seinen Kumpel fahren lassen würde. Ich glaube, er hat die eigentliche Arbeit delegiert und winkt während der Fahrt nur fleißig den zuschauenden Mädels zu.
Fahrrad fahren kann der Sohn also noch nicht. Aber eine wichtige Lektion für’s Leben, die hat er offenbar bereits gelernt. Verdammt selbständig, der Typ. Ich frage mich nur, wie nachhaltig das ist.